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27.01.10
16:10 Uhr
B 90/Grüne

Thorsten Fürter zu einer Schocktherapie für sog. Gaffer

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 20 – Schocktherapie für sog. GafferInnen Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher Landeshaus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Thorsten Fürter: Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 032.10 / 27.01.2010 Ersichtlich nicht zu Ende gedacht
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!
In meiner Tätigkeit als Pressesprecher der Justizbehörde in Hamburg war ich manchmal etwas neidisch auf die von Senator Ahlhaus geführte Innenbehörde. Hatte man es mit einer Betonung der Rechtsstaatlichkeit nicht immer leicht, bei JournalistInnen Gehör zu finden, kann ein Innenminister mit markigen Forderungen relativ schnell auf die Titelseiten der örtli- chen Presse kommen.
Und der Hintergrund ist auch tatsächlich ernst: Am 15. November 2009 geschah ein schrecklicher Unfall auf der A 1, bei dem eine 22-jährige Frau ihr Leben verlor. In der Zei- tung war dann zu lesen: „Der Zusammenprall war so heftig, dass beide Fahrzeuge sofort in Brand gerieten. Nur dem mutigen Einsatz mehrerer Autofahrer, die an der Unfallstelle Erste Hilfe leisteten, ist es zu verdanken, dass die beiden nicht in ihren Fahrzeugen verbrannten.“
Von so genannten „Gaffern“ war also kurz nach dem Unfall keine Rede. Erst eine Woche später wurde der Begriff des „Gaffers“ in Zusammenhang mit dem Unfall auf der A 1 ge- braucht.
Und da haben wir die beiden Seiten der Medaille. Es gibt die, die in der Not mithelfen, e- benso wie es leider die gibt, die am Rande stehen bleiben. Deswegen war es richtig, das Problem von so genannten „Schaulustigen“ an Unfallstellen auf die Tagesordnung zu set- zen. Aber Herr Minister Schlie, die „Schocktherapie“ war eine billige Vokabel, die uns in der Sache überhaupt nicht weiter bringt. Ich finde, das haben Sie nicht nötig.
Wieso sollte jemand, der live bei einem realen Unglück dabei ist und sich an dem Schmerz und Leid anderer ergötzt, therapiert werden, wenn er die gleichen Szenen auf Fotos und
Seite 1 von 2 Filmen zu sehen bekommt?
Und wollen Sie zukünftig zum Beispiel einem Handtaschenräuber eine am Boden liegende Oma zeigen, um ihm vom nächsten Raub abzuhalten? Wollen Sie gar einem Terroristen das einstürzende World Trade Center zeigen, damit er die Welt nicht mehr bedroht?
Lieber Herr Innenminister Schlie, das war ersichtlich nicht zu Ende gedacht. Ich sage es Ih- nen ganz offen: Wo ist denn Ihr Konzept, jetzt schon zwei Monate nach der großen Schlag- zeile? Ich habe heute nichts, aber auch gar nicht gehört, was ihre große Idee einer „Schocktherapie“ auf den Weg bringt. Nein, Herr Schlie: Ihnen ging es nur um eine billige Schlagzeile auf Seite 1.
Denn eins gilt es doch mal festzuhalten: Straftatbestände gibt es bereits heute. So kann die unterlassene Hilfeleistung mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Und ihr eigener Ministeriumssprecher sagte selber gegen über der Presse „Feuerwehr, Helfer und Polizei haben nach einem schweren Unfall genug zu tun. Um dann noch die Personalien von Schaulustigen aufzunehmen – dafür fehlt einfach das Personal.“
Wie wollen Sie denn gegen die „GafferInnen“ mit einer Schocktherapie vorgehen, ohne Personalien durch Polizei, HelferInnen und Feuerwehr aufzunehmen zu lassen? Wir Grüne glauben an BürgerInnen, die sich aktiv für die Gesellschaft engagieren und sich einbringen. „GafferInnen“, die Rettungsmaßnahmen behindern, sind mit diesem Weltbild nicht zu ver- einbaren.
Ich glaube, wir können an die Menschen appellieren und sie ermuntern, zu helfen. Gerne auch unterstützt durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit aus dem Innenministerium. Wir müssen den Menschen klar machen, dass auch sie einmal Hilfe benötigen könnten. Wir müssen ihnen die Angst nehmen, etwas falsch zu machen, in dem wir in Kindergärten, Schulen, Fahrschulen und vielleicht auch einmal hier im Landtag Erste-Hilfe-Kurse anbie- ten. Wenn die Landesregierung mit uns zusammen daran arbeitet, für eine aktive Bürger- schaft zu werben – gegen die GafferInnengesellschaft – dann sind wir dabei.
Für billige Publicity und markige Sprüche sind wir dagegen nicht zu haben. Und Herr Minis- ter Schlie, ich beginne in ihrer Politik ein Muster zu erkennen. Wo Sie nichts zu melden ha- ben, werden große Debatten angestoßen. Wo Sie mutig handeln könnten, bleiben Sie kleinlaut. Ich bin gespannt: Wann kommt die Bundesratsinitiative von Ihnen zur Verschär- fung des Strafrechts bei Gewalt gegen PolizistInnen? Wo ist der Ministererlass, dass Käfig- kämpfe in Schleswig-Holstein nicht mehr über den Sender gehen? Wann werden die Schocktherapiezentren gegen GafferInnen eingerichtet? Nicht, dass ich all das begrüßen würde, aber wir sollten Ihnen das nicht durchgehen lassen. Als Regierungsmitglied ist es nicht Ihr Job, virtuelle Debatten anzustoßen, sondern zu handeln. Da wo Sie handeln könn- ten, wird die Bilanz dürftig: Konzepte zum Abbau von Polizeiaufgaben: Fehlanzeige. Ein Verbot von Rockerbanden: Offenbar zu komplex. Die Behebung der Pannen bei den Leit- stellen: Es zieht sich. Virtuelle Innenpolitik: Das muss ein Ende haben.
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