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27.01.10
16:28 Uhr
SPD

Kai Dolgner zu TOP 20: Gaffer: Einsatzkräfte stärken statt fragwürdige "Therapie"

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 27.01.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 20, Schocktherapie für sogenannte Gaffer (Drucksache 17/73)

Kai Dolgner:

Gaffer: Einsatzkräfte stärken statt fragwürdige „Therapie“

Ganz neu ist das Gaffer-Problem nicht. „Die zum Auflauf Versammelten sind meist in- nerlich uninteressiert am Schicksal der Opfer; der Vorgang ist Futter für ihr Sensati- onsbedürfnis“, stellte der Soziologe Theodor Geiger bereits 1926 fest.

Bei Schocktherapien von Rauchern und Rasern, die hier wohl als Vorbild genommen wurden, sollen die Betroffenen mit den oft verdrängten schwerwiegenden Folgen ihres Handelns konfrontiert werden. Ganz anders verhält es sich bei Gaffern. Die Unfall- und Katastrophenorte werden aktiv aufgesucht, um genau diese Bilder - und zwar live, in Farbe und 3D - zu sehen.

Ob sich dieses Verhalten nun dadurch bekämpfen lässt, dass man den Sensationslus- tigen auch noch Bilder und Filme anderer Unfälle zwangsweise vorführt, darf wohl zu Recht bezweifelt werden. Wer einmal in eine Suchmaschine die passenden Stichworte eingibt, wird entsetzt sein, wie viele entsprechende Videos bereits zu voyeuristischen Zwecken im Internet kursieren.

Wie sollen überhaupt die „Schockzutherapierenden“ erfasst werden? Helferinnen und Helfer an Unfallstellen haben in solchen Krisensituationen ganz andere und wichtigere



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Aufgaben, als die Personalien der umstehenden Gaffer zwecks späterer Schockthera- pie aufzunehmen.

Es ist übrigens hilfreich, bei den Schaulustigen zu differenzieren. Es gibt solche, die abseits stehend ihre Neugierde befriedigen. Dieses mag ärgerlich und verwerflich sein, ein besonderes Problem sind sie nicht. Dann gibt es diejenigen, die trotz Aufforderung Hilfeleistung verweigern. Dieses wird bereits nach §323c StGB mit einer Strafe bis zu einem Jahr Haft wegen unterlassener Hilfeleistung geahndet. Auch wer ohne Aufforde- rung erforderliche Hilfe nicht leistet, kann entsprechend bestraft werden. Wer sich trotz dieser bereits vorhandenen Strafandrohung so verhält, wird sich wohl kaum durch ein paar Schockbilder umerziehen lassen.

Verbleibt die Gruppe derjenigen Schaulustigen, die Hilfsmaßnahmen behindern. Hier ist zu diskutieren, ob die Einsatzkräfte vor Ort mehr Rechtssicherheit und eine Präzisierung ihrer Möglichkeiten im Umgang mit den Umstehenden benötigen. Im Brandschutzgesetz sind beispielsweise die Rechte auf der Einsatzstelle im § 20 und die Ordnungswidrigkeiten im § 40 sehr allgemein geregelt. Das haben andere Bundesländer anders und eventuell auch besser geregelt.

Denkbar wären zum Beispiel Platzverweise, wenn die Polizei nicht vor Ort ist, Ver- pflichtung von weiteren Helfern aus der Menge der Umstehenden oder Inanspruch- nahme benötigter Rettungsmittel von Dritten. Hierzu wollen wir mit den Vertretern der Einsatzkräfte in den Dialog treten, ob und wo Änderungen sinnvoll und notwendig sind.

Bei aller Empörung über den entsetzlichen Anlass - gerade für den von den Medien geschilderten Fall der Nichtherausgabe eines lebensrettenden Feuerlöschers gibt es den bereits vorher erwähnten Straftatbestand. Und trotzdem wurde nicht geholfen. Hier zeigt sich, dass sich menschliche Solidarität und Hilfsbereitschaft nur sehr -3-



bedingt verordnen lässt. Mangel an Solidarität und Hilfsbereitschaft sowie der galop- pierende Voyeurismus sind gesamtgesellschaftliche Probleme.

Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Einsatzkräfte vor Ort zu stärken, anstatt sie mit unnötigen Ermittlungs- und fragwürdigen Erziehungsmaßnahmen zu belasten.

Für die Kolleginnen und Kollegen, die an die Wirksamkeit von Schocktherapien glau- ben, würde sich durch entsprechende Bilder der durch Rauchen verursachten Ge- sundheitsschäden in der Havanna-Lounge die Gelegenheit zum Selbstversuch bieten. Es wäre einmal interessant zu erfassen, ob sich dadurch die Zahl der rauchenden Kol- legen reduzieren würde.