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29.01.10
10:26 Uhr
SPD

Jürgen Weber zu TOP 32: Wir brauchen nachhaltige politische Konzepte für Zusammenarbeit

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 29.01.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 32, Einsetzung einer Enquetekommission “Chancen einer verstärkten norddeutschen Ko- operation“ (Drucksache 17/181neu)

Jürgen Weber:

Wir brauchen nachhaltige politische Konzepte für Zusammenarbeit

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Jürgen Weber, erin- nert in seinem Redebeitrag an frühere Debatten zur Kooperation in Norddeutschland: Die finanzielle Notsituation des Landes beflügelt immer wieder diese Debatte. Die En- quetekommission soll ergebnisoffen Empfehlungen erarbeiten, die sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner politischer Strategie und Taktik reduzieren lassen. Wir brauchen in die Zukunft gerichtete nachhaltige politische Konzepte für eine Zusam- menarbeit im Norden. Wir fangen nicht bei Null an, aber es ist nicht zufriedenstellend, was bisher erreicht wurde. Und es gibt neue Herausforderungen. Nun sind fachliche Expertise und politisches Denken über den tagespolitischen und landesherrlichen Ho- rizont hinaus gefragt.



Die Rede m Wortlaut: Das Thema einer umfassenden Kooperation in Norddeutschland bis hin zur Frage ei- ner Länderneugliederung ist in Schleswig-Holstein so alt wie das Bundesland selbst.

Im Landtag klang das in der Debatte vor 60 Jahren so: „Die Lebensfähigkeit muss für Schleswig-Holstein in seinen heutigen Grenzen und in seiner heutigen sozialen und wirtschaftlichen Struktur bezweifelt werden. Schleswig-Holstein ist in seinem sozialen



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Verantwortlich: Postfach 7121, 24171 Kiel Petra Bräutigam Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Gefüge das meistbelastete, nach seinem Steueraufkommen das Ärmste, nach seiner geografischen Lage das abgelegenste und als Grenzland das von volks- und kulturpo- litischen Auseinandersetzungen am meisten in Mitleidenschaft gezogene Land der Bundesrepublik Deutschland.“ (Landtagsdebatte vom 24.10.1949, Ex-Innenminister und Oppositionsführer Wilhelm Käber)

Folgerichtig hieß es dann in der am 13. Dezember 1949 verabschiedeten Landesver- fassung: „Die Landessatzung verliert vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung ihre Gültigkeit an dem Tage, an dem die von Schleswig-Holstein erstrebte Neugliederung des Bundesgebietes in Kraft tritt (Artikel 53 Abs. 2).“ Dieser Passus mit der erstrebten Neugliederung stand übrigens bis 1990 so in unserer Landesverfas- sung.

Die zitierte Debatte ist lange her, das Land Schleswig-Holstein hatte seine Lebensfä- higkeit in Folge des sog. Wirtschaftswunders seit den 50er Jahren unter Beweis ge- stellt. • Geblieben war und ist die wirtschaftliche Strukturschwäche, • geblieben war und ist das unterdurchschnittliche Wachstum, • geblieben war der Rückstand in Wissenschaft und Forschung, • geblieben war auch der Investitionsstau in fast allen Bereichen der Infrastruktur.

Erstmals zu Beginn der 8. Legislaturperiode im Jahre 1975 kündigte ein Ministerpräsi- dent in seiner Regierungserklärung umfangreiche Sparmaßnahmen im Haushalt an. Erstmals gerieten Finanzpolitik und Haushaltsdefizit stärker in den politischen Focus. Erstmals bestimmte nicht nur die wirtschaftliche Strukturschwäche, sondern auch ihre finanziellen Folgen die Debatte im Landtag zwischen Regierung und Opposition.

Das ist bis heute so beblieben. Aus naheliegenden Gründen. Und so kann es auch nicht verwundern, dass es die finanzielle Notsituation des Landes ist, die immer -3-



wieder die Debatte um eine stärkere Kooperation in Norddeutschland beflügelt. Vor einigen Jahren hat ein Kieler Landeshausjournalist das in einem Artikel so formu- liert: „An der Küste kommt die Nordstaatdebatte so regelmäßig wie Ebbe und Flut, um dann so zuverlässig wie Seifenblasen zu zerplatzen.“

Weil wir einerseits Ebbe und Flut nicht beeinflussen können und beeinflussen wollen, andererseits aber Seifenblasen in der Politik gerne auf das nötige Maß reduzieren möchten, bringen wir gemeinsam mit Bündnis90/Die Grünen einen Antrag zur Bildung einer Enquetekommission ein. Es geht uns nicht darum, die bekannten Worthülsen und Scheindebatten zu zelebrieren. Es geht nicht um Notlösungen, sondern um in die Zukunft gerichtete nachhaltige politische Konzepte für eine Zusammenarbeit im Norden.

