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16.06.10
13:50 Uhr
Linke

Rede von Ellen Streitbörger zur Regierungserklärung: "Regierung der Herz- und Verantwortungslosigkeit."

Presseinformation Jannine Menger-Hamilton Rede von Ellen Streitbörger zur Regierungserklärung Pressesprecherin DIE LINKE Fraktion im Schleswig- 164/10 Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 Es gilt das gesprochene Wort. 24105 Kiel – Sperrfrist Redebeginn – Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Kiel, 16. Juni 2010 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 jannine.menger-hamilton@linke.ltsh.de www. linksfraktion-sh.de
Rede von Ellen Streitbörger zur Regierungserklärung: „Regierung der Herz- und Verantwortungslosigkeit.“
„Herr Präsident, meine Damen und Herren,
‚Schleswig-Holstein ist auf dem Weg. Handlungsfähigkeit erhalten – Zukunftschancen ermöglichen‘. So lautet der anspruchsvolle Titel des Arbeitsergebnisses der Haushaltsstrukturkommission. Es wird uns als Sparmaß- nahme zur Konsolidierung des Haushalts angepriesen. Wen möchte die Regierung also mit dieser Wortwahl täuschen?
Wenn die Regierungsparteien uns dann auch noch darlegen wollen, dass diese Sparmaßnahmen, die keine sind, dazu beitragen die Zukunftsperspektiven unserer Kinder und Kindeskinder zu verbessern, dann ist das einfach nur unredlich. Eine Liste aus Streichungen, Kürzungen, Begrenzungen und Verkauf des Tafelsilbers ist nicht das, was wir unter Konsolidierung des Haushaltes verstehen. Und damit können diese Vorschläge auch niemals dazu beitragen, die Zukunftschancen kommender Generationen zu verbessern.
Ganz im Gegenteil hat die Regierungskoalition die Verbesserung der Zukunftschancen völlig aus den Augen verloren und möchte unseren Kindern und Enkeln ein Land hinterlassen, das frei von sozialen Strukturen ist. Wenn ich an meine Kinder und an meinen Enkel denke, dann weiß ich ganz genau, dass sie in einem solchen Schleswig-Holstein nicht leben möchten.
Ich zitiere aus dem Papier der Haushaltsstrukturkommission: „Sparen, ohne dass es jemand merkt, geht nicht.“ Eine weise Erkenntnis! Und es haben schon viele gemerkt und sie haben hier vor dem Landeshaus ihre Ablehnung der so genannten „Sparvorschläge“ ganz deutlich demonstriert. Sind diese Menschen denn alle uneinsichtig oder egoistisch oder fehlt ihnen der Blick für das „große Ganze“? Nein, sie wissen nur ganz konk- ret aus ihrer Erfahrung, was diese so genannten Sparmaßnahmen für einen unermesslichen Schaden anrich- ten werden.
Nachdem ich das Kommissionspapier gelesen habe, fiel mir spontan nur ein: „Liste des Grauens“. Und ich glaube, diese spontane Wortwahl ist genau die zutreffende. Denn inzwischen hat uns der Paritätische Wohl-

Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de fahrtsverband eine Übersicht zur Verfügung gestellt. Diese Übersicht hat sich auf die Nachfrage ergeben, wie sich die geplanten Kürzungen auf einzelne Bereiche und Projekte seiner Mitglieder auswirken. Als ich diese Übersicht gelesen hatte, war ich einfach nur betroffen und mir fehlten die Worte.
Dabei ist es doch gerade unsere Aufgabe, unsere Stimme zu erheben für alle die Betroffenen, die heute nicht hier sein können, um ihre Stimme zu erheben und ihren Protest deutlich zu machen.
Im folgenden möchte ich mich mit einzelnen Punkten des Sparpaketes befassen. Denn zu diesen Punkten ha- ben sich für mich eine Menge Fragen ergeben.
Zum Thema Personalabbau: 10 Prozent der Stellen und Planstellen sollen bis 2020 wegfallen. Da ich von allen Seiten bisher nur von bereits durchgeführten Stellenkürzungen und von starker Arbeitsverdichtung gehört habe, verstehe ich nicht, wie dieser Teil des Programms zu verwirklichen sein soll. Geht die Landesregierung davon aus, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesdienst unterfordert sind und sich täglich aus Mangel an Arbeit langweilen? Oder möchte sie den Krankenstand deutlich erhöhen, weil der Stress durch weitere Arbeitsverdichtung einfach nur krank macht?
Die Lehrerinnen und Lehrer werden durch die Erhöhung der Pflichtstundenzahlen weiter belastet. Meine Da- men und Herren, Sie wissen, dass die Belastungen im Lehrerberuf schon jetzt zu hoch sind und häufig auch längere Erkrankungen zur Folge haben. Die LehrerInnenstellen, die sich durch den Rückgang der Schülerzah- len ergeben, die so genannte „demographische Rendite“, sollen nicht im System bleiben. Die Chancen, Klas- sen zu verkleinern, Betreuung zu verbessern und Binnendifferenzierung voran zu treiben, werden somit ver- spielt. Eine zusätzliche Belastung von LehrerInnen dient eindeutig nicht der Verbesserung der Unterrichtsqua- lität an unseren Schulen. Dann ist es scheinheilig, ständig zu betonen, welch hohen Stellenwert Bildung für die Regierungsparteien hat.
Herr Ministerpräsident, dann sagen Sie uns doch klar, dass Sie gegen ein qualitativ hochwertiges öffentliches Schulsystem sind und sich auf den Ausbau privater Eliteschulen konzentrieren wollen. Dann wissen wir we- nigstens, woran wir sind. „Die frühkindliche Bildung wird als politischer Schwerpunkt gestärkt.“ So steht es in den Empfehlungen der Haushaltsstrukturkommission. Und Sie, Herr Ministerpräsident, haben es in Ihrer Rede wiederholt. Umgesetzt wird es durch die Streichung des gerade eingeführten beitragsfreien 3. KiTa-Jahres.
Das entzieht sich nun völlig meinem Verständnis. Wie kann ich die frühkindliche Bildung dadurch stärken, dass ich sie Kindern aus einkommensschwachen Familien vorenthalte? Was für eine absurde Logik verbirgt sich dahinter?
Nun gut, Eltern mit geringem Einkommen sollen sozial gestaffelte Beiträge zahlen. Die müssten dann die Kommunen aufbringen, die sowieso jetzt schon nicht mehr wissen, wie sie ihre pflichtigen Aufgaben finanzie- ren sollen. Sie, meine Damen und Herren, wissen auch, dass wir in Schleswig-Holstein keine einheitlichen So-


Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de zialstaffeln in den Kreisen haben. Das Gebot, gleiche Lebensverhältnisse für alle zu schaffen, ist nicht umge- setzt.
Nach der KiTa geht’s ab in die Schule. Nun dürfen sich die Eltern auch noch an den Kosten für die Schülerbe- förderung ihrer Kinder beteiligen. Bestraft werden die Eltern, die in unserem Flächenland auf dem Land le- ben. Vielleicht weil sie die Wohnqualität dort schätzen, vielleicht aber auch nur deshalb, weil sie sich die teu- reren Mieten in den Städten nicht leisten können.
Und obwohl noch niemand an der Qualität des Unterrichts an den dänischen Schulen in unserem Land ge- zweifelt hat - ganz im Gegenteil -, werden ihnen die Zuschüsse gekürzt. Und das ist beschämend, wenn man bedenkt, dass die Dänen die deutschen Schulen genau so finanzieren wie die eigenen.
Die Kürzungen für die Volkshochschulen und Familienbildungsstätten sind in den Empfehlungen gar nicht enthalten, sondern wurden den Trägern separat mitgeteilt. Im vergangenen Jahr haben über 400 000 Men- schen an Kursen der VHS teilgenommen. 320 Menschen haben ihren Haupt- oder Realschulabschluss nachge- holt. Die VHS bieten Einbürgerungstests und Alphabetisierungskurse an. Gerade im ländlichen Raum sind sie oft die einzigen Träger von Kultur und Bildung. Die Kürzungen betreffen besonders die Projekte für Kinder, Jugendliche und Familien, denn in diesem Bereich kann kein Ausgleich durch erhöhte Teilnehmergebühren stattfinden. Das bedeutet die Streichung dieser Projekte und damit auch die Existenzgefährdung der Fami- lienbildungsstätten.
Als nächstes auf der Liste steht der Rundumschlag gegen Schleswig-Holsteins Hochschullandschaft. Nach den Vorstellungen der Regierungsparteien geht es auch hier - wie bei den Schulen - zurück ins vergangene Jahr- hundert: eine Universität in Kiel, eine PH in Flensburg und ein paar Fachhochschulen müssen reichen. Damit soll die „nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit“ ( Zitat ) erhalten bleiben. Abgesehen davon, dass man so eher eine nationale und internationale Lachnummer abgibt, war wohl auch nicht allen Beteilig- ten der Haushaltsstrukturkommission klar oder es wurde ihnen gezielt verschwiegen, welche katastrophalen Folgen das Ende des Medizinstudiums für die Lübecker Uni haben würde. Da ist es auch kein Trost für die Lü- becker, dass die Finanzierung der CAU zur Eliteuniversität gesichert werden soll.
Das zentrale Vorhaben für die Zukunftsperspektiven des UKSH ist die Privatisierung. Allen Beschäftigten des UKSH ist ganz klar, was das zur Folge hat. Erfahrungen in Sachen Privatisierung von Krankenhäusern gibt es genug. Auch wenn nicht alle Kolleginnen und Kollegen hier in unserer Runde das sehen wollen. Die Folgen sind: Entlassungen, Lohnsenkungen und weitere Arbeitsverdichtung. Und das geht ganz klar zu Lasten der Mi- tarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Patienten.
Es ist verantwortungslos das Blindengeld um 50 Prozent zu kürzen. Das Blindengeld soll blinden und sehbe- hinderten Menschen die Teilhabe an unserer Gesellschaft, am sozialen Leben ermöglichen. Liebe Kolleginnen


Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de und Kollegen aus den Regierungsparteien, Sie können doch nicht Ihre Stimme dafür geben, behinderte Men- schen von der Teilhabe am ganz alltäglichen Leben auszuschließen!
In einem erheblichen Maß betroffen durch die geplanten Kürzungen wären die unterschiedlichen Beratungs- stellen im Land. Ob es um Frauenberatungsstellen, um Suchtberatung, um Beratung von MigrantInnen, von Flüchtlingen geht, immer werden die Kürzungen die Ärmsten und Schwächsten unserer Gesellschaft treffen. Genau die, die am meisten Unterstützung brauchen und die leider keine finanzstarke Lobby haben. Die Bera- tungsstellen „Frau und Beruf“, die langzeitarbeitslosen Frauen und Wiedereinsteigerinnen beim Finden eines geeigneten Arbeitsplatzes helfen sollen, werden dicht gemacht. Wer berät diese Frauen, die es auf dem Ar- beitsmarkt besonders schwer haben, dann weiterhin sachkundig? Oder wollen Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, es billigend in Kauf nehmen, dass Kindererziehung = Arbeitslosigkeit = Armut bedeu- tet?
Auch der LandesFrauenRat kann bei einer 100 Prozent-Kürzung im übernächsten Jahr seine Arbeit einstellen. Der LFR vertritt 50 Mitgliedsverbände und circa 1 Million Frauen und Mädchen in Schleswig-Holstein und setzt sich u.a. auch für Geschlechtergerechtigkeit ein. Wer kümmert sich weiterhin um die Interessen der Frauen und Mädchen? Wie sehr Frauen in unserer Gesellschaft immer noch benachteiligt sind, wissen wir al- le! Die Kürzungen gefährden auch den Bestand der Frauenhäuser im Land. Es geht um Frauen und ihre Kinder, die durch häusliche Gewalt schwer traumatisiert sind und die eine Zufluchtsmöglichkeit brauchen, um dieser Gewalt entrinnen zu können. Diese Frauen brauchen intensive Beratung und Hilfe, die ein hohes Maß an Pro- fessionalität erfordert. Ich habe das große Engagement einiger Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern kennen gelernt. Dieses Engagement geht schon jetzt weit über die bezahlten Arbeitsstunden hinaus, da die Zuschüsse bereits gedeckelt sind. An den Sachkosten kann nicht gespart werden, die steigen im Gegenteil kontinuierlich weiter. Also kann nur die bezahlte Arbeit zugunsten der unbezahlten gekürzt werden.
Liebe Frau Klahn, Sie haben die einleitenden Worte der Fachtagung zum Thema „Was kostet die Gewalt“ ge- halten und die Vorträge verfolgt. Ihnen ist doch bewusst, wie viel unersetzliche und wertvolle Arbeit in den Frauenhäusern geleistet wird. Sie können doch nicht für eine Kürzung bei der Finanzierung stimmen!
Kurz zusammen gefasst: Die Empfehlungen der Haushaltsstrukturkommission enthalten keine Hinweise auf Sparmaßnahmen, sondern sind eine brutale Streichliste, die Schleswig-Holsteins Abschied aus dem Sozialstaat einläutet. Sie ermöglichen keine Zukunftschancen, sondern sie zerstören funktionierende und dringend not- wendige Teile unseres Sozialsystems. Die Kürzungen gehen einseitig zu Lasten der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Die Kürzungen fördern Krankheit, Traumatisierung, Vereinsamung. Sie nehmen fehlende Teilha- be am gesellschaftlichen Leben, Schwächung der Integrationsbemühungen und geringere Bildungschancen für viele in Kauf. Und genau das ist für uns LINKE unerträglich und wir werden mit unseren Möglichkeiten da- gegen kämpfen! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!“

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