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19.03.10
13:36 Uhr
B 90/Grüne

Robert Habeck zum Nachhaltigkeitsbericht 2009

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 55 – Nachhaltigkeitsbericht 2009 Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der Vorsitzende Landeshaus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Robert Habeck: Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Wollen und Wirklichkeit Nr. 162.10 / 19.03.2010

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
In diesem Bericht gibt es tolle Wörter. „corporate social resonsibility“, „Agenda 21“, „Nachhaltigkeit, eine Initiative des ganzen Lebens“. Wunderbar. Das könnte ein Grüner nicht besser formulieren. „Wie wollen wir morgen leben? Ist die Kernfrage“, heißt es auf S. 10.
Meine Damen, meine Herren, Wollen und Wirklichkeit – das klafft bei Ihnen auseinander. Am Wollen habe ich kaum etwas auszusetzen. Aber die Wirklichkeit Ihrer Politik verhöhnt die hehren Aussagen in diesem Text.
Am eklatantesten ist dies im Verkehrskapitel der Fall, wo Sie wortreich feststellen, dass der Verkehr rund ein Drittel der Treibhausgase produziert und dass – Zitat: die „Verla- gerung auf umweltverträgliche Verkehrsträger hohe Priorität hat“. Offensichtlich kennen Sie Ihre eigene Politik nicht: Fehmarnbelt-Querung, Hinterlandanbindung - 8,3 Mio. Eu- ro kostet jeder Autobahnkilometer. Mit vier Kilometern A 20 hätten wir das kostenlose Kitajahr drin.
900 Mio. Euro kostet allein die Elbquerung. Ein Bruchteil der Mittel steht für Schienen- projekte zur Verfügung. Stadt-Regional-Bahn, neue Kanalbrücke, drittes Gleis Elms- horn-Pinneberg - 400 Mio. Euro stehen dem Straßenbau an öffentlichen Mitteln für den Bahn-Nahverkehr zur Verfügung.
Hohe Priorität? Wie heißt der Satz mit x, meine Damen und Herren? Das war wohl nix.
Oder im Bildungskapitel, S. 65: „Eine nachhaltige Umsteuerung muss sich daher auf eine Veränderung der beteiligten Systeme richten, muss sie selbst zur Nachhaltigkeit befähigen“ – ja, haben Sie das
gehört, FDP? Denn was wir gerade erleben, ist die Rückkehr zum dreigliedrigen Schul- Seite 1 von 2 system durch die Hintertür. Ist das mit „Veränderung der beteiligten Systeme“ gemeint?
Reden möchte ich jedoch nicht so sehr über Worte, sondern über Zahlen. Manchmal verbirgt sich ja die größte Entdeckung im Kleinsten. S. 15 steht: „Erneuerbare Energien können bis 2020 in Schleswig-Holstein etwa 33.900 Terrawattstunden (THw) zur Ener- gieversorgung beitragen und damit rechnerisch über 50 Prozent des Endenergie- verbrauchs decken.“ B 33.500 THw – das wäre das 500-fache des schleswig- holsteinischen Endenergieverbrauchs. Es muss Gigawattstunden heißen, bzw. rund 34 THw.
Aber wie setzt sich diese Zahl zusammen? Im Klimaschutzbericht der Landesregierung vom Juni letzten Jahres steht auf S. 89 aufgeschlüsselt: Wind 20,5 THw, Biomasse 12,1 THw, den Rest teilen sich Solar, Geothermie, Wasserkraft, Solarthermie. 20,5 THw für Windenergie – das ist die Zahl, die der Vor-vor-vor-Gänger des heutigen Wirt- schaftsministers, Dietrich Austermann, in seinem Grünbuch 2007 annahm.
Mit dieser Zahl wurde der Neubau von Kohlekraftwerken ebenso begründet wie der Weiterbetrieb der AKWs. Der Ausbau der Windenergie selbst hat Austermanns Szena- rio inzwischen längst widerlegt. Hinzu kommt die angekündigte Ausweitung der Vor- rangflächen, Repowering, Überprüfung der Abstandregelungen und Arrondierungen. Realistisch ist nicht die olle Austermann-Zahl, sondern wohl die Produktion von 25 bis 30 THw Windenergie. Das würde einem Anteil der erneuerbaren Energien am End- energieverbrauch von 60 bis 65 Prozent entsprechen.
Herr Minister de Jager, emanzipieren Sie sich von ihrem Ur-Ur-Ur-Ahnen, legen Sie endlich ein neues Windszenario vor und bringen Sie dieses Land in die energiepoliti- sche Moderne.
Die Austermann-Argumentation für Kohlekraftwerke und Atom ist zusammen gebro- chen. Wir brauchen keine fossile Atom-oder Kohleenergie in Schleswig-Holstein. Noch nicht mal für die Grundlastsicherheit.
In den Zeitungen vom 7.1. dieses Jahres konnte man unter der Überschrift „Schleswig- Holstein hofft auf Ökostromnetz“ lesen, dass die Off-Shore-Produktion sich zu einem Nordsee-Energienetz zusammenschließen wolle.
„Das Projekt hätte den Vorteil, dass keine konventionellen Kraftwerke für die wind- schwachen Zeiten mehr vorgehalten werden müssten, um die Versorgungssicherheit von Haushalten und Wirtschaft zu gewährleisten.“ – Das ist nicht meine Meinung – nicht nur – es ist ein Zitat von Minister de Jager. Der Mann hat Recht.
Schade, dass da der Nachhaltigkeitsbericht schon fertig war. Wir müssen einen neuen schreiben.

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