Diese Enquetekommission heißt ausdrücklich „Chancen einer verstärkten norddeut- schen Kooperation“. Und wir verstehen diese Enquetekommission ergebnisoffen. Das liegt natürlich im Wesen einer Enquetekommission. Es kann aber nicht schaden, das noch einmal zu unterstreichen. Wir erwarten, dass dort ohne politische Daumen- schrauben diskutiert werden kann. Wir erwarten auch, dass Empfehlungen erarbeitet werden, die sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner politischer Strate- gie und Taktik reduzieren lassen.

Ergebnisoffenheit heißt eben auch, dass wir nicht um den Begriff des Nordstaats her- umtanzen, sondern in einem umfangreichen Analyse- und Entwicklungskonzept die Problematik einer Länderfusion nur als eine Fragestellung unter vielen verstanden wissen wollen.

• Es geht um die fachlichen Bereiche einer verstärkten norddeutschen Koopera- tion. -4-



• Es geht um den regionalen Zuschnitt einer verstärkten norddeutschen Koope- ration, • es geht um die Zielsetzungen einer verstärkten norddeutschen Kooperation, • es geht um Rückwirkungen auf die verschiedensten Interessen v.a. auch der Regionen • und es geht dann schließlich auch um die organisatorischen oder gar staats- rechtlichen Fragen einer verstärkten norddeutschen Kooperation.

Natürlich wissen wir, dass es gerade in den vergangenen Jahren unendlich viele Be- mühungen gegeben hat, zu einer verstärkten Kooperation vor allem der Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg zu kommen. Diese hier nicht alle aufzählen zu kön- nen, heißt nicht, die bisherigen Bemühungen klein zu reden.

Aber fest steht doch – und das kann eigentlich von niemandem bezweifelt werden -, dass es vollständig unzufriedenstellend ist, was bisher erreicht werden konnte. Und das sage ich jetzt nicht in Richtung einer bestimmten Regierung. Ebenso wenig sage ich das in Richtung eines bestimmten politischen Lagers.

Wir stehen vor neuen Herausforderungen, die den Handlungsdruck erhöhen: - die Föderalismusreformen I und II mit weniger Bund-Länder Kooperation und stärkerer Eigenverantwortung der Länder - die Entwicklung eines Europas der Regionen, das nicht mehr von herkömm- lichen Verwaltungsstrukturen bedient werden kann sowie stärkerer Wettbewerb der Regionen - mehr Wettbewerb in Forschung und Entwicklung: Innovationspotentiale werden bundes- und europaweit nicht mit der Königsteiner Gießkanne bedient, sondern schöpfen aus wettbewerblichen Strukturen

Einiges könnte ergänzt werden. -5-



Wir sind angesichts der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung in Deutschland, Europa und auch in globaler Perspektive in Norddeutschland mit Sicher- heit nicht so aufgestellt, wie es im Interesse der Menschen, die hier leben, erforderlich wäre. Hier einen Schritt weiterzukommen, ist das Ziel, das wir mit der Einsetzung der Enquete verfolgen.

Wir fangen ja nicht bei Null an: - Wir haben die Erfahrungen aus der Metropolregion. - Wir kennen die Initiativen der Unternehmensverbände. - Uns liegen Ergebnisse wissenschaftlicher Tagungen vor, z.B. die des Lo- renz-vom Stein Instituts der CAU. - Wir haben Erfahrungen aus bisherigen Behördenzusammenlegungen und nicht zuletzt Beispiele nicht-staatlicher norddeutscher Kooperationen wie die der Kir- chen, der Gewerkschaften, der Agentur für Arbeit, der Rundfunkanstalten usw.

Nein, wir fangen nicht bei Null an, aber wir haben riesige Baustellen: • im Bereich Wissenschaft und Forschung • beim Umwelt und Klimaschutz • bei der Schaffung von Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwick- lung

Fachliche Expertise und politisches Denken über den tagespolitischen und lan- desherrlichen Horizont hinaus ist gefragt. Dieser Mühe sollten wir uns unterziehen. Das kostet eher Mut als zusätzliches Geld. Das ist im Rahmen des Haushaltes des Landtages umzusetzen. -6-



Deswegen haben wir aus dem grünen Vorschlag einen Antrag mitentwickelt, der die Einsetzung einer Enquete mit einem klaren Fragenkatalog zum Ziel hat. Mit dem Fo- cus nicht allein auf Hamburg, sondern auf die Zusammenarbeit im ganzen Norden.

Nun hat der Antrag für die Mehrheit im Haus (vermutlich) einen schweren Geburtsfeh- ler: Er stammt von zwei Oppositionsfraktionen. Somit müssen wir den weitgehend Ar- gument-freien Ablehnungsreflex hinnehmen. Das tun wir hier einmal gelassen, ermög- licht doch die Geschäftsordnung des Landtages auch einer qualifizierten Minderheit des Hauses, in diesem Rahmen Initiativen und Perspektiven für die Gestaltung der Lebensverhältnisse der Menschen in unserem Land anzustoßen. Das wollen wir in al- ler Ernsthaftigkeit tun