Dr. Ralf Stegner zu TOP 1: Für einen starken Sozialstaat und eine solidarische Gesellschaft
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 24.02.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 1, Aktuelle Stunde zu den Konsequenzen aus der Debatte um die Reform der Hartz IV-GesetzgebungDr. Ralf Stegner:Für einen starken Sozialstaat und eine solidarische GesellschaftAusgangspunkt dieser Aktuellen Stunde ist eine zentrale Frage für Millionen Menschen in diesem Land. Es war das Zitat des FDP-Vorsitzenden, der von spätrömischer Deka- denz gesprochen hat, dann gab es eine Debatte. ob nur die Worte falsch waren, aber die Sache richtig. Nein, die Worte waren falsch und die Sache auch! Die späte römi- sche Republik war eine Sklavenhaltergesellschaft; deshalb ist es offenkundiger Unfug ist, so etwas zu sagen. Aber auch die Sache ist falsch. Denn die Sozialleistungen sind nicht zu hoch.Ich war damals übrigens im Vermittlungsausschuss, als Hartz IV besprochen wurde, und ich erinnere mich an die Beiträge der Kollegen Koch und Westerwelle, da konnten die Schikanen für diejenigen, die Hilfe bekommen, gar nicht hoch genug sein – soviel zur Autorenschaft. Aber das DIW stellt fest - und das ist der Kern des Problems -, dass die unteren 20 % der Einkommensbezieher in Deutschland in den letzten Jahren 10 % Einkommensverluste hatten und die oberen 10 Prozent 15 % Einkommensgewinne. Es sind also nicht die Sozialleistungen zu hoch, sondern die Löhne zu niedrig und die Aufstiegsmöglichkeiten auch.Wie ist die Situation der Geringverdiener und der Hilfeempfänger? Wie verdienen Menschen, die in der Pflege arbeiten oder als Kindererzieherin, wer hilft kleinen Ver-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Postfach 7121, 24171 Kiel Petra Bräutigam Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-dienern, wenn die Klassenreise ansteht für Sohn oder Tochter oder die Waschmaschi- ne kaputtgeht? Wie geht es denen, deren Arbeitsplatz verloren geht, weil man durch Abbau von Arbeitsplätzen an der Börse vorankommt? Wie viele sind in prekärer Be- schäftigung und haben Armutsrenten, wie ist das mit alleinerziehenden Frauen, die Hartz IV bekommen und gar keine Chance haben, Kinderbetreuung zu haben oder rauszukommen? Das ist doch die Realität in diesem Lande! Wie viele Kinder haben wir, die ohne warme Mahlzeit am Tag zurecht kommen müssen!Die Beschlüsse von Schwarz-Gelb zu diesem Thema gehen darauf hinaus, dass die Steuerfreibeträge erhöht werden, dass diejenigen, die am meisten haben, noch mehr bekommen und das ist falsch. Denn Kinderarmut resultiert auch aus Elternarmut. Die Behauptung, die Arbeitslosen seien doch eigentlich faul und das ginge zu Lasten der Leistungsträger, das war der Kern, was ich rechtspopulistisch genannt habe. Das ist die klassische Argumentation und ich bezeichne überhaupt niemanden hier in die- sem Haus als asozial. Ich finde aber die Haltung, die sagt, die Arbeitslosen sind ei- gentlich faul und wollen gar nicht arbeiten, wir sind für Euch Geringverdiener da, die finde ich nicht sozial. Denn das, was zu tun ist, da scheiden sich unsere Geister sehr deutlich. Die einen wollen Steuern senken und dann gehen die Beiträge rauf. Die an- deren, nämlich wir, wollen mehr Mittel für Bildung, für Kinderbetreuung. Und wir sagen ehrlich, dass es dafür auch erforderlich ist, dass die Steuern eher erhöht werden für die, die am meisten haben.Die einen wollen, dass Dumping-Löhne subventioniert und aus Steuermitteln aufge- stockt werden. Wir wollen das ganz anders: Wir wollen faire Mindestlöhne, wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit und zwar nicht nur bei der Zeitarbeit. Die einen wol- len Regelsätze ernsthaft senken, Sanktionen verschlechtern, wollen Zuver- dienstmöglichkeiten für Hartz IV oder wollen Bürgergeld, das ist die Transfergesell- schaft. -3-Wir wollen eine Arbeitsgesellschaft, wo Arbeit ihren Wert und ihren Preis hat. Unser christliches Menschenbild ist es, dass man leben kann von seiner Arbeit, dass Men- schen gebraucht werden wollen, dass die, die Hilfen brauchen, auch welche bekom- men. Dazu gehört auch ein einheitlicher Kinderregelsatz, der das gewährleistet. Das ist der Unterschied in der Politik zwischen den einen und den anderen. Und die einen, nämlich Sie, wollen Lebensrisiken privatisieren, wollen Kopfpauschalen einführen, wol- len Leistungen kürzen, auch bei Vereinen und Verbänden, bei kommunaler Daseins- vorsorge. Wir wollen dagegen die Solidarsysteme stärken, wir wollen eine Bürgerver- sicherung, wir wollen Investitionen in die Zukunft, wir wollen bessere Kinderbetreuung, Bildung und wir wollen, dass Gemeinwohl unterstützt wird und nicht Klientelpoli- tik.Und das ist im übrigen etwas, wo wir uns gar nicht bei den eigenen Vorbildern bedie- nen müssen, sondern die Aussage, dass das Ziel der sozialen Marktwirtschaft sei, Wohlstand für alle zu schaffen, kam von Ludwig Erhard. Da sind wir mit unseren Posi- tionen deutlich näher dran als diejenigen, die die Schere weiter auseinander machen wollen. Die Süddeutsche Zeitung hat zu Recht geschrieben, wer den Sozialstaat schwächt und beerdigen will, der soll gleich ein Doppelgrab bestellen, weil er nämlich damit die Demokratie gefährdet. Wir brauchen einen starken Sozialstaat mit Auf- stiegsmöglichkeiten für alle, mit fairen Löhnen, von denen man leben kann, mit einer solidarischen Gesellschaft, mit Hilfen für die, die sie brauchen und die nicht diskreditiert werden dürfen. Denn dass Rechtspopulismus gefährlich ist, kann man in vielen europäischen Ländern leider besichtigen. Das wollen wir in Deutschland nicht haben. Herzlichen Dank!