Ralf Stegner zu TOP 28, 32 + 52: Stopp-Signal für "Privat vor Staat" setzen!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 20.05.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 28 + 32 und 52, Erhalt der öffentlichen Trägerschaft für das UK S-H und der Universität Lü- beck; Wäschereiauftrag; unerwartete Kostensteigerung im UK S-H (Drucksache 17/519, 17/527, 17/255neu, 17/372)Ralf Stegner:Stopp-Signal für „Privat vor Staat“ setzen!Das UKSH ist der größte öffentliche Arbeitgeber in SH, daran erinnert der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, in seiner Rede. Er kritisiert, dass ausge- rechnet bei Erreichen der schwarzen Null privatisiert werden soll. Laut Koalitionsver- trag von Schwarz-Gelb soll der Tarifvertrag bis 2015 eingehalten und die Entscheidung mit der Universität Lübeck abgestimmt werden. Deshalb, und weil er sich selbst zum UKSH bekannt habe, müsse der Ministerpräsident, so Stegner, den Privatisierungs- plänen eine klare Absage erteilen. Stattdessen solle für höhere Landesbasisfallwerte gekämpft werden. Der von der Landesregierung beschlossene Masterplan für dringend notwendige Investitionen müsse umgesetzt werden; dabei könne es durchaus für ein- zelne Bereiche auch ÖPP-Lösungen geben. Stegner fordert ein Bekenntnis zu Schleswig-Holstein als Standort für Spitzenmedizin und Gesundheit. Er fordert ein Stopp-Signal für die Ideologie „Privat vor Staat“.Die Rede im Wortlaut: In einer Woche werden die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein staunend erfahren, was sich die schwarz-gelbe Geheimkommission für Landesregierung undHerausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Landtag an Kürzungsmaßnahmen ausgedacht hat, um den Landeshaushalt zu sanie- ren und der gestern beschlossenen Verfassungsänderung zu genügen. Während der Ministerpräsident des Landes mal wieder im Vatikan Inspiration suchte, sorgte der Cheflautsprecher der Regierungskoalition, der Kollege Kubicki, für einen Pauken- schlag, der den Beschäftigten des UKSH, der Hansestadt Lübeck und vielen andere in den Ohren klang.Wir sprechen hier nicht über ein Kreiskrankenhaus, sondern über den größten öffent- lichen Arbeitgeber in Schleswig-Holstein. Seit Jahren haben wir Sozialdemokraten uns gegen einen Verkauf des UKSH gewehrt und diesen auch – trotz aller Versuche von Herrn Austermann – in der Großen Koalition verhindert. Dabei hatten wir ja schon einiges an hartem Konsolidierungskurs für das UKSH bewegt.Nachdem in den 60er Jahren von der damaligen Regierung Lemke der Fehler began- gen worden war, im kleinen Schleswig-Holstein ein zweites Universitätsklinikum zu gründen, hatte sich über die Jahre ein leistungsfähiges Klinikum an den beiden Stand- orten Kiel und Lübeck entwickelt mit einem gewachsenen Umfeld in der medizin- technischen Wirtschaft, gerade rund um Lübeck. Die finanziellen Rahmenbedingun- gen waren immer schwierig, gerade auch durch die bundesweit niedrigsten Basisfall- werte.Wir Sozialdemokraten haben in der Regierung Simonis zusammen mit den GRÜNEN zunächst die Fusion der beiden Klinika gegen manche Widerstände durchgesetzt, die Kooperation mit den fünf größten akademischen Lehrkrankenhäusern ausgebaut und die Defizite mit all diesen Maßnahmen erheblich verringern können. Und ausge- rechnet jetzt, wenn nach harter Sanierungszeit die schwarze Null erreicht ist, wollen Sie privatisieren. Ich dachte immer, das Motto von schwarz-gelb sei, Leistung solle sich wieder lohnen. -3-Bei dieser Regierung kann davon keine Rede sein und das UKSH wollen Sie also für den Erfolg bestrafen. Die 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben über viele Jahre ihren Beitrag geleistet, um Arbeitsplätze und das Unternehmen zu stützen – durch Mehrarbeit, Verzicht auf Lohnsteigerungen und andere Einbußen. Wie Hohn klingt da die Ankündigung einer Veräußerung des UKSH in den Ohren derer, die den Fortbestand durch eigene Opfer unterstützt haben und sich auf die Landesregierung und Ihre Worte, Herr Ministerpräsident, verlassen haben. Ich darf Sie an Ihre Rede vom 18. November 2009 erinnern: „Wir stehen zum Universitätsklinikum Schleswig- Holstein, wir werden das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein zu einem Zentrum für Spitzenmedizin in Krankenversorgung und Forschung ausbauen. Seine Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter leisten schon heute ausgezeichnete Arbeit.“Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf, bekennen Sie Farbe und erklären Sie dem Parlament, der Öffentlichkeit und diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass Sie zu Ihren damaligen Worten stehen und erteilen Sie einer Privatisierung des UKSH hier und heute eine klare Absage.Ich habe mir das zweifelhafte Vergnügen gegönnt, den zwischen CDU und FDP ge- schlossenen Koalitionsvertrag nochmals zu lesen. Dort steht, u. a. dass Sie die - Bindungen aus dem Tarifvertrag bis 2015 einhalten und - die Entscheidung in Abstimmung mit der Universität Lübeck ausrichten wollen.Ein dänisches Sprichwort sagt „Wenn Lügen Latein wären, gäbe es viele Gelehrte.“ In diesem Sinne, Herr Ministerpräsident, sind Sie ein wahrer Gelehrter. Ich werfe Ihnen, Herr Ministerpräsident, gar nicht vor, dass harte Sacharbeit und die Details der Politik nicht Ihre Sache sind. Aber dass auf Ihr Wort kein Verlass ist, das muss man Ihnen schon vorhalten, wenn Sie auf dieser Grundlage nun doch das Klinikum verkaufen wol- len. Sie zeigen einmal mehr, Herr Ministerpräsident, dass das einzige, worauf man sich bei Ihnen verlassen kann, ist, dass Sie früher oder später Ihr Wort brechen. Sie -4-werden bestimmt nicht mehr lange auf die nächsten Pinocchio-Plakate warten müs- sen, wenn sich die UKSH-Mitarbeiter neben den Kita-Eltern und anderen in Schleswig- Holstein einreihen.Anstelle einer geplanten Veräußerung und der damit einhergehenden Zerstörung der Universität Lübeck und des Gesundheitsstandortes Lübeck sollten wir lieber für höhe- re Landesbasisfallwerte kämpfen. Da liegt Schleswig-Holstein ganz hinten. Schon beim Bundesschnitt hätten wir 20 Mio € jährlich mehr für das UKSH.Für uns Sozialdemokraten gelten folgende Maximen für den anstehenden Sanierungs- prozess: - Wir wollen, dass der von der Landesregierung beschlossene Masterplan für dringend notwendige Investitionen umgesetzt wird, wobei im ein oder ande- ren Fall Prioritäten nochmals überprüft werden können. - Dabei kann es durchaus für einzelne Bereiche auch ÖPP-Lösungen geben. - Wir wollen die Beibehaltung der Qualität in der Krankenversorgung und Pflege – das ist in Schleswig-Holstein die Spitzen- und Höchstleistungsmedizin. - Wir lehnen eine Privatisierung strikt ab. Nach Jahren der Ideologie von „Privat vor Staat“ und in der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise sollten wir doch endlich kapiert haben, dass die kurzfristige Renditeorientierung der falsche Weg ist. - Wir wollen die Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte und die Einhaltung von Tarifvertrag und betrieblicher Mitbestimmung.Sie sagen ja immer, dass die SPD in der Großen Koalition vieles verhindert habe, was Sie gerne anders gemacht hätten. Das stimmt, weil wir immer gegen die Einschrän- kung der Mitbestimmung waren. Da haben Sie mit der FDP keine Probleme, aber ich frage Sie, Herr Kollege Kalinka, was eigentlich die CDA dazu sagt. Und ich frage Sie, -5-Herr Ministerpräsident, ob Sie sich nicht wenigstens an Verträge mit Gewerkschaften und Betriebsräten halten wollen. Oder ist auch das bei Ihnen schon zuviel verlangt?Die Privatisierung von Universitätskliniken ist ein großer Fehler. Das zeigt das Nega- tivbeispiel, für das – wen wundert es – der hessische Ministerpräsident Roland Koch der Vorreiter ist. Gießen und Marburg – zwei fusionierte Standorte – wurden vor vier Jahren an den Rhön-Konzern verkauft. Dieser Konzern will Rendite, will Kasse ma- chen, ist eben nicht dem Gemeinwohl verpflichtet. Und was ist das Resultat? - Klagen über die Qualitätsmängel bei der Patientenversorgung. - Arbeitsverdichtung bei den ohnehin belasteten Pflegekräften, die nicht einmal ordentlich bezahlt werden. - Erhebliche Mehrbelastungen bei den wahrlich stark belasteten Klinikärzten. - Verschlechterung bei der Medizinerausbildung, da sich seit dem Verkauf nun fast doppelt soviele Studierende einen Arzt teilen müssen wie im Bundesschnitt.Wir wollen nicht, Herr Minister de Jager, dass das schlechte hessische Beispiel nach- geahmt