Ralf Stegner zu TOP 24 + 43: Stärkung der Bildungsstrukturen und -angebote statt Schönrechnerei
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 17.12.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 24 + 43, Qualifizierungsoffensive und Umsetzung des „10-Prozent-Ziels“ / Bildungsfinanzie- rung (Drucksache 17/85, 17/113)Ralf Stegner:Stärkung der Bildungsstrukturen und -angebote statt SchönrechnereiFDP und CDU haben die Wahlkämpfe für den Bundestag und für den Schleswig- Holsteinischen Landtag damit bestritten, dass sie die Haushalte sanieren, die Bildung verbessern und die Bürger entlasten wollen. Das heißt: Sie wollen weniger einnehmen, aber mehr ausgeben, aber zugleich keine neuen Schulden machen. Wie wir bereits heute Morgen ausführlich diskutiert haben: Das könnte ein wenig schwierig werden!Es bringt Sie in Schwierigkeiten, Herr Ministerpräsident, denn die Grausamkeit des Wahlergebnisses hat Ihnen auch im Land die Regierungsverantwortung übertragen und Sie mit der schnöden Wirklichkeit konfrontiert: Sie haben weder die Mittel noch die Konzepte dafür, wie Sie all das, was im Bildungsbereich weitgehend unstrittig zu schultern ist, bewältigen wollen.Dazu gehören – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit: - der Ausbau der Betreuungsplätze für mindestens 35% aller unter Dreijähri- gen, - die qualitative Verbesserung der Ausbildung der ErzieherInnen und ihre bes- sere Bezahlung, - die Sicherung und der Ausbau der Unterrichtsversorgung, - die Umsetzung der Schulreform, auch in ihren materiellen Konsequenzen,Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2- - die Weiterentwicklung der Lehrerbildung und die Sicherung des Lehrernach- wuchses, - die Schaffung neuer Studienplätze, - die bessere materielle Absicherung des Studiums ohne soziale Barrieren, - die Unterstützung der Hochschulen dabei, die neuen Studiengänge nach dem Bologna-System studierbar zu machen, - die Möglichkeit für unsere Hochschulen und Forschungsinstitute, exzellente Forschungsleistungen im internationalen Maßstab zu erbringen.Es gibt noch sehr viel zu tun, um das Missverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit im Bildungsbereich aufzulösen: ⇒ Wir wollen jedem eine Chance geben – tatsächlich grenzen wir viele aus. 2007 haben noch immer 8,7 % der Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. ⇒ Wir brauchen viel mehr Menschen mit guter Qualifikation – tatsächlich ist sowohl der Anteil derjenigen, die das Abitur ablegen, wie derjenigen, die studieren, viel zu ge- ring. Nur 25 % der jungen Schleswig-Holsteiner geht nach der Schule auf eine Hoch- schule; im OECD-Schnitt sind es 56 %. ⇒ Wir wollen faire Chancen – tatsächlich ist Bildung bei uns in Deutschland vom Geldbeutel der Eltern abhängig. ⇒ Wir wollen selbstbewusste, kritische, gut ausgebildete Geister und verfehlen doch die Bedürfnisse und Lebensrealitäten der Kinder und jungen Erwachsenen um Län- gen – einige von Ihnen konnten es gestern im Bildungsausschuss wieder erleben.Dazu gibt es von den Bildungsexperten seit langem klar umrissene Reformvorstel- lungen: Wir brauchen etwa 60 Milliarden € zusätzlich und mit diesen Mitteln sollten hauptsächlich Kinder in den unteren Einkommensschichten gefördert werden. -3-Jetzt gab es mal wieder einen Bildungsgipfel; nach dem Höhenlevel des Ergebnisses zu urteilen, muss dieser Gipfel in Schleswig-Holstein liegen. Zur Lösung dieser Prob- leme hat diese Veranstaltung nur wenig beigetragen. Und man bekommt den Ein- druck, dass die Studierenden und Schüler allerhöchstens deswegen etwas bekommen könnten, weil die Hotelbesitzer CSU und FDP davon überzeugen konnten, dass eine Senkung des Umsatzsteuersatzes