Dr. Henning Höppner zu TOP 6 und 28: G8-Stundentafel verschlanken, keine Aufspaltung nach Bildungsgängen!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 17.12.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 6 und TOP 28, Änderung des Schulgesetzes / Entlastung der Schülerinnen und Schüler im Rahmen des achtjährigen Gymnasiums (Drucksachen 17/107, 17/90, 17/138)Dr. Henning Höppner:G8-Stundentafel verschlanken, keine Aufspaltung nach Bildungsgängen!Die SPD steht zu der Entscheidung, in Schleswig-Holstein verpflichtend auf G8 über- zugehen, so der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Henning Höppner. Er räumt ein, dass die Belastungen für die Schüler unterschätzt wurden. Die SPD steht dazu, dass es zwei Schularten geben muss, die zum Abitur führen: das Gymnasium nach acht und die Gemeinschaftsschule nach neun Jahren. Wir brauchen aber eine Entlastung der Schülerinnen und Schüler, indem wir die Stundentafel verschlanken und die Lehrpläne darauf überprüfen, wo Inhalte unbedingt Aufgabe des Gymnasiums sind und wo sie den Hochschulen überlassen werden können. Höppner kritisiert den von CDU und FDP eingebrachten Entwurf zur Änderung des Schulgeset- zes, denn damit würde man die Grundprinzipien der großen Schulreform von 2007 ins Gegenteil verkehren und wieder zur Aufspaltung nach Bildungsgängen zurückkehren.Die Rede im Wortlaut: Der Ältestenrat ist wieder mal nach dem Prinzip vorgegangen: „Jetzt wächst zusam- men, was nicht zusammen gehört“. Die Dinge, die mit dem Gesetzentwurf der Koaliti- onsfraktionen und mit unserem Antrag bewegt werden sollen, haben miteinander nicht allzu viel zu tun.Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Zunächst zu unserem Antrag: Wir haben in den vergangenen Wochen Demonstratio- nen der Schülerinnen und Schüler sowie der Studierenden erlebt, die sich gegen zahl- reiche Probleme in unserem Bildungssystem gerichtet haben. Dazu gehören die unzureichende Finanzierung, dazu gehören die sozial- und bildungspolitisch völlig kontraproduktiven Studiengebühren, die noch immer in einigen unionsgeführten Län- dern erhoben werden, dazu gehören die neuen Studienstrukturen, die das Studium er- schwert und eingeengt haben – die KMK hat dazu ja in der vergangenen Woche Be- schlüsse gefasst, die in die richtige Richtung gehen -, dazu gehört aber auch die Ver- kürzung des Gymnasiums von 9 auf 8 Jahre.Wir als SPD wollen uns da nicht wegducken: Die Entscheidung aus dem Jahr 2005, auch in Schleswig-Holstein verpflichtend auf G8 überzugehen, haben wir mitge- tragen und mitverantwortet, weil es auf die Dauer nicht verantwortbar gewesen wäre, dass junge Menschen aus Schleswig-Holstein grundsätzlich ein Jahr älter sind als die Abiturienten in den anderen Bundesländern. Die Verkürzung der gesamten Schulzeit hin zum Abitur auf 12 Jahre hat sich daher sowohl in dem nicht realisierten Koalitions- vertrag zwischen uns und den GRÜNEN als auch in dem anschließenden zwischen CDU und SPD gefunden.Wir sagen daher nicht mit ausgestrecktem Finger gegen andere, sondern in erster Li- nie mit Selbstkritik, dass wir die Belastungen für die Schülerinnen und Schüler un- terschätzt haben. Die Befürchtungen und die Erfahrungen, die wir aus anderen Län- dern kennen, die schon länger bei G8 sind, haben sich leider bewahrheitet.Es blieb zwar bei einer 3-jährigen Oberstufe, aber die Verdichtungen haben in erster Linie in der Unter- und Mittelstufe stattgefunden. Dies erwischt die jungen Menschen also punktgenau in der Pubertät, was, wie wir uns hoffentlich alle noch entsinnen, kei- ne so ganz einfache Lebensphase ist. Die Evaluation der bisherigen Erfahrungen er- -3-gibt ein klares Bild: Die Schülerinnen und Schüler sind überfordert; sie haben zu- wenig Freizeit, und Aktivitäten, die nicht unmittelbar mit der Schule zu tun haben, fal- len flach. Das war nicht Sinn dieser Reform.Wir wollen nicht zurück zu G9. Es ist sinnvoll, dass wir zwei Schularten haben, die zum Abitur führen: das Gymnasium nach acht und die Gemeinschaftsschule nach neun Jahren. Auch Verbände, die G9 frühzeitig kritisiert haben, wollen die Uhr nicht zurückdrehen, treten aber für Veränderungen an G8 ein. Denn was wir erreichen wol- len, ist eine Entlastung der Schülerinnen und Schüler, indem wir die Stundentafel verschlanken. Das darf aber nicht einseitig zu Lasten einzelner Fächer gehen, also etwa durch Streichung von musischen Fächern. Es darf auch keinen