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13.04.10
13:00 Uhr
B 90/Grüne

Thorsten Fürter - Zwischenbericht zum HSH Nordbank Untersuchungsausschuss

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 195.10 / 13.04.2010



HSH Nordbank in der Zwischenbilanz: Schlecht geführt – katastrophal überwacht
Der Parlamentarische Untersuchungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Land- tags zur HSH Nordbank hat inzwischen seine 20. Sitzung absolviert. Der Obmann der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Thorsten Fürter, zieht Zwischenbilanz:
„Der Himmel über der HSH Nordbank war blau. Optimismus allerorten, die Sonne strahlte. Bis das schlechte Wetter kam. An einen Schirm hatte niemand gedacht“, so kann man die Geschäftspolitik der HSH Nordbank zusammenfassen.


1. Die Krise, welche die HSH Nordbank an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachte, war vorhersehbar und hätte verhindert werden können.
Grundtenor vieler Äußerungen von Betroffenen im Ausschuss ist: „Hinterher sind alle klüger. Keiner konnte das Unheil kommen sehen.“ Doch so einfach ist die Sache nach der Aktenlage nicht. Warnhinweise gab es genug. Aber sie wurden nicht erkannt. In der kritischen Phase der Bank wurde die Bank schlecht geführt und katastrophal überwacht.



a. Das Kreditersatzgeschäft der HSH Nordbank war zu umfangreich und – insbe- Seite 1 von 4 sondere zuletzt – viel zu risikoreich Das Kreditersatzgeschäft der HSH Nordbank war ursprünglich ein risikoarmer und sta- biler Ertragbringer, in dem „überschüssiges“ Eigenkapital in Anleihen und Pfandbriefen angelegt wurde. Im Zuge des Wegfalls der Gewährträgerhaftung (Juli 2005), des Ein- stiegs der Investorengruppe um J.C. Flowers (Oktober 2006) sowie des für das Jahr 2008 geplanten Börsenganges wurde zunehmend in höherverzinsliche, schwankungs- behaftete Wertpapiere umgeschichtet, um die immer höheren Renditeerwartungen sei- tens der Anteilseigner und des Aufsichtsrates befriedigen zu können. Das ehedem eher konservativ strukturierte, etwa 30 Milliarden Euro schwere Kreditersatzportfolio, wurde so bis 2007/2008 mit stark schwankenden und hochriskanten Papieren bestückt, die den Bankvorständen lukrativ erschienen.
Dem Aufsichtsrat waren der enorme Umfang und die sich zunehmend verändernde Struktur des Kreditersatzgeschäftes bekannt. Ebenso der Umstand, dass die HSH Nordbank bei einem Abschwung an den Finanzmärkten Wertpapierverluste aufgrund ih- res geringen Eigenkapitals nur in einem begrenzten Maße würde selber tragen können. Warum der Aufsichtsrat gleichwohl nicht eingeschritten ist, als der Vorstand das hoch- volumige Kreditersatzportfolio insbesondere ab 2005 zunehmend risikoreicher gestalte- te, wird Gegenstand der weiteren Befragungen sein.
b. In der HSH Nordbank ging zunehmend das Risikobewusstsein verloren Während die Bank im Zuge der immer höheren Renditeerwartungen vermehrt schwan- kungsanfällige Papiere erwarb, unterließ sie zugleich die für derartige Papiere erforder- liche massive Verstärkung des Risikomanagements. Dieses war bei der Bank daher auf das starke Wachstum und das geschärfte Risikoprofil der Bank inhaltlich, personell und strukturell nicht angemessen ausgestattet. Die Schwächen im Risikomanagement und die mangelnde Risikokultur in der Bank, werden von der HSH Nordbank selbst als eine der wesentlichen Ursachen für die existenzbedrohende Lage bezeichnet, in die sie im Herbst 2008 geraten war.
Ausdruck dieses mangelhaften Risikobewusstseins ist das so genannte Schnellankauf- verfahren. Dabei wurden ab Mitte 2005 strukturierte Kreditderivate auf zweifelhafte Ba- siswerte in Milliardenumfang im Schnellverfahren erworben. Der Erwerbsvorgang, der im regulären Verfahren mehrere Wochen oder Monate beansprucht hätte, wurde so auf wenige Tage verkürzt. Zusätzlich verzichtete die Bank ab 2006 auf die ursprünglich zur Kontrolle vorgesehene nachgelagerte Detailprüfung der im Schnellverfahren erworbe- nen Papiere. Die HSH Nordbank selbst bewertet das Schnellankaufverfahren heute als „vor dem Hintergrund der Komplexität der angekauften Produkte nicht sachgerecht.“ Der Risikoausschuss hatte Kenntnis vom Schnellankaufverfahren. Vertreter des Landes Schleswig-Holstein im Risikoausschuss war Finanzminister Rainer Wiegard. Warum er an dieser Stelle nicht eingeschritten ist, wird Gegenstand der weiteren Untersuchung sein.



