Ralf Stegner zu TOP 11: Abschaffung der Kita-Beitragsfreiheit trifft Kinder und Familien
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 18.06.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 11, Änderung des Kindertagesstättengesetzes (Drucksache 17/610)Ralf Stegner:Abschaffung der Kita-Beitragsfreiheit trifft Kinder und FamilienHeute genau vor einer Woche hat mein ältester Sohn Abitur gemacht und meine Frau und ich sind darauf sehr stolz. Das ist bei mir anders als bei meinen Eltern. Die hatten 5 Kinder - da ging das nicht, die Kinder in den Kindergarten zu schicken, ich war in keinem Kindergarten. Die Gebühren hätte man damals gar nicht bezahlen können, wir hatten nicht mal Lernmittelfreiheit. Und ich weiß, was ich denen zu verdanken habe, die das geändert haben.Wir haben vieles gelernt in den letzten Jahren. Wir haben von 700.000 DM, die wir 1988 hatten für die KiTA-Förderung, 60 Millionen gemacht. Meine Kinder sind in den neu gebauten Kindergarten in Bordesholm gegangen, den ich als Sozialstaatssekretär eröffnen durfte. Wir haben da eine Menge Geld reingesteckt. Und trotzdem haben wir einen Fehler gemacht, als wir dann aus Finanznot – ich bekenne mich dazu, ich war damals Finanzminister - das gedeckelt haben bei 60 Millionen. Das hat nicht gereicht. Ich begrüße es, dass Sie den Deckel aufheben. Wir brauchen Verbesserungen in den Kindertagesstätten. Und ich bin auch froh, dass Sie auch etwas gelernt haben. Wir haben oft im Koalitionsausschuss drüber verhandelt; Sie haben gesagt, entbüro- kratisiert doch, entlastet die Gemeinden, lasst uns die Standards senken. Heute wollen Sie die Standards nicht mehr senken, das begrüße ich sehr.Insofern haben Sie etwas gelernt. Aber jetzt hinzugehen und zu sagen, wir heben den Deckel auf und die Eltern sollen das selbst bezahlen und der Rest geht in die Kasse des Finanzministers - das ist eine Schwerpunktsetzung, Frau Herdan, aber es ist ei- ne Schwerpunktsetzung gegen Kinder und Familien, und das ist falsch. Zumal Sie ja auch die Schülerbeförderungskosten wieder den Eltern zuschieben wollen.Bildung entscheidet heute über Lebenschancen. Und wir wissen ganz genau, dass wir mehr für die frühkindliche Bildung tun müssen, dass wir mehr für Kinder mit Migra- tionshintergrund tun müssen, für Kinder von Alleinerziehenden, dass wir mehr tun müssen für die Ausbildung der Erzieherinnen, die übrigens auch besser bezahlt wer- den müssen. Sie haben unglaublich viel zu tun, d.h. wir brauchen in diesem Bereich nicht weniger Geld, wir brauchen erheblich mehr Geld. Das werden wir als Schwer-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-punkt setzen. Es ist für uns auch die erste Priorität. Und es stimmt auch nicht, wenn Sie sagen, das kommt doch auch anderen zugute. Hab ich nicht von Ihnen gehört, die letzte Erhöhung des Kindergeldes sei gut gewesen, da ist der Effekt viel breiter und trifft andere? Hier ist das deutlich zielorientierter.Wenn wir das schaffen mit der Beitragsfreiheit von der Kita bis zum Studium, wird das die Chancen erhöhen, Aufstieg durch Bildung zu schaffen in einer Welt, wo Deutschland als führendes Industrieland buchstäblich Schlusslicht ist, was den Auf- stieg angeht. Das müssen wir doch alle miteinander ändern wollen. Und da geht man doch nicht hin und sagt, dann schaff ich das mit der Beitragsfreiheit, was wir hier ge- meinsam mit Stolz beschlossen haben, wieder ab.Dass wir das hier nun abschaffen sollen, das finde ich ein ganz falsches Signal. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, das wird auch niemand verstehen. Natürlich kostet das Geld, das weiß ich auch. Ich will Sie auch nicht behelligen damit, zu sagen, dass Sie ja selbst im Dezember dazu beigetragen haben, indem Sie einfach die Stimme erhoben haben, um Leuten zu helfen, die die Hilfe gar nicht brauchen, das hätte gereicht für zwei kostenfreie Kita-Jahre. Warum tut man so etwas? Das ist kein wirkliches Argu- ment!Aber selbst wenn man mit dem Geld argumentiert, kann man das anders machen. Wir wissen doch ganz genau, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass man heute Kinder fördert, wenn man ihnen Chancen gibt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Leben zurecht kommen, dass eben nicht die Jugendhilfekosten steigen, wie wir das in den Gemeinden haben, dass das einen Effekt hat, wenn man Kindern und Jugendli- chen hilft. Und wir wissen, was aus ihnen wird, wenn man ihnen nicht hilft. Sie kriegen keinen Ausbildungsplatz, ihnen wird nicht geholfen bei der Sprachförderung, sie lan- den am Ende im Sozialtransferbezug. Das wollen wir doch alle vermeiden. Es ist also nicht nur gerechter zu fördern, sondern es ist auch fiskalisch vernünftiger; das Argu- ment mit dem Geld ist ein falsches.Ich weiß, Sie kriegen viel Lob in den Zeitungen, das sei sehr mutig. Meine Damen und Herren, was ist daran eigentlich mutig, wenn man den Schwächsten und den Kin- dern und den Familien was wegnimmt? Das ist wirklich nicht mutig! Im Gegenteil, das ist falsch. Mich zumindest berührt auch die Frage, dass wir bei diesem Thema auch über Glaubwürdigkeit reden. Wir haben landauf und landab dafür geworben, dass wir den Eltern diese Beitragsfreiheit geben und die Union hat sogar gesagt, sie seien die ersten gewesen, die das Gesetz eingebracht haben. Wenn Sie dann ein hal- bes/dreiviertel Jahr später, nach dieser Wahl, die Sie knapp gewonnen haben, hinge- hen und sagen, jetzt seien die Verhältnisse völlig anders, dann geht das auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Und das schadet nicht nur Ihnen, sondern uns allen hier, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb ich möchte an Sie appellieren, an die Kol- legen Abgeordneten, insbesondere auch in der Unionsfraktion, sich das wirklich gut zu überlegen, ob Sie meinen, dass wir heute von Schleswig-Holstein das Signal geben -3-sollten, dass das Versprechen, was wir Kindern und ihren Eltern gemacht haben, übri- gens auch den Kommunen, gebrochen wird.In Rheinland-Pfalz haben sie jetzt mit einer SPD-geführten Regierung beschlossen, aber mit Zustimmung auch der Oppositionsfraktionen, dass alle Jahre beitragsfrei sind und dass es nach vorne geht. Natürlich wissen wir, dass die Gelder knapp sind. Und Sie werden, wenn wir unsere Haushaltskonsolidierungsvorschläge vorlegen, auch feststellen, dass auch wir werden sagen müssen, der Zeitplan wird in der Ehrgeizigkeit nicht zu halten sein, wie wir ihn hatten, aber am Ziel wird festgehalten Man geht doch nicht rückwärts! Und deswegen appelliere ich wirklich an Sie: Nehmen Sie das heute ernst und überlegen Sie es sich, ob Sie wirklich einen so traurigen Tag für Schleswig-Holstein in dem Sinne beschließen wollen, dass Sie zurücknehmen, was Sie den Eltern versprochen haben, was uns einen kleinen Schritt in die richtige Rich- tung gebracht hat.Meine Fraktion hat auch deswegen namentliche Abstimmung beantragt, weil ich wirklich glaube, wenn man in einen solchen Wahlkampf mit dem Hauptthema hinein- geht und sagt, wir versprechen Euch das, dann muss man mal sehen, dass man nicht ein dreiviertel Jahr später hingehen darf und sagen, das gilt für mich nicht mehr. Das schürt Politikverdrossenheit.Mich haben viele angesprochen, macht Ihr das wirklich, bleibt Ihr dabei? Und natürlich habe ich im Wahlkampf für die SPD geworben, aber ich habe auch gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Union, die das mit beschlossen hat, das zurücknimmt. Ich appelliere an jeden einzelnen von ihnen in dieser namentlichen Abstimmung, noch mal zu überdenken, ob das wirklich richtig ist, die Beitragsfreiheit abzuschaffen. Die SPD findet dieses falsch. Meine Fraktion wird geschlossen in namentlicher Abstimmung ge- gen dieses schlechte Gesetz stimmen und wenn Sie das anders machen, dann wird Ihnen das noch leid tun.