Alleingang ge- ben, der die Anerkennung des schleswig-holsteinischen Abiturs in den anderen Bun- desländern gefährden würde. Aber wir wissen, dass sich die Probleme und die Protes- te dagegen nicht auf unser Land beschränken, sondern dass alle Länderregierungen gleichermaßen getroffen sind.Wenn man die Lehrpläne an den Gymnasien und die Curricula der Hochschulen abgleicht, so stellt man fest, dass die Hochschulen ja keineswegs nahtlos an das Le- vel anschließen, das leistungsstarke Abiturienten nach dem Ende des 12. Jahrgangs erreicht haben, sondern in aller Regel weit darunter, meist etwa beim Level zum Ende des 10. Jahrganges, ansetzen. Das gilt in besonderem Maße für die MINT-Fächer.Dem steht die Vereinbarung der Kultusministerkonferenz über das Gesamtvolumen von 265 Jahreswochenstunden entgegen. Nun ist die Qualität von Bildung aber nicht vom Input in Form einer bestimmten Stundenzahl abhängig, sondern vom Output des Erreichens der Bildungsstandards, was durch die weitgehend zentralen Abschlussprü- fungen verifiziert wird. Wir halten es daher für aussichtsreich, das zu tun, was die Kul- tusminister noch vor wenigen Jahren strikt von sich gewiesen haben, nämlich die Lehrpläne aller Fächer darauf zu überprüfen, wo Inhalte unbedingt Aufgabe des -4-Gymnasiums sind und wo sie getrost den Hochschulen überlassen werden kön- nen.Wir bitten die Landesregierung daher in unserem Antrag, uns ein solches Konzept vor- zulegen und sich auf der Ebene der Kultusministerkonferenz für eine Entlastung der Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den anderen Bundesländern einzusetzen.Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur beantragten Schulgesetzänderung sagen. Die neue Koalition hat sich darauf verabredet, vieles von dem, was SPD und CDU gemeinsam in einer bundesweit beachteten Bildungsreform verabredet haben, auszu- höhlen und ansonsten einer Beliebigkeit der Schulen und Schulträger zu überlas- sen. Dazu sind in Ihrem Koalitionsvertrag jede Menge von Variablen eingebaut, so zum Beispiel die fakultative Wiedereinführung der Realschule in Abhängigkeit von ei- nem erfolgreichen Volksbegehren, dessen Ausgang noch völlig in den Sternen steht.Dementsprechend legen Sie einen Entwurf vor, der Unruhe und Rechtsunsicherheit in die Schulen und unter die Schulträger tragen wird, indem Sie die Frist zur Umwand- lung der bisherigen Haupt- und Realschulen in Regional- bzw. Gemeinschaftsschulen um ein Jahr verlängern. Das liest sich harmloser, als es ist.Längeres gemeinsames Lernen und ein transparenteres und nach oben durchlässige- res Schulsystem sind die Grundprinzipien der großen Schulreform von 2007. Das, was Sie hier vorlegen, geht in die genau falsche Richtung. Wer sich die Folgen dessen vor Augen führen will, was die schwarz-gelbe Koalition beabsichtigt, braucht sich nur die Graphiken auf Seite 30 und auf dem nachgereichten Ergänzungsblatt im Schulbe- richt des Landesrechnungshofes anzuschauen. Das Schulgesetz von 2007 hat die Zahl der Sekundarschulen von vier auf drei reduziert; der Landesrechnungshof hält höchstens zwei für vollkommen ausreichend, und wir sind da mit ihm ganz einer Mei- nung. -5-Was aber will die schwarz-gelbe Koalition? Da soll es ein Nebeneinander geben von Regionalschulen, von Gemeinschaftsschulen, von Realschulen und von Gymnasien, und als ob das nicht genügte, sollen die Gemeinschafts- und Regionalschulen entkernt werden, indem jede Menge an äußerer Differenzierung wieder eingeführt wird, und das heißt nichts anderes als Aufspaltung nach Bildungsgängen. Und damit es auch nicht zu einfach wird, wollen Sie es den Gymnasien selbst überlassen, ob sie die Schüler nach 8 oder nach 9 Jahren zum Abitur führen wollen.Das Ergebnis ist ein weit gefächerter Pfauenschwanz an Bildungsgängen. Da- durch wird nicht nur wie in der Vergangenheit der Wechsel in ein anderes Bundesland während der Schulzeit, sondern künftig auch der Wechsel der Schule innerhalb unse- res Landes mit dem Risiko behaftet, ein Jahr zu verlieren.Das kann nicht Ihr Ernst sein, und falls es doch Ihr Ernst ist, wird es die Aufgabe der Öffentlichkeit – der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern und aller Bürgerinnen und Bürger, denen etwas an einer zukunftsfähigen Bildung liegt – sein, Sie von einer solchen Geisterfahrt abzubringen.Natürlich werden wir diesen Gesetzentwurf in den Ausschuss überweisen, und natür- lich werden wir ihn ablehnen.