für Hotelübernachtungen Deutschland aus der Wirt- schaftskrise führen würde und Bund und Länder die Bildungsausgaben auf den Basar der Kompensationsmöglichkeiten geworfen haben. Aber selbst das ist nicht sicher, wie die Protokollerklärungen einiger Länder eindrucksvoll belegen.Das Thema Bildung bleibt bei dem Hick-Hack um Steuergeschenke für diese und jene auf der Strecke. Noch im vergangenen Jahr hat die Kanzlerin die Bildungsrepublik Deutschland proklamiert und sich mit den Länderregierungschefs auf dem Qualifizie- rungsgipfel darauf verständigt, bis 2015 10 % des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben. So richtig ernst gemeint war das offensichtlich nicht. Wie ist sonst zu erklären, dass die Wirtschaft sich gar nicht eingebunden und damit auch nicht verpflichtet fühlt und doch auf dem Gipfel als feste Größe betrachtet wird?Wie ist es zu erklären, dass man anscheinend inzwischen Berechnungen akzeptiert, die darauf hindeuten, dass dieses Ziel eigentlich schon fast erreicht und der Hand- lungsbedarf gar nicht mehr so groß sei? Da wurde die ursprüngliche Zielzahl von 60 Milliarden Mehrausgaben auf 28 und dann auf 13 Milliarden heruntergerechnet. Schließlich sei das Bruttoinlandsprodukt gesunken und dann wird noch alles in die Bil- dungsausgaben hineingerechnet, was nicht nur mit B wie Bildung anfängt, sondern zum Beispiel auch mit P wie Pensionszahlungen oder A wie Abschreibungen for- schender Unternehmen. -4-Mehr Geld für Bildung kommt so nicht raus. Im Gegenteil. Die großartigen Zusagen des Bundes bleiben nämlich in etwa auf dem ursprünglich bei 60 Milliarden € zugesag- tem Niveau und noch ist ja sowieso und überhaupt nichts fest.Konkret wolle man nämlich erst im nächsten Juni werden – Upps, das ist ja nach der NRW-Wahl. Die Logik ist klar. In den 14 Monaten seit dem Qualifizierungsgipfel schrumpfte die Höhe der zusätzlich notwendigen Investition um etwa 45 Milliarden Eu- ro, also um gut 3 Milliarden Euro pro Monat. Wenn Sie, Herr Carstensen, jetzt noch weitere 6 Monate untätig verstreichen lassen, können Sie, Herr Wiegard, bei den Bil- dungsausgaben sogar noch einsparen.Diese Taktik findet offenkundig die volle Zustimmung der schwarzgelben Regierungs- fraktionen Kiel. Wie anders könnte man es sich erklären, dass die Koalition im Bil- dungsausschuss den von den GRÜNEN vorgelegten Antrag im Vorgriff auf den Bil- dungs-Maulwurfshügel so entkernt, dass die Zielzahl durch Unverbindlichkeiten ersetzt wird?Ich will gerne einräumen, dass zu früheren Zeiten SPD-geführte Bundes- und Landes- regierungen sich auch über Finanzierungsanteile gestritten haben. Aber es ist schon bemerkenswert, mit welcher Einmütigkeit Union und FDP im Wahlkampf für den Bun- destag und für den Landtag vollmundige Versprechungen gemacht haben, die Sie nicht finanzieren können. Jetzt verrenken Sie sich, schieben Gelder hin und her, wer- den statt Bildungsweltmeister Weltmeister in Schönrechnerei und ziehen neben- bei das scharfe Schwert der Protokollerklärungen. Das nützt den Schülerinnen und Schülern, den Studierenden und Deutschland insgesamt wenig. Hier setzen Sie deren Zukunft leichtfertig aufs Spiel. -5-Wir machen diesen Populismus nicht mit. Wir bleiben bei unserer Aussage, dass die Stärkung der Strukturen und Angebote, besonders für Kinder und Jugendliche, Vor- rang haben müssen vor Steuergeschenken an wenige Auserwählte.Der Antrag zur Bildungsfinanzierung ist uns in der Form, wie er von der Regierungs- mehrheit im Bildungsausschuss beschlossen wurde, nicht ausreichend, auch wenn er natürlich in die richtige Richtung geht. Wir werden uns deshalb, genau wie im Aus- schuss, bei der Abstimmung enthalten.