Flemming Meyer zu TOP 11 - Änderung des Kindertagesstättengesetzes
PresseinformationKiel, den 18.06.2010 Es gilt das gesprochene WortFlemming MeyerTOP 11 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes Drs. 17/610Wir alle wissen, dass der Bereich der frühkindlichen Förderung von der Politik viel zu langevernachlässigt worden ist. Anstatt in dieses enorm wichtige Zukunftsfeld zu investieren,wurden die Standards immer weiter verschlechtert, die Elternbeteiligungen stiegen undAnsätze zur dringend notwendigen Qualifizierung des Personals wurden nicht konsequentverfolgt. Deshalb unterstützt der SSW selbstverständlich alle Vorhaben, die dazu dienen, diepädagogische Förderung von Kindern zu verbessern. Allein schon der Blick auf die günstigerenBedingungen und guten Ergebnisse der frühkindlichen Förderung in Dänemark, lässt unsererMeinung nach keinen Zweifel an der Wichtigkeit solcher Maßnahmen.Wer die gestrige Ausschusssitzung zur Änderung des Kitagesetzes verfolgt hat, hat aber mitgrößter Wahrscheinlichkeit den Eindruck gewonnen, dass die frühkindliche Bildung bei denRegierungsfraktionen keine besonders hohe Priorität genießt. Die Abschaffung desbeitragsfreien Kitajahres soll einfach im Hau-Ruck-Verfahren durchgepeitscht werden, wasunsere Fraktion bei diesem so wichtigen Thema ganz einfach nur beschämend findet. Ein 2ordentliches parlamentarisches Verfahren findet hier definitiv nicht statt. Es kann weder vonausreichender Beratungszeit noch von einer annähernd zufrieden stellendenInformationsgrundlage die Rede sein. Diese Gesetzesänderung birgt aber viel zu vieleungeklärte Fragen und nicht absehbare Konsequenzen, als dass sie einfach im Vorbeigehendurchgedrückt werden dürfte.Wenn durch die gestrige Ausschusssitzung etwas klar geworden ist, dann ist es die Tatsache,dass es in diesem Zusammenhang schlicht und einfach viel zu viele offene Fragen gibt. Diesemüssen aus Sicht des SSW erst einmal geklärt werden, bevor hier eine Entscheidung getroffenwerden kann. Als neues Mitglied des Landtags kann ich meine Verwunderung undEnttäuschung über die Art und Weise, wie mit diesem Thema umgegangen wird, nichtverbergen. In dieser Angelegenheit wäre es meiner Meinung nach das Mindeste, dieBetroffenen im Rahmen einer Anhörung einzubeziehen. Dies wird doch auch in vielen anderenFällen, die weit weniger komplex sind, ganz selbstverständlich so gemacht.Diese indiskutable Vorgehensweise der Regierungsfraktionen liegt natürlich darin begründet,dass die ersatzlose Streichung des beitragsfreien Kindergartenjahres auf der sozialunausgewogenen und intransparent erarbeiteten Sparliste der Regierung steht. AlsBegründung hierfür wird nur genannt, das sich das Land die Kosten von rund 35 Millionen Eurojährlich einfach nicht mehr leisten kann. Trösten soll die direkt Betroffenen anscheinend dieErhöhung der Zuschüsse für die laufenden Betriebskosten der Kindertagesstätten.Die Standards bei Personal und Gruppengröße werden, so jedenfalls der Ministerpräsident inseiner Regierungserklärung, durch die Aufstockung um 10 Millionen Euro gesichert. Dass dieErfüllung des Bildungsauftrags so ganz einfach nicht gelingen kann weil sich die Einrichtungenund Fachkräfte an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit befinden, wird durch dieVerantwortlichen leider völlig ignoriert. Genau wie die Tatsache, dass die Erhöhung des seit2004 festgefrorenen Betriebskostenzuschusses längst überfällig war, und im Grunde nicht 3mehr ist, als eine neue Deckelung zur Angleichung an die Kostenentwicklung der vergangenenJahre. Für den SSW steht aber fest, dass hier eine Dynamisierung dringend notwendig wäre.Auch ohne Anhörung muss uns klar sein, dass die ersatzlose Streichung des beitragsfreienKindergartenjahres selbstverständlich unmittelbare negative Auswirkungen auf die Kinder undihre Eltern hat. Sie müssen in Zukunft tiefer in die Tasche greifen, um diese unsinnigeSparmaßnahme der Regierung zu finanzieren. Oder aber, sie verzichten auf dieses wichtigeAngebot und nehmen eine Benachteiligung ihrer Kinder in Kauf. Wir alle wissen aber, dass esleider gerade die Kinder der Geringverdienenden und der Hartz-4-Empfänger sind, die durchdiese Entscheidung besonders hart getroffen werden. Vor dem Hintergrund eineruneinheitlichen Sozialstaffel, in der die Kosten für die Betreuung letztlich von der Postleitzahlabhängen, sehen