Heinz-Werner Jezewski zum Altschuldenpaket, TOPs 12, 14, 34
Presseinformation Jannine Menger-Hamilton Rede Heinz-Werner Jezewski Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort. DIE LINKE Fraktion im Schles- wig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Kiel, 28. Jan. 2010 Telefon 0431 / 9 88 16 02 jannine.menger- hamilton@linke.ltsh.deHeinz-Werner Jezewski zu den Gesetzentwürfen zur Änderung der Landesverfassung und dem Ant- rag der SPD zum Altschuldenpaket„Anrede PräsidentIn, meine Damen und Herren,Ich möchte damit beginnen, einer Legendenbildung vorzubeugen. Es gibt die Legende, dieses Land brau- che, wie viele andere Länder und gar die Bundesrepublik auch, eine in der Verfassung verankerte Schul- denbremse. Begründet wird das einzig mit der Verschuldung und der darauf fußenden desaströsen Finanz- lage des Landes und seiner Kommunen.Lassen sie mich einen Vorschlag machen, dem sogar die größte Regierungspartei zustimmen könnte, wenn sie es denn wollte. Lassen Sie uns darauf dringen, den Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer auf den Wert zu korrigieren, der am Ende der Amtszeit von Helmuth Kohl gültig war. Das bringt dem Land Ein- nahmen von in etwa 150 bis 200 Millionen Euro. Ich lasse mich bei der genauen Zahl gerne korrigieren, die Größenordnung aber ist richtig.Lassen Sie uns weiter darauf dringen, eine Börsenumsatzsteuer einführen, wie sie in Norwegen seit vielen Jahren hervorragend funktioniert. Auch das bringt unserem Land geschätzte 150 bis 200 Millionen Euro. Wenn wir so viel Geld gar nicht brauchen, machen wir diese Börsenumsatzsteuer eben nach englischem Vorbild, dann bringt sie immer noch 100 Millionen Euro.Ich könnte fortfahren. Ob Rücknahme der Mövenpick-Förderung, moderate Korrektur der Unternehmens- steuerreformen von 1998, 2000 und 2002 oder der gerechte Umbau der Erbschaftssteuer, alles das bringt Milliarden und für Schleswig-Holstein bleiben hohe dreistellige Millionenbeträge dabei übrig.Fakt ist also: Dieses Land braucht keine Schuldenbremse, denn es könnte gut und sorgenfrei wirtschaften, wenn jeder – nach seiner Leistungsfähigkeit – solidarisch zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben he- rangezogen werden würde. Sie können trotzdem gerne sagen, „wir brauchen eine Schuldenbremse in der Landesverfassung“, aber dann sagen Sie bitte auch „weil wir die Einnahmen des Staates nicht verbessern wollen! Weil wir uns von dem Prinzip, dass die Starken mehr leisten müssen als die Schwachen, verab- schiedet haben!“ So viel also zur Legendenbildung. Da hat also die Föderalismuskommission Anfang 2009 die so genannte „Schuldenbremse“ für den Bund und die Länder beschlossen, der Bundestag hat im Laufe des vergangenen Jahres die dazu notwendigen Verfassungsänderungen beschlossen, der Bundesrat hat diesen zugestimmt. So weit – so ungut.Nun hat das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat den Verfassungsänderungen nicht zugestimmt, sondern sogar eine Verfassungsklage dagegen angekündigt. Schon besser.Nun wollen Sie aber die Schuldenbremse, die Sie im Grundgesetz ablehnen, unbedingt in der Landesverfas- sung verankern. Ja, Sie berufen sich in ihrem heutigen Antrag sogar auf den Artikel des Grundgesetzes, den Sie angeblich durch eine Verfassungsklage beseitigen wollen. Ganz ehrlich: Mich wundert es nicht, dass die Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten und den FDP-Fraktionsvorsitzenden im Dezember wie zwei Dorfdeppen abgekanzelt hat…Die Schuldenbremse darf aber, ich habe es ja schon angedeutet – egal ob auf Bundes- oder auf Landesebene – nicht isoliert betrachtet werden. Es gibt Gründe, die solche Pläne haben reifen lassen. Wenn jemand seine Finanzen nicht in den Griff bekommt, dann kann das zwei Gründe haben. Seine Ausgaben sind zu hoch, oder seine Einnahmen zu niedrig. Strukturell lassen sich diese Probleme leicht lösen. Entweder muss man Ausgaben senken, was – wenn man sich die Situation in diesem Land einmal ehrlich anschaut – gar nicht mehr möglich ist, oder man muss die Einnahmen erhöhen. Die Bundesregierung hat sich für den dritten Weg entschieden: Sie senkt die Einnahmen, um die Situation des Staates weiter zu verschlechtern.Das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist dafür nur das letzte Beispiel. Das soll dazu führen, dass die Unternehmen schnell viel Geld verdienen, von dem sie Steuern bezahlen müssen. Wohlgemerkt: Die Steuern wurden gerade durch dieses Gesetz gesenkt.Vielleicht