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19.05.10
15:57 Uhr
SPD

Jürgen Weber zu TOP 40: Ein Gedenktag gegen Krieg und Faschismus, für Frieden und Freiheit

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 19.05.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 40, 8.Mai: Tag der Befreiung (Drucksache 17/538)
Jürgen Weber:
Ein Gedenktag gegen Krieg und Faschismus, für Frieden und Freiheit
„Niemand bestreitet mehr ernsthaft, dass der 8.Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewe- sen ist; der Befreiung von nationalsozialistischer Herrschaft, von Völkermord und dem Grauen des Krieges.“ Dieser Satz aus dem Deutschen Bundestag, gesprochen am 8.Mai 2000 von dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder mag vielleicht ein kleines bisschen zu optimistisch formuliert gewesen sein.
Aber wer wollte bestreiten, dass mit der berühmten Rede von Richard von Weizsäcker 15 Jahre zuvor auch das konservative Deutschland sich einen Pfad zu einer kritischen, von Verdrängung befreiten Vergangenheitsbetrachtung bahnte. Das war kein klei- ner Schritt, wenn man sich die politische Kultur in den ersten 40 Jahren der Bundesre- publik vor Augen führt.

Der kürzlich verstorbene Kieler Historiker und Hochschullehrer Michael Salewski hat – ebenfalls am 8.Mai 1985 auf einem Symposium in Kiel - hervorgehoben, dass der 8.Mai der „Ausgangspunkt einer europäischen Friedensperiode war“, die ihresgleichen suche. Außerdem sei der 8.Mai „ein Datum der Freiheit und zugleich das Finale einer verhängnisvollen Entwicklung und Pervertierung des Freiheitsgedankens in Deutsch- land.“ Und er fügt hinzu „...wir haben uns aus diesen Teufelsbanden nicht selbst be- freien können...“. Wer darüber räsoniere, dass die Bundesrepublik ein Produkt der Siegermächte sei, der „muss daran erinnert werden, dass die Konzentrationslager von



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



den Siegermächten und nicht von den Deutschen befreit wurden. Diese Hypothek ist in der Tat schwer abzutragen, es bedarf der Geduld und des langen historischen Atems.“

Das Ende von Krieg und Faschismus in Form eines Gedenktages in der Erinnerung wach zu halten, hilft diesem langem Atem, den Salewski – den man sicher nicht dem linken politischen Spektrum zuordnen kann - zurecht anmahnte.

Gedenktage sind sperrig. In Deutschland allemal. Denn wo sie Identität stiften sollen, verweisen sie zugleich auf Brüche, Widersprüche und sehr unterschiedliche Emo- tionen. Der 9.November ist so ein Tag. Als symbolisches Datum für die Novemberre- volution, die Reichspogromnacht und den Fall der Mauer zugleich hat er es schwer in dem Gedenkterminkalender der Deutschen. Verwundert es da, dass wir die Einheit der Deutschen nicht am Freudentag der friedlichen Revolution in der DDR feiern, sondern dafür den 3.Oktober, den bürokratischen Feiertag des staatsrechtlichen Anschlusses der neuen Bundesländer an die BRD erkoren haben ? Wohl nicht. Falsch bleibt die Entscheidung allemal.

Auch der 8.Mai ist sperrig. Die unterschiedliche Behandlung in Deutschland West und Deutschland Ost hat dazu ein Übriges getan. Hie die Illusion der Stunde Null, die Betonung von Not und Niederlage, dort die Verklärung der Inkorporation in den sowje- tischen Machtbereich. Im Westen die schelle Beseitigung der Entnazifizierung, im Os- ten der zur stalinistischen Apologetik verkommene „Antifaschismus“.

Diese Mythen der Geschichte sind nicht nur von der wissenschaftlichen Aufklärung er- ledigt. Sie haben – zum Glück – auch im historischen Selbstverständnis unserer Ge- sellschaft kaum noch Rückhalt.

Befreit im engeren Sinn des Wortes wurde 1945 nur ein kleiner Teil der Deutschen in den KZs, den Gefängnissen, Männer, die wider Willen an die Front mussten, rassisch -3-



und sozial Ausgegrenzte und Verfolgte, Homosexuelle, Sinti und Roma, Widerstands- kämpfer und diejenigen, die das Ende von Bombennächten und dem Grauen des Krie- ges als Befreiung erfahren haben. Für den Großteil der Deutschen war Befreiung nicht das subjektive Empfinden im Frühjahr 1945. Aber sie war die Option, die Chance, sich zu befreien von dem System der Unmenschlichkeit und der Friedlosigkeit.

Befreiung vom Nationalsozialismus ist unterschiedlich erlebt worden, wie vorher das Leiden unter dem Nationalsozialismus sehr unterschiedlich verteilt war. Gedenken am 8.Mai konnte und kann deshalb nicht allein gleichgesetzt werden mit Feiern oder Freu- de. Trauer, auch Scham, und der Wille, aus dem Widerstand einer Minderheit demo- kratische Legitimität für eine Mehrheit zu gewinnen, bestimmen das differenzierte Bild des 8.Mai. Sich darauf einzulassen – diese Kraft sollte die heutige deutsche Ge- sellschaft haben.

An Gedenktagen hängen Lehren der Geschichte, in unterschiedlichem Maße verankert im historischen Selbstbewusstsein der Menschen und unterschiedlich geprägt durch Politik und Gesellschaft.

Der 8.Mai ist ein Gedenktag gegen Krieg und gegen Faschismus. Er ist ein Ge- denktag für Frieden und Freiheit. Und er ist ein Gedenktag für den Zusammenhang von Frieden und Freiheit.

Das nationalsozialistische Deutschland wurde besiegt – wurde militärisch besiegt. Konnte nur militärisch besiegt werden. Eine Lehre aus dem 8.Mai ist deswegen auch, dass wir in der Pflicht stehen, aggressiven, menschenverachtenden und - unterdrückenden Regimen mit der Staatengemeinschaft Einhalt zu gebieten. Wo es Not tut, auch mit militärischen Mitteln. Wer die militärische Niederlage Deutschlands zum nationalen Gedenktag erhebt - und ich unterstütze das ausdrücklich –, der -4-



muss sich der internationalen Verpflichtung zum Schutz von Menschen vor Terror, Gewalt und Unterdrückung stellen.

Wie gesagt – der 8.Mai ist ein sperriger Gedenktag. Und er ist ein gesamtdeutscher Gedenktag. Denn es bleibt eine dauerhafte Aufgabe, die Option von Demokratie, Frie- den und Freiheit, die die Niederlage Nazideutschlands ermöglicht hat, mit Leben zu füllen und für künftige Generationen zu erhalten.