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17.06.10
10:15 Uhr
SSW

Silke Hinrichsen zu TOP 30 - Neugliederung der Verwaltung

Presseinformation
Kiel, den 17. Juni 2010 Es gilt das gesprochene Wort



Silke Hinrichsen
TOP 30 Neugliederung der Verwaltung Drs. 17/604
Wir müssen die Kommunen wieder in die Lage versetzen, vor Ort all die Dinge zu verwalten und
zu entscheiden, die das unmittelbare Leben der Menschen vor Ort betreffen. Regelmäßig
scheitern daran die Kleingemeinden Schleswig-Holsteins und übertragen immer mehr Aufgaben
an die Ämter – ich müsste richtigerweise in der Vergangenheitsform formulieren: übertrugen,
denn das Landesverfassungsgericht hat dem - zu Recht- einen Riegel vorgeschoben und eine
Reform verlangt. Dafür gibt uns das Verfassungsgericht Zeit bis zum 31. Dezember 2014. Das ist
lang. Wir sollten aus Gründen der Glaubwürdigkeit versuchen, die Weichen so rechtzeitig zu
stellen, dass die nächste Kommunalwahl bereits auf neuer Grundlage durchgeführt werden
kann, also müsste dies bis 2011 erfolgen.
Ich kann mir jedenfalls keine SSW-Kommunalpolitikerin vorstellen, der es zusagt, einen
Wahlkampf zu führen mit abgelaufenen Verfallsdatum. Schließlich werden die Ämter auf jeden
Fall, wenn diese noch bestehen und gleichgültig für welche Option sich der Landtag auch immer
entscheidet, ihre Funktion und ihren Zuschnitt verändern – und damit auch die Gemeinden. Das
wissen die Bürger und darum sollten wir ihnen auch die Möglichkeit geben, entsprechend den
neuen Strukturen ihre Stimme abzugeben. 2
Darum ist es richtig, eine gesetzliche Regelung so schnell wie möglich zu diesem Thema zu
verabschieden. Ob dies tatsächlich bis 2012 noch ausreichend ist, um die gemeindliche Ebene auf
eine sichere, demokratische Basis zu stellen und dann entsprechend die Kommunalwahlen
durchzuführen, muss genau in diesen Beratungen erarbeitet werden.
Da diese Diskussion um eine solide Reform jedoch schon sehr lange in Gang ist, ist es auf jeden
Fall angeraten, diesmal gründlich zu beraten und eine Weichenstellung für die Zukunft zu
stellen, die auch nachhaltig ist.
Der SSW kritisierte bereits seit Jahren die veraltete und rechtlich fragwürdige Konstruktion der
Ämter und fordert stattdessen zeitgemäße und vor allen Dingen handlungsfähige Kommunen.
Wir sind der Ansicht, dass ab einer Bevölkerungsgröße von mindestens 8.000 Einwohnern in
einer Gemeinde, die Kommunalverwaltung handlungsfähig gestaltet werden kann. Die
Kommunalpolitiker/Innen haben dann die Verwaltungskraft, um das Leben vor Ort politisch
gestalten zu können. So ein Richtwert ist nicht als ehern zu verstehen; vielmehr sollten wir
gemeinsam und in Abstimmung mit den kommunalen Verbänden eine tragfähige Lösung für
eine neue zweigliederige kommunale Struktur erarbeiten. An dieser Stelle möchte ich
ausdrücklich ergänzen, dass wir bei diesen Beratungen nicht auf die Erfahrung einzelner
Kommunalpolitiker verzichten sollten, die im täglichen Geschäft am besten registrieren, wo es
Probleme gibt.
Es ist angesichts der Größe Schleswig- Holsteins völlig ausreichend, sich auf zwei kommunale
Ebenen in Schleswig-Holstein zu beschränken. Es soll gerade nicht mehr eine Versammlung der
Schwachen sein, sondern eine Gruppe Entscheidungsstarker. Genau das fordert der SSW, auch
aus der Erfahrung skandinavischer Kommunalreformen heraus.


Die Bürgertäuschung und -frustration durch den ständigen Aufgabenabfluss auf eine politische
Ebene, die nicht direkt gewählt wird, schafft man gerade auch innerhalb der EU stückweise ab,
indem man das Parlament stärkt. Das ist die richtige Tendenz!
Wer heute Kommunalpolitiker kritisiert, bekommt häufig zur Antwort: das habe das Amt zu
verantworten. Genau das zeigt den bisher nicht vorhandenen Spielraum und die 3
Einschränkungen in der Entscheidungskompetenz der Kommunalpolitiker. Und das führte
gerade bei neuen Kommunalpolitkern zu Frust. Viele stellten nach der Wahl zur eigenen
Überraschung fest, dass sie für verschiedenste Bereiche überhaupt nicht zuständig sind. Das
betrifft insbesondere das Haushaltsrecht der einzelnen amtsangehörigen Gemeinde: das ist
inzwischen völlig ausgehöhlt.


Das zeigt: nur, wenn wir uns auf zwei, handlungsfähige kommunalen Ebenen verständigen,
bekommen wir klare und erkennbare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten.
Deshalb sollten wir bei der Kommunalreform auf die Reset-Taste drücken und vorurteilsfrei und
ohne Ballast aus den vorangegangenen, wirren Kreisgebietsreform- und
Verwaltungsstrukturdiskussionen, versuchen, neu in den parlamentarischen Dialog und zur
Willensbildung kommen. Den Auftrag des Gerichts sollten wir darum für eine breite Initiative
nutzen. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land warten auf ein solches Signal. Die
Bürgerinnen und Bürger erwarten vom Landtag ein tragfähiges Modell für mehr kommunale
Demokratie und mehr echte Teilhabe. Sie sind in diesem Punkt vielen verzagten Landespolitikern,
die aus Furcht vor Schelte durch die Lokalfürsten lediglich begrenzte Änderungen anstreben, weit
voraus.


Die Erstellung eines Aufgabenkataloges, wie es sich einige schon überlegt haben, wird scheitern.
Und im Übrigen wäre ein solcher Katalog nur ein weiteres Zeugnis des Kleinmutes und des
bürokratischen Denkens und keine Lösung. Wer könnte denn überhaupt sagen, welche Aufgaben
auf keinen Fall übertragbar sind und bei den Gemeinden zu verbleiben haben, und welche
unabhängig vom Wählervotum hin- und hergeschoben werden können. Gehört die
Breitbandversorgung zur Daseinsvorsorge, oder ein regelmäßiger Busverkehr über den
Schülerverkehr hinaus? Alleine diese Beispiele zeigen: die Landesregierung wird keinen
gerichtsfesten Katalog formulieren können. Und sie wird ebenfalls scheitern, was die
Konsequenzen des Katalogs betrifft. Niemand wird ernsthaft fordern, dass in Amt A nicht
gewählt werden darf, weil dort eine Aufgabenübertragung innerhalb des Katalogs bleibt, aber in 4
Amt B, weil dort nur kataloginterne Aufgaben übertragen wurden. So sieht Überbürokratisierung
und Bürgerferne in den schlimmsten Alpträumen aus.


Davon abgesehen: das drängende Problem des anwachsenden Demokratiedefizites wird durch
die Diskussion zum Aufgabenkatalog völlig verdrängt.


Darum sollten wir uns zu einer klaren Reform durchdringen.