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18.06.10
10:20 Uhr
SPD

Thomas Rother zu TOP 4: Zweifel an Rechtsauffassung des Gesetzentwurfes: Abstimmung vertagen!

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 18.06.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 4, Änderung des Sparkassengesetzes (Drucksache 17/250 und 17/585)

Thomas Rother:

Zweifel an Rechtsauffassung des Gesetzentwurfes: Abstimmung vertagen!

Ein kurzer, aber heftiger Diskussionsprozess nähert sich seinem Ende. Dieser kurze Diskussionsprozess, der dennoch auf hohem Niveau verlief, hat zu interessanten Er- gebnissen und Erkenntnissen geführt. Nicht nur CDU und FDP haben ihre Position ein Stück weit überarbeitet. Auch für uns sind neue Erkenntnisse deutlich geworden und auch wir haben unsere Auffassung in mancher Frage korrigieren müssen.

Für uns als SPD-Fraktion ging und geht es darum, die Sparkassen zu stärken und das hohe Vertrauen der Menschen in diese Institution nicht durch politische Spielerei- en und juristisches Gepoker zu zerstören. Für uns die ist Versorgung mit Bankdienst- leistungen in der Fläche immer noch ein wichtiges öffentliches Gut, das bei weitem noch nicht durch online-banking abgelöst ist. Die Sorge, dieses Flächenangebot könn- te durch die Gesetzesänderung gefährdet werden, ist tatsächlich eher unbegründet, weil potentielle Erwerber von Sparkassenanteilen aus der Branche es auch auf die Nutzung des dichten Filialnetzes abgesehen haben. Aber ob ein reiner Privatinvestor das auch so sehen würde? Wohl kaum!

Für uns ist die Sicherstellung eines Giro-Kontos für jedermann eine grundlegende politische Forderung, weil ohne diese Garantie viele Menschen von der Möglichkeit ausgeschlossen wären, ihre persönlichen Geschäftsvorgänge zu regeln. Ob ein Spar-



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



kassengesetz bei privater Beteiligung an einer Sparkasse das dann noch erhalten kann, ist und bleibt rechtlich fragwürdig und alle theoretischen Selbstverpflichtungen der Privaten reichen in der Praxis nicht aus.

Die Bedeutung der Sparkassen als Finanzierungsinstitut für die Wirtschaft, insbe- sondere die mittelständische Wirtschaft, ist unbestritten. Daher ist es kein Wunder, dass gerade die Interessenvertreter der kleinen und mittleren Betriebe davor warnen, noch mehr Entscheidungen in ferner gelegene Zentralen zu verlagern, als es jetzt schon nach den Fusionen der Fall ist.

Dass Städte und Kreise in Finanznot in die Versuchung geraten könnten, Anteile zu veräußern, um ihre Haushalte zu sanieren, ist durch die Ergänzung aus den Regie- rungsfraktionen zumindest zeitweilig gebannt. Ebenso wird der Innenminister ausge- bremst, falls er Anteilsverkäufe verlangt hätte.

Dennoch ist der Gesetzentwurf damit nur verschlimmbessert worden. Der Sparkassen- und Giroverband hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine stille Einlage des Ei- gentümers dann auch marktgerecht verzinst werden müsste, um beihilferechtlich be- stehen zu können. Das ist teuer und hilft der Sparkasse nicht, sondern nur dem einle- genden Eigentümer.

Der Vorschlag des schleswig-holsteinischen Sparkassen- und Giroverbandes zur Auf- nahme einer atypischen stillen Einlagemöglichkeit in das Sparkassengesetz könnte zwar Geld auf die Eigenkapitalseite bringen, bewältigt aber die europarechtlichen Probleme nicht und auch diese Lösung ist nur eine nicht ganz so schlechte Lösung. Außerdem können die Träger natürlich schon jetzt nach freier Auswahl ihre Verwal- tungsratsmitglieder benennen. -3-



Widersprüchlich scheint es, wenn der Sparkassen-Bundesverband die interne Lösung der Kapitalprobleme der Sparkassen durch die vorhandenen Stützungsmöglichkei- ten als vollkommen ausreichend beschreibt, in der Praxis aber der NOSPA nicht rasch hilft, sondern mit den Trägern und der Sparkasse über die Beträge verhandelt. Aber Stützungsmaßnahen bedeuten keinen Freifahrtschein ins Glück, sondern müssen na- türlich auch von einem Sanierungskonzept getragen werden, aus dem hervorgeht, wie künftig Fehler in der Sparkasse vermieden werden.

Bei der Kreissparkasse Lauenburg scheint es hingegen nur um die günstige Gelegen- heit zur Eigenkapitalerhöhung zu gehen.

Die Gemeinwohlverpflichtung der Sparkassen ist über die Ausschüttungen für die Bereiche der kommunalen Sport-, Kultur-, Jugend- und Sozialförderung eine unver- zichtbare finanzielle Grundlage für die Gestaltung unsres Gemeinwesens. Diese Ge- meinwohlorientierung der Sparkassen wäre allein schon durch die Stammkapitalbil- dung dahin, weil auch öffentliche Eigentümer dann schlichtweg Renditeinteressen hät- ten und damit der Charakter einer Sparkasse grundlegend verändert wäre. Dort müs- sen wir auch eine unserer bisherigen Positionen korrigieren, denn wir waren ja offen für eine öffentlich-rechtliche Beteiligungsmöglichkeit. Aber das würde es eben auch nicht besser machen, sondern nur nicht ganz so schlimm.

Trotz aller Veränderungen bei Randfragen des Gesetzestextes durch die Regierungs- fraktionen bleibt das Kernproblem der Stammkapitalbildung unangetastet und damit bestehen!

