Icon Hinweis

Unsere Website befindet sich zurzeit im Umbau. Es kann zu kürzeren Ausfällen oder einer ungewohnten Darstellungsweise kommen.

Wir beeilen uns! Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
18.12.09
11:13 Uhr
SPD

Dr. Henning Höppner zu TOP 36: Realistisches Bild vom Leben im geteilten Deutschland vermitteln

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 18.12.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 36: Für eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte an schleswig- holsteinischen Schulen (Drucksache 17/117)
Dr. Henning Höppner:

Realistisches Bild vom Leben im geteilten Deutschland vermitteln

Bei vielen jüngeren Menschen ist das Wissen über Zeitgeschichte und Politik sehr ge- ring. In den populären Quiz-Shows tun sich ältere Kandidatinnen und Kandidaten in diesen Wissensgebieten meist leicht, während unter 30jährige nicht einmal die Partei- zugehörigkeit der Bundeskanzler parat haben, geschweige denn, dass sie 20 Jahre nach dem Mauerfall mehr als verschwommene Erinnerungen an die DDR und an die deutsche Teilung hätten – egal, ob sie in der alten Bundesrepublik oder in der DDR geboren wurden.

In regelmäßigen Abständen untersucht der „Forschungsverbund SED-Staat“ an der FU Berlin die Kenntnisse über die DDR bei den Schülern verschiedener Bundesländer und kommt immer wieder zu spektakulären, aber auch umstrittenen Ergebnissen.

Wissenschaftliche Ergebnisse werden dann gerne auf Schlagworte verengt. Ein Bei- spiel: Demnach wussten nur 17 % der Ostberliner und 26 % der Westberliner Schüle- rinnen und Schüler, dass es in der DDR die Todesstrafe gab. Das ist ein Beispiel da- für, wie man komplizierte Sachverhalte so pauschalisiert, dass die erwartete Unkennt- nis sich zwangsläufig beweisen lässt. Tatsache ist, dass die DDR erst 1987 die To- desstrafe offiziell aus ihrem Strafgesetzbuch gestrichen hatte. Das letzte Todesurteil nach dem Zivilstrafrecht wurde 1972 vollstreckt, der letzte justizförmige Mord innerhalb



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



der Stasi geschah 1981. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Todesstrafe in den 70er und 80er Jahren in der DDR so alltäglich gewesen wäre wie in China, dem Iran oder den USA.

Das macht die DDR nicht sympathisch und es macht sie vor allen Dingen nicht zu ei- nem demokratisch legitimierten Rechtsstaat mit Gewaltenteilung. Die Menschen in der DDR hatten bis 1990 keine Möglichkeit, über ihre staatliche Regierung und über ihre Kommunalvertretungen in pluralistischen und freien Wahlen zu entscheiden. Das muss im Rahmen der politischen Bildung, die eine der zentralen Aufgaben der Schule ist, selbstverständlich vermittelt werden – und zwar ohne historisch unzulässige Gleichsetzungen mit der Nazi-Herrschaft.

DDR und deutsche Teilung sind in unseren Lehrplänen, besonders für das Fach Geschichte, verankert, und ich gehe davon aus, dass diese Inhalte auch in Umfang und Form angemessen vermittelt werden. Und nicht alles, was in diesem Zusammen- hang stattfindet, ist angemessen. Unangemessen ist aus unserer Sicht die Aufrichtung eines Mauerstücks vor dem Parlament, das das Signum einer Zeitung trägt, die in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen hat, Mauern in den Köpfen zu errich- ten.

Das geht besser, und wir regen in unserem interfraktionellen Antrag deshalb an, die DDR besonders im Rahmen des „Lernens am anderen Ort“ einzubeziehen. Jungen Menschen kann anschaulich gemacht werden, dass die Selbstverständlichkeit, mit der wir heute im Auto oder mit der Eisenbahn von Lübeck aus nach Osten fahren, noch vor zwei Jahrzehnten unvorstellbar war.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Verbindungen innerhalb von Familien, die früher durch die innerdeutsche Grenze getrennt waren, damals intensiver waren als heute. Deshalb sollten die Chancen genutzt werden, die bis auf weiteres noch in rei- -3-



chem Maße vorhanden sein werden, Zeitzeugen in den Schulunterricht einzuladen, sei es Menschen, die sich am Aufbruch 1989/90 beteiligt haben oder ganz einfach Menschen, die über das alltägliche Leben im ostdeutschen Staat berichten können.

Ich wünsche mir, dass die jungen Menschen in ganz Deutschland ein realistisches Bild vom Leben in beiden Teilen des geteilten Deutschland entwickeln können. Und ich möchte auf die sehr bedenkenswerten Worte von Gesine Schwan in der ZEIT vom 25.06.2009 hinweisen, die erklärt hat, warum sie bei aller Verurteilung des politi- schen Systems der SED-Diktatur das Wort „Unrechtsstaat“ nicht verwendet.

Und zwar weil sie zwischen dem Staat und den Menschen, die in ihm lebten, unter- scheidet und zugesteht, dass es Bereiche im Staat der DDR gab, in denen die Men- schen sich um Rechtlichkeit bemühten, auch wenn dies nicht in der Absicht der poli- tisch Verantwortlichen lag. Mit dieser Differenzierung werde man den Opfern des SED- Unrechts eher gerecht als mit einem Pauschalverdacht des »Unrechtsstaats«. Frau Schwan verweist darauf, dass auch viele Bürgerrechtler deshalb ihrerseits diesen Beg- riff vermeiden, um nicht pauschal alle Menschen, einschließlich sich selbst, unter mo- ralischen Verdacht zu stellen.
Es hat Opposition gegen die herrschende Ordnung in der DDR zu jeder Zeit gegeben, in ganz verschiedenen Formen, nicht nur den Aufstand von 1953 und dann erst wieder die Bürgerbewegung von 1989. Auch diese Realität müssen wir den jungen Menschen vermitteln.
Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem interfraktionellen Antrag.