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16.06.10
17:28 Uhr
SPD

Bernd Heinemann zu TOP 17: Mehr Ärzte ausbilden und mit nichtärztlichen Fachkräften kooperieren

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 16.06.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 17, a) Verbesserung der Kooperation im Bereich der ambulanten Behandlung und b) Flä- chendeckende hausärztliche Versorgung sicher stellen (Drucksache 17/443)

Bernd Heinemann:

Mehr Ärzte ausbilden und mit nichtärztlichen Fachkräften kooperieren
Das Thema Gesundheit ist wirklich ungeeignet für verschnupfte Reaktionen. Deshalb verstehen Sie meinen Beitrag zum Bericht über die flächendeckende hausärztliche Versorgung, für dessen Erstellung ich mich im Auftrag meiner Fraktion noch einmal recht herzlich bei den Mitarbeitenden im Ministerium bedanken möchte, als rundherum konstruktiv.
Als ich vor über 20 Jahren in Schleswig-Holstein anfing, mich mit den Strukturen der Gesundheitsversorgung zu befassen, wehte der Wind heftig aus einer anderen Rich- tung als heute. Ähnlich wie heute noch in Österreich oder der Schweiz wurde landauf landab über das drohende Überangebot an Ärztinnen und Ärzten lamentiert.
In den achtziger Jahren ging es vor allem darum, den Kuchen der ärztlichen Leistung zu verknappen. Unsere Politikerkolleginnen und -kollegen von damals haben sich in den achtziger Jahren aus heutiger Sicht geradezu einlullen lassen von den Poli- tikflüsterern der Lobby- und Standesorganisationen jener Zeit. Der lähmende Schleier einer vermeintlichen Ärzteschwemme breitete sich über dem Land aus und droht heute zu einem Leichentuch der ambulanten Versorgung in der Fläche zu werden.
Die Hälfte der Hausärzte ist jetzt 55 Jahre und älter. Die wenigen ärztlichen Nach- wuchskräfte können sich heute vor Überstunden und Überforderung weder im statio- nären noch im ambulanten Bereich kaum noch retten. Wir haben heute allerdings ganz andere Verteilungsprobleme, nämlich die Verteilung der wenigen ärztlichen Kompe- tenz, die uns schon in ein paar Jahren erreichen wird, wenn 40% oder mehr dieser in- zwischen überalterten Kompetenz weggebrochen sind.
Schön, dass der Bericht unseres Gesundheitsministers ab Seite 16 ausführlich auch die Leistungen und Projekte seiner Vorgängerministerinnen hervorhebt, jedoch ist er insgesamt vor allem eine schrille Alarmglocke, die uns bei einem deutlich steigenden



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Behandlungsbedarf (20% bis 2020) zu weiterem, gerne auch kreativem Handeln zwingt.
Zunächst einmal brauchen wir Ärzte, und zwar dringend und besonders gerne auch aus Lübeck!!!!! Sie selbst, Herr Minister, weisen in Ihrem Bericht auf die Initiative des Bundeshausärzteverbandes hin, eine Stiftung für Lehrstühle der Allgemeinmedizin zu gründen. Das ist sicher besser als Medizinlehrstühle ausgerechnet jetzt im Land ab- zuwracken!
Gemeinsam mit den Bildungspolitikern in unserem hohen Hause sollten wir alle in ei- ner konzertierten Aktion dazu beitragen, dass das Leistungspotenzial der medizinisch Interessierten unter unseren Abiturienten optimal und zielgerichtet für die tatsächlichen Bedarfe in der Fläche auch geschöpft wird, vielleicht mit zielgerichteten Stipendien.
Wann, wenn nicht jetzt, haben wir die Pflicht, uns um die Ausbildung zu kümmern und die ärztliche Kompetenz so zu verteilen, dass nicht die wenigen verbliebenen enga- gierten ländlichen Praxisärztinnen und -ärzte die Dummen sind.
Auch die allein gelassenen, z. T. höchst morbiden Patientinnen und Patienten, deren Zahl steigt, dürfen in ihren Dörfern und Gemeinden nicht unversorgt zurückbleiben. Deshalb ist es folgerichtig, bei den Ideen für eine Verbesserung der Lage auf flexible Modelle zu setzen, wobei auch Zweigpraxen mit eingeschränkten Öffnungszeiten und z.B. mit kommunal subventionierten Mieten helfen könnten.
Wir gehen davon aus, dass wir ein gemeinsames fraktionsübergreifendes Interesse entwickeln müssen, um die Versorgung insgesamt aufrecht zu erhalten und anzupas- sen. Dies gilt auch für die Einbindung aller wichtigen Akteure, z. B. der Beteiligten aus dem stationären Bereich, wie der Krankenhausgesellschaft, die Kostenträger und andere.
Leider haben Sie z.B. die zugelassenen Psychotherapeutinnen und -therapeuten in ih- rem Bericht, wie auf Seite 6 betont, ausdrücklich nicht berücksichtigt, Herr Minister. Auch hier muss dringend nachgearbeitet und zumindest die strukturelle, fachliche und auch gesetzliche Realität der Einbeziehung nachvollzogen werden.
Die bestehende ambulante Versorgung braucht Verstärkung. Dazu ist in dem Bericht zwar einiges ausgeführt, jedoch muss die Kreativität in der fachlichen Bewertung in unserem Land der Horizonte deutlich weitergehen. Besonders bei der Einbeziehung und Verstärkung sowohl von ärztlichen wie auch von nichtärztlichen Heilberufen ist der juristische Ballast der Vergangenheit in großen Teilen neu zu bewerten. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf und das Land ist dafür schlicht zuständig! -3-



Während andere Länder zielführend und praxistauglich die Gemeindeschwester von einst zur „Nurse Practitioner“ weiterentwickelt haben, fehlt bei uns der Mut, hier stärker als bisher mit nichtärztlichen Fachkräften zu kooperieren, gerne unter der Aufsicht oder im Auftrag von Ärztinnen und Ärzten.
Wir müssen uns aber auf die Versorgungsregionen selbst konzentrieren als eine der wichtigsten Stellschrauben für die Versorgung. Wenn eine dezentrale Versorgung tat- sächlich auch regional funktionieren soll, dann muss auch mit der Aufteilung nach Kreisen als beschränkter Baukasten von nur 13 Versorgungsregionen endlich Schluss sein. Ärzte siedeln sich in Itzehoe, Norderstedt oder Wedel an und sorgen dafür, dass es statistisch in den Kreisen Steinburg, Segeberg und Pinneberg keine Probleme gibt, doch was nutzt das den Menschen in Negernbötel, Bilsen oder Wa- cken?
Wir brauchen kleinteilige, morbiditäts- und mobilitätsorientierte Strukturen. Auch müs- sen wir die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass die Medizin weiblicher wird. Zwei Drittel der Studienanfänger sind Frauen. Wir brauchen Teilzeitmodelle und neue Flexi- bilität. Zudem ist eine erweiterte Beteiligung bei der Bedarfsplanung nötig. Die Kom- munen, die Krankenhausgesellschaft und das Land selbst müssen mit an den Tisch, meine Damen und Herren!
Der Bericht bietet in diesem Bereichen nur wenig konkrete Anregungen und Impulse. Herr Minister, setzen Sie mindestens Ihre eigenen teils wirklich guten Vorschläge um!