manche Eltern kaum eine Möglichkeit, ihre Kinder in einer Kita zu belassen.Eine Entwicklung mit solchen Konsequenzen ist aus Sicht des SSW untragbar. Wir sind derAuffassung, dass frühkindliche Bildung kein Luxus ist, der vom Geldbeutel der Eltern abhängendarf, sondern ganz einfach eine bildungs- und sozialpolitische Notwendigkeit.Gerade für die privaten Träger ergeben sich aus der Entscheidung der Landesregierung sehrernste Probleme. Sie bemerken schon jetzt eine große Unruhe und Veränderungen imAnmeldeverhalten der verunsicherten Eltern. Die Kinder werden erst zum 2. oder 3. Kitajahr an-oder im Extremfall sogar abgemeldet. Nähere Zahlen hierzu existieren natürlich noch nicht –und sie erscheinen den regierungstragenden Fraktionen für eine Entscheidung offensichtlichauch nicht notwendig. Vor allem sind aber die erforderlichen Änderungen in denEinrichtungssatzungen bis zum 1. August ganz einfach nicht zu bewältigen. Die Behauptung,wir müssten gerade wegen dieses engen Zeitraums die Änderung desKindertagesstättengesetzes in einer einzigen Sitzung in 1. und 2. Lesung behandeln, wirkt aufviele daher einfach ignorant. Eins muss ich deshalb deutlich sagen: Die Abschaffung desbeitragsfreien Kita-Jahres bereits zum August dieses Jahres hat zur Folge, dass in vielen Fällenkaum gegengesteuert bzw. die Finanzierungsgrundlage geändert werden kann. Dass das 4ganze Thema nun im Schnellverfahren abgehandelt werden soll, ändert an dieser Tatsacheüberhaupt nichts.Uns allen sollte klar sein, welche enorme Bedeutung die Arbeit der Fachkräfte in denEinrichtungen der frühkindlichen Bildung für unseren Nachwuchs hat. Durch ihre wertvolleBetreuungsarbeit werden die Kinder für die Schule vorbereitet und in der Entwicklung ihresSozialverhaltens unterstützt. Gespräche mit Fachkräften und Trägern zeigen leider immerwieder, dass die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher nicht besonders gut sind.Die Träger sprechen deshalb auch von einem handfesten Rekrutierungsproblem. Doch anstattAnreize zu geben, damit endlich mehr Menschen eine Arbeit als Fachkraft in einer Kitaaufnehmen, wird die Attraktivität dieses Berufs noch verringert. Der Umgang mit diesemThema und damit auch mit den betroffenen Fachkräften zeigt jedenfalls keine Wertschätzungfür ihre Arbeit.Die anspruchsvolle und völlig richtige Versorgungsquote für Kinder in frühkindlichenBetreuungseinrichtungen erfordert aber die Einstellung von rund 3000 zusätzlichenFachkräften. Nicht zuletzt durch den erweiterten Bildungsauftrag kommt den Einrichtungenund Mitarbeitern in der frühkindlichen Förderung die wichtige Aufgabe zu, die Kinder in ihrenStärken zu unterstützen und ihre Schwächen auszugleichen. Das beitragsfreie Jahr hat dafürgesorgt, dass jedes Kind zumindest für die Dauer dieses einen Jahres in den Genuss dieserwichtigen Förderung kam.In seiner Regierungserklärung zum Auftakt dieser Landtagssitzung behauptete derMinisterpräsident, dass die frühkindliche Bildung unter der Führung von CDU und FDP gestärktwird. Vor dem Hintergrund dieser Debatte fällt es mir persönlich aber sehr schwer, diesnachzuvollziehen. Es ist ein Armutszeugnis für uns alle hier, wenn es nicht gelingt, dieBedingungen in diesem Bereich entscheidend zu verbessern. Hier geht es um nicht weniger, als 5die Sicherung der Zukunft unseres Landes. Eine Stärkung der frühkindlichen Bildung lässt sichin der Abschaffung des beitragsfreien Jahres aus Sicht des SSW jedenfalls nicht erkennen.Für eine Verbesserung wäre vielmehr das Gegenteil notwendig: Das Angebot müsste dringenderweitert werden damit der Zugang zu den Einrichtungen unabhängig von der finanziellenSituation der Eltern möglich wird. Stattdessen soll hier eine Gesetzesänderung durchgepeitschtwerden, die einen empfindlichen Eingriff in das fragile Finanzierungssystem einer Kitadarstellt. So viel – und nicht viel mehr – ist zu diesem Zeitpunkt sicher.Wenn es denn auch nicht gelingt, die Abschaffung des beitragsfreien Jahres zu verhindern,sollten wir im Sinne der Planungssicherheit der Träger zumindest dafür sorgen, dass dieStreichung erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen wird. Wir haben ja gestern gehört,dass die Regierung, wenn es um die Erhöhung der Einnahmen durch die Grunderwerbsteuergeht, durchaus warten kann. Dann müsste es in diesem Fall doch auch möglich sein.