wird und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Studierende und das UKSH Scha- den nehmen.Wie können wir uns über eine drohende und in mancher Disziplin schon wahrzuneh- mende medizinische Unterversorgung beklagen, wenn wir gleichzeitig die Basis der Medizinerausbildung in unserem Land beschädigen! Neben der Meeresforschung ge- hört doch die Medizin zu unseren wenigen erstligareifen Disziplinen.Wo bleibt Ihr Bekenntnis zu Schleswig-Holstein als Standort für Spitzenmedizin und Gesundheit? Bei Björn Engholm und Heide Simonis galt das Gesundheitsland Schleswig-Holstein noch etwas im durchaus aussichtsreichen Wettbewerb mit dem teureren Hamburg und um Patienten von Skandinavien bis in die arabische Welt. -6-Zu der Privatisierung des UKSH sagen wir als SPD-Fraktion „Nein“. Und wir werden Ihnen bei diesem Thema genau so entschieden einheizen wie bei Ihrer Zerstörungspo- litik bei Kitas, Schulen und Sparkassen.Vielleicht denken Sie ja auch, weil Sie keine Abgeordneten der CDU in Kiel und Lü- beck haben, Sie könnten sich diese Anti-Stadt-Politik leisten, die wir aus Ihrem Lan- desentwicklungsplan kennen. Das UKSH ist aber in seiner Bedeutung für das ganze Land Schleswig-Holstein wichtig.Lassen Sie mich noch einmal auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückkommen. Im Tarifvertrag wurde seinerzeit festgeschrieben, dass bis 2015 über eine Privatisie- rung nicht entschieden werden darf, trotzdem haben Sie schon alles in der Schub- lade, um ganz schnell ein Bieterverfahren eröffnen zu können. In einem derart sensib- len Bereich der Pflege, Betreuung und Heilung birgt eine Demotivation der Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter auch die Gefahr von Qualitätseinbußen für die Patienten – und auch das wollen wir nicht!Wir haben auch Fragen zu einer bereits extern vergebenen Dienstleistung. Vor we- nigen Wochen war ich in Glückstadt bei der Firma Berendsen, heute demonstrieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma vor dem Landeshaus. 120 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein hängen am Auftrag mit Wäschereidienstleistungen. Nach erfolgter Ausschreibung soll nun Mitte August der Auftrag neu vergeben werden – bereits zum 1. Mai wurde der Auftrag der Firma Berendsen vorübergehend entzogen und an ein Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern – Sitex - vergeben.Ich will mich nicht in das Vergabeverfahren einmischen, aber: Die Firma Sitex hat nach Informationen des DGB Nord den klassischen Weg der Ausbeutung mittels Dumping- löhnen beschritten. Eine nur zum Zwecke des Lohndumpings gegründete sogenannte Gewerkschaft schließt einen Tarifvertrag, in welchem Stundenlöhne zwischen 7 und 8 -7-Euro vereinbart werden. Wie kann es sein, dass ein Unternehmen in Schleswig- Holstein die Arbeitsplätze eines anderen gefährdet und - unter Ausbeutung der Mitarbeiter – diese in einem anderen sichert? Wie kann hier von Sparen/Kürzungen, Konsolidieren usw. gesprochen werden, wenn dafür Arbeitsplätze in SH vorsätzlich vernichtet werden?Wir wissen ja, dass Sie von der Regierungskoalition gegen faire Mindestlöhne sind – obwohl ich nicht weiß, was daran christlich ist, wenn man von seiner Arbeit nicht leben kann, und was daran marktwirtschaftlich sein soll, wenn der Staat Dumpinglöhne sub- ventioniert und Sozialtransfers steigen. Aber glauben Sie allen Ernstes, dass die Über- führung von Arbeitnehmern in die Arbeitslosigkeit und Dumpinglöhne für andere der richtige Weg ist, das UKSH zu sanieren?Vom Industriellen Alfred Krupp stammt der Satz „Der Zweck der Arbeit soll das Ge- meinwohl sein.“ Wie sehr sollte das eigentlich für die Arbeit einer Landesregierung gel- ten?Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich fordere Sie mit Nachdruck dazu auf, dem Ausverkauf des UKSH einen Riegel vorzuschieben und dafür zu sorgen, dass Ausschreibungen für Unternehmen des Landes nicht für Dumpinglöhne sorgen, mithin auf dem Rücken der Beschäftigten und unter deren Aus- spielung gegeneinander stattfindet. Liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem hohen Hause, setzen Sie ein Stopp-Signal für die Ideologie „Privat vor Staat“. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.