Silke Hinrichsen zu TOP 20 - Schocktherapie für sogenannte Gaffer
PresseinformationKiel, den 27. Januar 2010 Es gilt das gesprochene WortSilke HinrichsenTOP 20 Schocktherapie für sog. Gaffer Drs. 17/73Innenminister Schlie möchte einen völlig neuen Weg beschreiten, indem er die Gafferam Straßenrand namentlich erfasst, ihnen schockierende Bilder von Verkehrsunfällen zusehen gibt, um sie damit zukünftig zu tatkräftigem Handeln statt des bloßenZuschauens zu bewegen.Er gibt vor, ein Phänomen erstmalig in Angriff nehmen zu wollen, das tatsächlich in derKriminologie bereits seit 40 Jahren untersucht wird. Diese Untersuchungen lassen sichfolgendermaßen zusammenfassen: je mehr Personen sich an einem Tatort oder Unfallortbefinden, desto geringer ist die Hilfsbereitschaft des Einzelnen. Dieser Zuschauereffektoder bystander-Effekt wurde in zahlreichen Versuchen belegt. Das Fernsehen unterstütztdieses Phänomen, in dem es gerne Katastrophenbilder zeigt und uns als Zuschauerhautnah miterleben lässt, was geschieht. Dies führt jedoch dazu, dass sich niemand 2vorstellt, was dieses „Ansehen“ derartiger Situation für die Helferinnen und Helferbedeutet.Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft ist allerdings weder mit Strafe nochmit Therapie beizukommen. Gesellschaftliche Probleme lösen wir nicht per Minister-Interview. Es ist zu befürchten, dass die ganze Debatte im Sande verlaufen wird, dennweder die Innenministerkonferenz noch der Bundesinnenminister lassen bislang denWillen zur ernsthaften Umsetzung der Schlie’schen Schocktherapie erkennen.Zunächst sollten bestehende Instrumente genutzt werden, bevor neue eingeführtwerden. Das gilt auch für das so genannte Gaffer-Syndrom. Der Gesetzgeber hateindeutig festgelegt: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfeleistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondereohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglichist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“ So lautet §323c StGB.Wir haben also bereits zumindest ein Instrument, um Menschen, die tatenlosherumstehen und nichts tun, obwohl sie es könnten, zur Verantwortung zu ziehen. Dassdie Polizisten bei einem Verkehrsunfall anderes zu tun haben, als die Personalien derGaffer aufzunehmen, leuchtet unmittelbar ein.Wie die IMK in Bremen jedoch in einer Protokollnotiz vermerkt, gibt es Überlegungen, imZusammenhang mit der Behinderung von Feuerwehrleuten und Rettungskräften, eineNovellierung der strafrechtlichen Sanktionsnormen zu überprüfen. Dies wurde jedoch 3nur im Rahmen der Überlegungen zur Verschärfung des Strafrechts nach 113 StGB inVerbindung mit Widerstandshandlungen gegen Polizei und Rettungskräften diskutiert.Nach den Ausführungen des Ministers Schlie bei der letzten Sitzung des Innen– undRechtsausschusses konnte dieser zu dieser Protokollnotiz keine näheren Angabenmachen, wie die Länder dies umsetzen wollen.Wir sehen die Behinderung durch Schaulustige bei Unfällen als ein gesellschaftlichesProblem und es erscheint uns fraglich, ob dies mit Mitteln des Strafrechts zu lösen ist.Das aber hier etwas getan werden muss, ist klar.