Bernd Heinemann zu TOP 11: Wir brauchen optimalen Probanden- und Patientenschutz
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 17.03.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 11, Gesetz zur Änderung des Heilberufekammergesetzes (Drucksache 17/356)Bernd Heinemann:Wir brauchen optimalen Probanden- und PatientenschutzSeit Juli 2009, dem Beschluss der neuen Regelungen des Medizinproduktegesetzes des Bundes, ist zumindest den Sozialministern von Boetticher und Garg bekannt ge- wesen, dass wir in Schleswig-Holstein ab Ende März 2010 eine nach Landesrecht ge- bildete Ethikkommission für Stellungnahmen zur klinischen Prüfung oder Leistungsbe- wertung von Medizinprodukten zwingend benötigen.Unter „Verschiedenes“ wurde uns im letzten Gesundheitsausschuss mal eben mitge- teilt, dass das nun so sei und wir hätten ja bei der Ärztekammer schon eine derarti- ge Kommission, die im übrigen schon im Dezember zur Übernahme der Verantwor- tung bereit war, dann nehmen wir die nun auch für diese gesetzliche Aufgabe, null problemo – quasi auf Zuruf. Ist die Landesregierung wirklich von der Realität so weit weg, dass derart wichtige Gesetze im Schweinsgalopp verloren werden sollen?Die Bedeutung ist aber deutlich mehr als nur erheblich, denn die Zusammensetzung und Fachmeinung der Vertretenden reicht in dieser Kommission sehr weit. Sie hat elementare Bedeutung sowohl für die mit neuen z.B. implantierten Medizinprodukten Behandelnden als auch und vor allem für Behandelte selbst. Die Frage ist noch offen, ob vielleicht sogar für Grundwerte und ethisch-moralische Wertvorstellungen in unserem Land hier im hohen Norden generell oder für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein eine Ethikkommission Bedeutung bekommt. Vielleicht können wirHerausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-hier sogar mit Herrn Habeck ansetzen, Heimat neu zu definieren, denn da wird einiges auf uns zukommen, wenn Entscheidungen zu implantierten Datenchips und Minicom- putern zu fällen sind, die den Menschen verändern.Das Mindeste, was wir verlangen müssen - und das sind wir den Menschen im Land schuldig -, ist doch die Prüfung der Frage, wer da mit welcher Motivation heute oder in Zukunft hineingehört, in so eine und vielleicht auch andere Ethikkommissionen unse- res Landes. Wenn wir keine Fragen an Experten stellen, hängen Stellungnahmen ei- ner Ethikkommission in Schleswig-Holstein vom guten Willen ab? Wessen guten Wil- len? Wer entscheidet das? Mit welchem Motiv?Eile kann hier nicht das Argument sein, sondern Gründlichkeit. Medizinprodukte, deren Prüfung vor dem 20. März begonnen wurde, sind übrigens gar nicht betroffen, sie wer- den nach dem alten Verfahren bewertet.Die meisten von uns hier im hohen Hause wollen selbstverständlich Forschung ermög- lichen, aber umso wichtiger sind medizinisch-ethische Grundmuster, genauso wie rechtliche, theologische oder pharmakologische Überlegungen, wenn es um die An- wendung von Transplantaten und ähnlichen im Körper angewandten Medizinprodukte geht. Sowohl die EU als auch der Bundesgesetzgeber sehen bei der klinischen Prü- fung von Medizinprodukten den optimalen Probanden- und Patientenschutz im Vordergrund. Meine Damen und Herren, genau das sollten wir auch tun!Nicht ohne Sinn soll die Registrierung der diversen Ethikkommissionen beim Bundes- institut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgeschafft werden, denn die bloße Re- gistrierung ist kein Qualitätsnachweis und damit nicht länger ein Sicherheitsgewinn für die Patientinnen und Patienten. -3-Ähnlich wie bei den Arzneimitteln soll durch die nach Landesrecht gebildeten Ethik- kommissionen die Qualität der Arbeit eben dieser Ethikkommissionen verbessert und angeglichen werden und dies möglichst auch nachhaltig.Der Bundesgesetzgeber hat in seiner Gesetzesvorlage Drucksache 16/12 258 aus- drücklich auf die extrem hohe Bedeutung der Ethikkommissionen hingewiesen: „Da für den Beginn einer klinischen Prüfung künftig eine positive Bewertung einer Ethikkommission zwingend erforderlich ist, stellen deren Entscheidungen hoheitliches Handeln dar. Die positive Bewertung ist somit ein Verwaltungsakt. Die Bildung von Ethikkommissionen muss daher auf eine stabile Rechtsgrundlage gestellt werden.“Dr. Günter Hopf, der Ethikreferent der Ärztekammer Nordrhein, hat politische Ent- scheidungen zu Ethikkommissionen im Landtag von NRW schon mal wie folgt kom- mentiert: „Die politisch Verantwortlichen haben offensichtlich bewusst darauf verzich- tet, im Rahmen der Anhörung von Sachverständigen im Landtag diese Gesetzesände- rung zur Diskussion zu stellen. Daher können sie bestenfalls Unwissen bei der Zu- stimmung zu diesem Gesetz als Ausrede geltend machen, wenn sich zukünftig eine Verschlechterung einstellt.“Meine Damen und Herren, wollen wir das wirklich? Und ich füge die Frage hinzu: Was bedeuten uns Ethik, Moral und Gewissen denn noch, wenn wir Gesetze ein drei- viertel Jahr unter der Decke halten und zwei Minuten vor Inkrafttreten, vor Tores- schluss also, quasi aus dem Stand, eine Entscheidung der Unwissenden über ein Landesgesetz herbeiführen, dessen Tragweite uns gar nicht bewusst sein kann. Wer, wenn nicht wir Parlamentarier, sollten uns auf unser Gewissen berufen können. Und wir haben alle eines, der eine oder die andere zumindest ein schlechtes!Die SPD-Fraktion wird jedenfalls zu einem undemokratischen Verfahren von unbe- kannter Tragweite ihre Zustimmung nicht geben und wir erwarten, gerade in diesem -4-elementaren Feld ethischer Bewertungen, schlicht die Anhörung von Sachverstand zu diesen oder anderen beispielhaften Fragen an die Zusammensetzung einer Ethik- kommission: • Macht Patientenbeteiligung mit Stimmrecht einen Sinn? • Brauchen wir soziologischen Sachverstand? • Ist theologischer Sachverstand dauerhaft gesetzlich gesichert? • Wie ist welcher rechtsmedizinische Sachverstand dauerhaft erforderlich und si- chergestellt? • Welcher pharmakologische Sachverstand ist vorhanden und wie wird er gesi- chert? • Sind spezielle Medizinkenntnisse erforderlich? • Wie werden Ethikkommissionen zukünftig Einfluss auf Daten gestützte Implan- tattechnik nehmen? • Gibt es Auswirkungen auf den Gesundheitsstandort SH? • Und, was kostet uns das alles oder wie refinanziert sich diese wichtige Aufga- be?Sie merken, Geduld ist angesagt - ich danke für Ihre mit mir und hoffe, Sie können meine Argumente und Fragen nachvollziehen.