Serpil Midyatli zu TOP 33: Flüchtlinge sollen sich in Schleswig-Holstein frei bewegen können
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 17.12.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 33, Residenzpflicht in Schleswig-Holstein aufheben (Drucksache 17/110)Serpil Midyatli:Flüchtlinge sollen sich in Schleswig-Holstein frei bewegen könnenDie SPD-Landtagsfraktion begrüßt den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der die Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge und Asylsuchende fordert. Die Re- sidenzpflicht ist eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit dieser Menschen, deren Nutzen auch aus unserer Sicht fragwürdig ist, da er den Betroffenen Beschränkungen auferlegt, die in einem Missverhältnis zu dem eigentlichen Zweck der Sicherung eines Verwaltungsverfahrens stehen. Sie wirkt außerdem auch diskriminierend: Die Betroffenen werden dadurch isoliert und in ihren Integrationsbemühungen nicht nur räumlich, sondern auch sozial einge- schränkt. In anderen Bundesländern ist der Geltungsbereich der Residenzpflicht daher auf das gesamte Bundesland festgelegt. Dies sollte auch in Schleswig-Holstein mög- lich sein.Ich möchte Ihnen an einem Beispiel die Schwierigkeiten in der Praxis kurz erläutern. Ein afghanisches Flüchtlingskind wird Mitglied in einem Fußballverein – was sehr zu begrüßen ist, da wir ja alle wissen, dass Sport integriert. In Sonntagsreden wird diese integrative Kraft des Sports oft beschworen. Beim ersten Mal, wenn dieses Kind zum Auswärtsspiel fährt, begeht es eine Ordnungswidrigkeit. Beim zweiten Mal kann es schon eine Straftat sein, auf jeden Fall kann es zu Nachteilen im Verhältnis zur Aus- länderbehörde führen.Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Anderes Beispiel: Eine libanesische Flüchtlingsfamilie wohnt in Kronshagen und möchte den neuen Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Herrn Lehnert, zum Essen einladen, um mit ihm über ihre Situation zu sprechen. Für dieses Essen benö- tigt die Familie Zutaten, die es aber nur in den Lebensmittel- und Feinkostgeschäften auf dem Ostufer in Kiel gibt. Zum Einkaufen müssten sie jedoch den Kreis Rendsburg- Eckernförde verlassen. Auch in diesem Falle würde die Familie gegen die Residenz- pflicht verstoßen.Aber auch wenn Herr Lehnert nicht zum Essen kommt, muss die Familie für ihren täg- lichen Einkauf gegen die Residenzpflicht verstoßen. Nun kann man in unserem Bei- spiel sicher auch 40 Kilometer nach Rendsburg fahren und dort einkaufen – wenn man das Geld dazu hat. Wie ist es aber mit der Wahrnehmung von Bildungsangeboten, medizinischer Versorgung, Arbeitsangeboten, Kulturveranstaltungen? Was sollen El- tern ihren Kindern sagen, wenn sie ihrem Kind erklären müssen, dass sein Freund aus der KiTa zwar ihn besuchen darf, er jedoch nicht zu dessen Kindergeburtstag kann, da er in der falschen Straße wohnt, in Kronshagen und nicht in Kiel.Außerdem führt die Residenzpflicht zur unnötigen zusätzlichen Belastung der öf- fentlichen Hand, da die Ordnungsbehörden und die Gerichte mit der Verfolgung die- ser Taten, die Juristen als „Verwaltungsunrecht“ bezeichnen, beschäftigt sind, anstatt sich um die Belange der Bürgerinnen und Bürger kümmern zu können. Mit der Aufhe- bung der Residenzpflicht würden wir somit dazu beitragen, unsere Gerichte zu entlas- ten.In jedem Redebeitrag zur Integration hören wir, wie wichtig es ist, dass die betroffenen Gruppen ihren Beitrag zur Integration leisten sollen. Dann muss man diesen Men- schen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen. So müssen auch Flüchtlinge und Asylsuchende die Möglichkeit haben, Integrations- und Sprachkurse -3-zu besuchen. Gerade in den ländlichen Bereichen ist das Angebot jedoch oft sehr dünn. Wer in Heikendorf wohnt, kann zwar die Kurse der Kreisvolkshochschule in Plön oder in Preetz besuchen, wenn er denn dort hinkommt, da das mit dem ÖPNV ohne Umsteigen in Kiel einer Weltreise gleichkommt. Das Angebot in Kiel, ein paar Bussta- tionen weiter, darf er nicht nutzen, das ist dann „Verwaltungsunrecht“. Und wenn der integrationswillige Ausländer eine Frau ist, die ja besonders angesprochen werden, die deutsche Sprache zu lernen, um selbstständiger zu werden, dann wird es richtig schwierig, wenn die dann auch noch kleine Kinder hat. Denn während die Mutter stun- denlang unterwegs zum Sprachkurs ist, muss sich ja jemand um die Kinder kümmern. Das ist nicht immer möglich, da nicht jeder Ausländer in einer orientalischen Großfami- lie lebt.Es ist immer leicht zu behaupten, der oder die lebt schon seit 3, 4 oder 5 Jahren in Deutschland und kann noch kein Wort Deutsch, die oder der ist daher integrationsun- willig. Wie denn auch, wenn diese Menschen bereits schon in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Daher fordert auch die SPD-Fraktion die Aufhebung der Resi- denzpflicht für Flüchtlinge und Asylsuchende, so dass sie sich in Schleswig-Holstein frei bewegen können.