Rede von Björn Thoroe zum Handwerkstandort S-H: "Mittelstand braucht Rückendeckung."
Presseinformation 170/10 Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin Rede von Björn Thoroe zum Handwerkstandort S-H DIE LINKE Fraktion im Schleswig- Es gilt das gesprochene Wort. Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 Sperrfrist Redebeginn. 24105 Kiel Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Kiel, 17. Juni 2010 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 jannine.menger-hamilton@linke.ltsh.de www. linksfraktion-sh.deRede von Björn Thoroe zum Handwerkstandort S-H: „Mittelstand braucht Rückendeckung.“„Frau Präsidentin/Herr Präsident, meine Damen und Herren,der Mittelstand steht als Rückgrat der Wirtschaft im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik – zumindest wenn es nach den Sonntagsreden geht. Und das gilt auch für das Handwerk. Tatsächlich gibt es in Deutschland nur rund 5.000 Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Alle anderen der insge- samt 3,5 Millionen Firmen in Deutschland zählen zum Mittelstand. Diese kleinen und mittleren Unter- nehmen bieten mehr als zwei Drittel aller Arbeitsplätze, bilden acht von zehn Lehrlingen aus und tätigen 40 Prozent aller steuerpflichtigen Umsätze.In Schleswig-Holstein arbeiten über 87 Prozent der Beschäftigten in Betrieben bis zu 500 Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter. Bei den Auszubildenden ist die Quote noch höher, über 91,5 Prozent der Auszubil- denden werden in Betrieben mit weniger als 500 MitarbeiterInnen ausgebildet, und je kleiner die Be- triebe sind, desto höher ist die Ausbildungsquote. Gerade Kleinbetriebe – gerade Handwerksbetriebe – sind von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise besonders betroffen und stehen angesichts von geringem Eigenkapital vor beträchtlichen Herausforderungen. Was tun, wenn die Kunden nicht zahlen? Wie über- leben gegen große Handelsketten und Baulöwen? Woher Geld bekommen, wenn die Banken Kredite verweigern?Hier müssen die öffentlichen Sparkassen und Banken ohne Wenn und Aber einspringen, und hierzu meine Damen und Herren braucht es keine Änderung des Sparkassengesetzes. Hierzu braucht es einen entsprechenden Auftrag für Sparkassen und öffentliche Banken, es geht um die umfassende Kreditver- sorgung der regionalen Wirtschaft, auch um eine verlässliche Investitionsförderung. Wir können gerne über die Verbesserung der Sparkassen mit Eigenkapital reden, aber nicht durch eine schleichende Priva- tisierung der Sparkassen. Wir brauchen auch und in erster Linie für das Handwerk deutlich steigende öffentliche Investitionen. Wer in der Wirtschaftskrise knausert, wer jetzt spart, der verstärkt die Krise, der erhöht die Anzahl der Insolvenzen. Wir müssen antizyklisch handeln, um dem Handwerk eine Chance zu geben. Wir brauchen darüber hinaus zum Schutz des Handwerkes verschiedene Maßnahmen, z.B.: Keine IHK Beiträge bis zu einem Gewerbeertrag von bis zu 30.000 Euro. Verschärfte Vorschriften für die Auftragsvergabe zu Gunsten der heimischen Wirtschaft. Keine PPP-Projekte, hier wird regelmäßig die heimische Wirtschaft ausgegrenzt. Wir brauchen einen ermäßigten Umsatzsteuersatz für Produkte und Dienstleistungen für Kinder und für arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks, und keine Insellösung – und dann auch noch eine schlecht gemachte – für die Hotellerie.Und auch die EU wirft den Handwerksbetrieben regelmäßig Knüppel zwischen die Beine. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die hier in der letzten Landtagssitzung beschlossene Umsetzung der Bolkestein- Richtlinie und die Notwendigkeit europaweiter Ausschreibung von vielen öffentlichen Aufträgen, die am besten hier vor Ort vom Handwerk erledigt werden könnte.Erwähnt werden muss hier allerdings leider auch: Es gibt nicht nur gute Handwerksbetriebe. Gerade Be- triebe mit Geldproblemen tendieren dazu, Auszubildende oder Praktikantinnen und Praktikanten als billige oder gar kostenlose Arbeitskräfte zu missbrauchen. Hier muss das Land Schleswig-Holstein zu- sammen mit den Gewerkschaften das Bundesbildungsgesetz durchsetzen, um Missbrauch entgegen zu treten. Gerade junge Menschen trauen es sich oft nicht zu rebellieren, wenn ihnen 260 Stunden im Mo- nat mit unbezahlten Überstunden abverlangt werden. Und das mit dem Hinweis, dass alle Opfer zu bringen hätten. Das findet man auch in Handwerksbetrieben in Schleswig-Holstein. Es ist bedeutsam, hier wachsam zu bleiben, damit diese Art schamloser Ausbeutung von Jugendlichen nicht stilbildend wird und die solide arbeitenden Betriebe sich die Frage stellen müssen, ob sie denn nicht die Dummen sind, wenn sie ihre Auszubildenden nicht genau so schlecht behandeln.Ein paar Ideen noch zur Verbesserung der Situation des Handwerks im Hier und Jetzt:Die Ein-Euro-Jobs sind vielfach Jobkiller für Handwerksbetriebe. Das muss endlich aufhören. Langzeit- praktika sind nach Bundesbildungsgesetz zu entlohnen und zwar in Höhe der Ausbildungsvergütung des ersten Lehrjahres. Bitte sorgen Sie hier für Klarheit.Und: Wir brauchen generell eine Wirtschaftspolitik im Land, die bereit ist, regionale Wirtschaftskreisläu- fe zu initiieren und zu stützen. Investitionen vor Ort helfen den kleinen Betrieben, den Handwerkerin- nen und Handwerkern. Dies vermeidet Verkehr und ist ökologisch sinnvoll. Hier muss sich Schleswig- Holstein den dirigistischen Vorgaben aus Europa und aus Berlin entgegenstellen, indem die Gemeinden zum Beispiel Ökobilanzen in Ausschreibungen einfließen lassen.“