schafft die Bundesregierung es ja sogar im nächsten Schritt, die Unternehmen ganz von Steuern zu befreien, damit sie noch mehr Geld verdienen, von dem sie dann gar keine Steuern mehr bezahlen müs- sen. Und mit diesen nicht bezahlten Steuern sanieren wir dann die öffentlichen Haushalte. Das, meine Da- men und Herren ist Realsatire in ihrer besten Form.Sie meine Damen und Herren, haben in der letzten Plenarsitzung beschlossen, dem so genannten Wach- stumsbeschleunigungsgesetz zuzustimmen. Nur für den Fall, dass sie es immer noch nicht gemerkt haben: Einen erheblichen Teil der Schulden, die Sie mit dem heutigen Gesetzentwurf bremsen wollen, haben sie im letzten Monat mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz erst verursacht. Und wem nützt dieses Ge- setz? Der Oppositionsführer hat es im letzten Monat sehr treffend ausgedrückt: Hoteliers und reichen Er- ben. Herr Stegner, ich habe mich wirklich kurz gefragt, ob sie vor dieser Formulierung Einblick in die Spendenlisten der FDP oder in die Buchhaltung der Firmen von Baron Finck genommen hatten.Das Prinzip aber nützt natürlich nicht nur denen, die gerade durch die unappetitliche Parteispendenaffäre ins Gerede gekommen sind. Ein vermeintlich armer Staat – in Wirklichkeit ist es ja ein Staat, der sich selbst arm hält – nützt allen, die den Staat im Grunde genommen für überflüssig halten. Je ärmer der Staat, je weniger Mittel ihm für seine Aufgaben zur Verfügung stehen, desto mehr Möglichkeiten haben sie. Sie können sich zum Beispiel über kurz oder lang das Vermögen dieses Staates aneignen, denn was liegt näher als bei maroden Finanzen die Privatisierung des Staatsvermögens zu fordern? Und genau das wird der Effekt dieser Schuldenbremse sein: Diejenigen, die es sich leisten können, werden dieses Land systematisch ärmer machen und dann faktisch übernehmen.Das trifft dann nicht mehr nur Menschen mit schlechter Ausbildung oder geringer Qualifikation, sondern mehr und mehr auch diejenigen, die immer so gerne als „der Mittelstand“ bezeichnet werden. Jedem dürfte klar sein, aus denen, die jetzt schon ALG-II beziehen ist bald nichts mehr herauszupressen. Schauen Sie sich einmal die Lohnentwicklung der letzten Jahre an, dann sehen Sie, dass dieser Wandel schon begonnen hat.Keine Frage: Wenn der Staat Schulden macht, ist das schlecht, weil diese Schulden die Umverteilung von unten nach oben befördern. Auch die Linke möchte keine Schulden machen, sondern den Staat über Steuer- einnahmen finanzieren, denn so gehört es sich. Aber bevor wir das können, müssen wir unsere Hausaufga- ben machen. Das heißt, wir müssen die Einnahmen erhöhen, denn die Ausgaben können wir nicht mehr senken.Leider sind FÖJ’ler oder Bezieher von ALG-II nicht in der Lage, Parteispenden in Millionenhöhe abzudrü- cken, sonst stünde ich mit dieser Meinung vielleicht nicht ganz so allein hier.Was im Übrigen davon zu halten ist, dass der Staat über Einnahmeverschlechterungen immer handlungsun- fähiger gemacht wird, was das für unsere Demokratie bedeutet, das überlasse ich Ihrem eigenen Nachden- ken.Ein Fazit dieser Debatte zu ziehen ist ganz einfach: Das Gegenteil von „gut gemacht“ ist „gut gemeint“. Demnach haben Sie es verdammt gut gemeint. Das, Herr Ministerpräsident, ist es aber nicht, wofür die Menschen in diesem Land Ihnen und Ihrem Koalitionspartner beinahe so viel Stimmen gegeben haben, wie der Opposition in diesem Landtag.Die Menschen wollen, dass Sie die Probleme des Landes lösen und nicht die Probleme von Reichen und Superreichen. Gehen Sie nach Berlin und setzen Sie sich für eine anständige Finanzausstattung der Länder und der Kommunen ein. Sorgen Sie dafür, dass die ungerechten Umbauten der staatlichen Aufgabenfinan- zierung aus den letzten Jahren korrigiert werden.Wenn Sie das alles getan haben, wenn Land und Kommunen endlich wieder in der Lage sind, ihre Aufga- ben aus ihren Einnahmen zu bestreiten, dann haben Sie sogar die LINKE an Ihrer Seite, wenn sie Staats- schulden gesetzlich verbieten wollen.Oftmals werden Ministerpräsidenten als „Landesväter“ bezeichnet. Ein Ministerpräsident, der mutwillig auf Einnahmen, die seinem Land zustehen verzichtet, handelt wie ein Vater, der die Einnahmen seiner Familie in die Kneipe trägt und davon seinen Kumpanen den Alkohol bezahlt.Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, sich den Titel „Party-Harry“ gegen den Titel Landesvater eintauschen wollen, dann fangen Sie endlich an etwas für dieses Land zu tun!“