Uli Schippels zu TOP 32: Einsetzung einer Enquetekommission (Nordstaat)
Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin Presseinformation DIE LINKE Fraktion im Schles- wig-Holsteinischen Landtag Rede Uli Schippels – Es gilt das gesprochene Wort. Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon 0431 / 9 88 16 02 Kiel, 29. Jan. 2010 jannine.menger- hamilton@linke.ltsh.deRede von Uli Schippels zu TOP 32: Einsetzung einer Enquetekommission "Chancen und Ri- siken einer norddeutschen Kooperation"„Geehrte/r Präsident/in, meine Damen und Herren,die Diskussion um den Nordstaat beunruhigt mich schon ein wenig, auch wenn ich weiß, dass diese Kuh schon öfter mal durch das Dorf getrieben wurde. Erinnert sei daran, dass unser Ministerpräsident 2005 in der BILD – damals war er noch nicht Ministerpräsident – den Wunsch hat verlautbaren lassen, er möge der letzte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein sein. Auch in anderen Parteien und Fraktionen wird eifrig über eine engere Kooperation mit den norddeutschen Nachbarstaaten diskutiert bis hin zur Debatte über den Nordstaat.Wir versperren uns nicht dieser Debatte um eine engere Kooperation mit den Nachbarstaaten, auch wir dis- kutieren in Partei und Fraktion dieses Thema. Die Befürworter des Nordstaates verweisen auf vermeintliche Synergieeffekte. Wir bräuchten nur ein Parlament, viele Doppelstrukturen könnten abgeschafft werden, die Wirtschaft brauche großräumigere Strukturen.Wir sagen: Unser Land ist groß genug, um die Aufgaben effektiv erledigen zu können. Wissen sie: Es gibt viele Staaten, die kleiner sind als unser Bundesland und die gleichwohl effektiv genug sind, die funktionie- ren. Lenken sie nicht von dem eigenen Versagen ab. Schleswig-Holstein geht es nicht schlecht, weil es zu klein ist. Schleswig-Holstein geht es schlecht, weil es schlecht regiert wird.Und zum Umgang mit Hamburg: Es gibt vielfältige Möglichkeiten, mit anderen Bundesländern, ob nun mit Hamburg oder Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern zusammenzuarbeiten.Es gibt ja auch schon Ansätze, es gibt ja schon Vereinbarungen. Auch in dieser Landtagssitzung beraten wir über gemeinsame Projekte. Und es gibt auch positive Entwicklungen, um nur eins zu nennen: Statistisches Landesamt. Aber wenn Sie ehrlich sind, dann müssen sie eingestehen, dass die bisherige Zusammenarbeit mit Hamburg für das Land Schleswig-Holstein eine teure, eine richtig teure Angelegenheit war. Das gemeinsame Vorzei- geprojekt HSH-Nordbank ist nicht nur gescheitert, es hat unseren Haushalt vollständig an die Wand gefah- ren. So stelle ich mir eine Zusammenarbeit, eine gelungene Zusammenarbeit mit Hamburg nicht vor. Und eine Zusammenarbeit als Selbstzweck schützt offensichtlich nicht vor Torheit, wie die HSH-Nordbank be- wiesen hat.Und wenn wir schon beim Thema Finanzen sind: Ich befürchte, dass sie – von der CDU bis hin zu den Grü- nen – das Verbot der Neuverschuldung ab 2020 dafür nutzen wollen, den Nordstaat auch gegen den Wider- stand der Bevölkerung durchzudrücken. Ich kann mir schon die Argumentation vorstellen: Wir dürfen keine Schulden machen, das Land ist bankrott, deshalb brauchen wir die Fusion mit Hamburg. Dies alles – fürchte ich - ist der Subtext des vorliegenden Antrages.Meine Damen und Herren. Ich wundere mich auch über die Begeisterung für einen Nordstaat in den Reihen der Grünen. BürgerInnennähe, basisdemokratische Entscheidungsstrukturen, liebe Grünen, können nur in relativ kleinen Einheiten realisiert werden. Große anonyme Strukturen dagegen neigen dazu, sich stärker von der Basis, von den Menschen, von den Wählerinnen und Wählern zu entfernen. Mitbestimmung, Selbstbe- stimmung wird dann zur Makulatur und erstickt im anonymen Ganzen.Auch wenn Schleswig-Holstein ein junges Bundesland ist, auch wenn Schleswig-Holstein nach dem zweiten Weltkrieg sehr viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Wir haben inzwischen eine Identität im Land zwischen den Meeren entwickelt. Diese würde über kurz oder lang in einer Nordstaat-Einheitssoße untergehen bzw. verblassen. Und zu dieser Identität – liebe Kolleginnen und liebe Kollegen – gehört auch die dänische Min- derheit. Ich habe mich gestern bei der Debatte um den Europaausschuss sehr unwohl gefühlt. Weil ich im Hinterkopf immer noch das Gefühl habe, es gibt in Schleswig-Holstein antidänische Ressentiments. Ich hof- fe inständig, dass dies nicht stimmt und dass mich mein Gefühl trügt.Die dänische Minderheit würde in einem Nordstaat noch viel weniger als bisher ihre eigenen Interessen arti- kulieren können. Ich möchte nicht wissen, wie groß ein gemeinsames Landesparlament mit Hamburg, viel- leicht auch noch mit Mecklenburg-Vorpommern, mit Niedersachsen und Bremen sein müsste, damit auch ausreichend Abgeordnete des SSW dort ihre Interessen zu Gehör bringen können. Je größer der Staat, desto geringer die Differenzierungen, desto schlechter die Mitbestimmungsmöglichkeiten von regionalen oder kulturellen Minderheiten.Meine Damen und Herren, wir werden der Einsetzung der Enquetekommission nicht zustimmen. Wir werden uns aber konstruktiv an der Debatte beteiligen.Ein letztes möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Die gescheiterte Fusion von Brandenburg und Berlin hat gezeigt, dass eine Länderfusion nicht von oben bestimmt werden kann, sondern nur das Ergebnis eines Prozesses des Zusammenwachsens von unten sein kann. Beherzigen sie dies.“