Durch die Einbeziehung der HASPA-Finanzholdung und anderer freier Sparkassen in die Möglichkeiten zum Beteiligungserwerb liegt eine Teilprivatisierung vor. Das Bun- desverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei der HaSpa um ein privates Rechtssubjekt handelt. Und auch die Mitteilung der EU-Kommission hat – bei allen -4-



Hintertürchen – erkennen lassen, dass sie die HaSpa-Finanzholding als Privaten ein- ordnen wird.

Und bei der Sparkasse zu Lübeck ist dies bereits aufgrund einer beihilferechtlichen Entscheidung vor gut zwei Jahren erfolgt. Siehe Stellungnahme der Rechtsanwalts- kanzlei Weissleder und Ewer, Seite 10, die sich im Auftrag der HaSpa mit diesem Thema befasst hat. Gibt es bessere Zeugen?

Bei der Anwendung des EU-Rechts in Bezug auf Niederlassungsfreiheit und Kapi- talverkehrsfreiheit bliebe eine Privilegierung bestimmter Rechtsträger gegenüber an- deren potentiellen Investoren unzulässig. Die EU-Kommission könnte wegen der unzu- lässigen Veräußerungsbeschränkung ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Pri- vate Investoren könnten sich auf eine Gleichstellung berufen. Ein nicht zugelassener Privater, der bereit wäre, einen höheren Kaufpreis als ein öffentlich-rechtlicher Er- werbsinteressent zu bezahlen, könnte sich auf das europäische Diskriminierungsver- bot berufen und sich ggfs. in die Sparkasse hineinklagen. Und dass das Interesse Pri- vater kein Hirngespinst ist, hat der Vorgang um die Sparkasse Stralsund und den Kaufinteressenten Deutsche Bank ja schon bewiesen.

Erbärmlich ist bei diesem Gesetzesvorhaben die Rolle der Landesregierung. Nicht nur, dass sie die Arbeit – hier die Schmutzarbeit - die sie tragenden Fraktionen ma- chen lässt: Die Antworten auf die kleinen Anfragen der Kollegin Heinold, des Kollegen Harms, des Kollegen Stegner und meiner Wenigkeit in Bezug auf die europarechtli- chen Fragen des Sparkassengesetzes sind wirklich dreist. Diese Antworten kann man nicht mehr Antworten nennen, sondern Ver-irgendwas-ung.

Beachtlich ist, dass die Landesregierung 55.000 Euro für ein Rechtgutachten der Kanzlei Freshfields zur Klärung europarechtlicher Fragen ausgegeben hat, also sehr wohl hätte präzise antworten können. Und vielleicht wäre dann auch manchem in den -5-



Regierungsfraktionen die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlich, öffentlich und privat etwas deutlicher geworden.

Der Deutsche Bundestag befasst sich mit diesem Thema. Auch kein alltäglicher Vor- gang in Bezug auf die Änderung eines Landesgesetzes. Und auf EU-Ebene lauern Wirtschaftliberale nur auf einen Anlass, den öffentlich-rechtlichen Charakter der deut- schen Sparkassen endlich zu Fall zu bringen.

Daher appelliere ich vor allem an die Kolleginnen und Kollegen aus der Union, die Warnungen vor dieser Gesetzesänderung ernst zu nehmen. Diese Warnungen kommen von den Beschäftigten – auch der freien Sparkassen -, von den Sparkassen selbst, von Institutionen, die eher Ihnen als uns politisch nahe stehen und auch aus Ih- rem eigenen politischen Lager – mit Oberbürgermeisterin Petra Roth an prominentes- ter Stelle.

Ich appelliere gar nicht an Ihr Gewissen, sondern vielmehr an Ihren Verstand, an Ihre eigene Fähigkeit, diese Bedenken nicht als Bedenkenträgerei abzutun, sondern sie ernst zu nehmen und nicht blindlings einen irreparablen Schaden anzurichten. Manche aus der CDU-Fraktion haben das ja schon bei Kreistagsresolutionen getan und sich gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen. Gleiches soll es ja in der Landtagsfrak- tion gegeben haben.

Wir befinden uns nicht in einem juristischen Seminar. Und wir sind auch nicht Spieler in einer Rechtskunde-Lotterie. Aber alle Stellungnahmen zum Gesetzentwurf belegen Zweifel an der Rechtsauffassung des Gesetzentwurfes, selbst wenn sie ihn im Ergeb- nis tragen. Und auch die Veränderungen werfen mehr Fragen auf, als dass sie Antwor- ten geben. -6-



Es gibt also keine rechtliche Ausrede oder Entschuldigung bei der Entscheidung. Wir müssen eine politische Entscheidung treffen. Und bei solchen Entscheidungen heißt es, Risiken und Chancen abzuwägen.

Ich appelliere an Sie, Unterbrechen Sie die Sitzung – vertagen wir, beraten wir neu! Sie haben die Chance, diesen möglichen Schaden nicht nur von unserem Land, son- dern von allen Sparkassen in Deutschland abzuwenden. Stoßen sie nicht den ersten Dominostein einer Kette um, die die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Sparkas- senwesens zum Ziel hat. Stoppen Sie diesen Domino-Day!

Wir werden keine hämischen Kommentare abgeben, sondern konstruktiv das Ge- spräch suchen. Wenn Sie aber vor den Problemen die Augen weiter schließen, bean- tragen wir eine namentliche Abstimmung, damit der Öffentlichkeit deutlich gemacht wird, wer auf ihre Interessen zur Sicherung einer flächendeckenden Versorgung mit Finanzdienstleistungen für jedermann pfeift.