c. Die Finanzmarktkrise war kein unvorhersehbarer Akt „höherer Gewalt“ 2 Ein alter, unumstößlicher Grundsatz besagt: Je höher die Rendite, desto höher das Ri- siko. Dass die HSH Nordbank immer höher verzinste Papiere erwarb (und damit krisen- anfälliger wurde), um die immer höheren Renditeforderungen der Anteilseigner zu be- friedigen, war dem Aufsichtsrat bekannt. Finanzmarktkrisen – ausgelöst durch politische Ereignisse wie etwa die Terroranschläge des 11. Septembers oder durch das Platzen von Vermögensblasen wie etwa auf dem US-Immobilienmarkt – sind kein unvorherseh- barer Akt „höherer Gewalt“. Ein sorgfältig agierender Banker stellt seine Bank so auf, dass ein plötzlicher Absturz der Märkte seine Bank nicht in Schieflage bringt. Und ein pflichtgemäß handelnder Aufsichtsrat überwacht, dass sein Vorstand nach dieser Ma- xime handelt. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat der HSH Nordbank, jedenfalls aber die dort sitzenden politischen Vertreter, stets darauf Bedacht hätten sein müssen, dass im Falle einer Insolvenz der Bank (aufgrund der Gewährträgerhaftung) der Steuerzahler für die Verluste der Bank einzustehen hat. Dies ist bei der HSH Nordbank offenkundig nicht erfolgt.
Dabei waren die Warnzeichen einer aufkommenden Krise am Horizont sogar erkenn- bar: Bereits seit 2004 mehrten sich nämlich – selbst in allgemeinen Tageszeitungen – die Hinweise auf ein Platzen der Immobilienblase in den USA. So meldete etwa die FAZ am 28. Juli 2004: „Zunehmende Sorgen über eine globale Immobilienpreisblase. Exper- ten sehen Gefahr eines Rückschlags.“ Spätestens seit dem Platzen der Immobilien- preisblase in Japan 1989 gehört es auch zur wirtschaftlichen Allgemeinbildung, welche Auswirkungen das für eine Bankenlandschaft mit sich bringen kann. Dieses Wissen darf man auch von Vorständen und Aufsichtsräten einer ehemaligen Landesbank erwarten.


2. Öffentlichkeit und Parlament wurden von der Landesregierung über die Schief- lage der HSH Nordbank getäuscht
Die Probleme in der Bank wurden durch die Lehman-Pleite nicht verursacht, sondern höchstens verstärkt. Bereits gegen Ende 2007/Anfang 2008 war die Schieflage der Bank offenkundig. Das Geschäftsmodell stand in Frage, was auch den Mitgliedern im Aufsichtsrat schon damals zur Kenntnis gelangte. Öffentlich wurde ein anderes Bild vermittelt: Zur Begründung der milliardenschweren Kapitalerhöhung im Mai 2008 erklär- te Finanzminister Wiegard im Vorfeld, dass das Geld dazu diene, „das Eigenkapital der Bank zu stärken, um sie weiter wachsen zu lassen und sie in die Lage zu versetzen, weitere Kredite zu vergeben“. Tatsächlich aber war die Kapitalerhöhung dringend erfor- derlich, um die Bank vor einer Herabstufung durch die Ratingagenturen und damit vor einer nachhaltigen Gefährdung des Geschäftsmodells der Bank zu bewahren. Diese Hintergründe wurden vor der Öffentlichkeit verborgen, was auch zu einer Auseinander- setzung im Aufsichtsrat über die Kommunikationspolitik der Bank führte. Dies war eine bewusste Täuschung.



3. In der entscheidenden Phase droht der Untersuchungsausschuss zu einem Geheimausschuss zu werden 3 Mit dem Untersuchungsausschuss ist es wie in großen Wirtschaftsstrafprozessen. Aus- kunftspersonen können sich oft nur noch an Geschehnisse erinnern, die sie entlasten. Aber es gibt ja die Akten, in denen vieles schwarz auf weiß steht, z. B. die Protokolle des Aufsichtsrats und Gutachten von Anwälten und Wirtschaftsprüfern. Bei der Befra- gung beispielsweise von ausgeschiedenen Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern ist das von unschätzbarem Wert. Die Unterlagen werden allerdings weiterhin unter Ver- schluss gehalten und dürfen nur in nicht-öffentlicher Sitzung verwendet werden, um Verantwortliche zu befragen. Der Ausschuss hat keine andere Wahl, als diese Papiere als vertraulich einzustufen, da es in den Papieren um Geschäftsgeheimnisse der Bank geht. Die Lösung könnte sein, dass die HSH Nordbank ihre Papiere schwärzt, soweit es um Beziehungen zu anderen Firmen geht. Was dann übrig bleibt und die HSH- Nordbank selbst betrifft, wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dann könnte dies auch im öffentlichen Teil des Untersuchungsausschusses und seines Abschlussberichts erörtert werden.
Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf zu erfahren, warum sie mit ihren Steuergeldern für die Bank haften muss.

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