Uli Schippels zu TOP 21 "Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes auf Schleswig-Holstein"
Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin Presseinformation DIE LINKE. Fraktion im Schles- wig-Holsteinischen Landtag Kiel, 17. Dez. 2009 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon 0431 / 9 88 16 02 Es gilt das gesprochene Wort. jannine.menger- hamilton@linke.ltsh.deUli Schippels zu TOP 21 „Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes auf Schles- wig-Holstein“Herr Präsident, meine Damen und Herren, am vergangenen Wochenende ist unser Ministerpräsident - im Gepäck der Fraktionsvorsitzende der FDP – nach Berlin gefahren. Der Kapitän und der selbsternannte Steuermann von Schleswig-Holstein, sie beide hatten eine Audienz bei unser aller Kanzlerin. Als Kapitän und Steuermann kamen sie in Ber- lin an, als Leichtmatrose und Schiffsjunge sind sie nach Schleswig-Holstein zurückgekehrt. Wir alle hatten unseren Ministerpräsidenten nach Berlin geschickt, weil uns das Wasser –in finanzieller Hinsicht- bis zum Hals steht. Durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz steigt das Was- ser so weit, dass das Land Schleswig-Holstein unterzugehen droht. Land unter, weil das vorhandene strukturelle Defizit im Landeshaushalt noch mal um 70 Millionen Euro erhöht wird, Land unter, weil die Kommunen in Schleswig-Holstein zusätzlich mit 60 Millionen EUR pro Jahr belastet werden sollen. Und das alles für ein Gesetz, das zwar den schönen Titel „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ trägt, aber einzig und allein Geschenke der Bundesregierung für Teile ihrer Klientel zum Inhalt hat. Reiche Familien werden überdurchschnittlich entlastet, Hartz-IV-Haushalte bleiben mal wieder auf der Strecke. Erbschaften werden geringer besteuert, wem kommt das wohl zu Gute? Den Hartz-IV-Betroffenen oder den Besserverdienenden? Herr Garg hat gestern in seiner Rede zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und soziale Ausgrenzung seine Sichtweise dargestellt. Armut ist für unseren Sozialminister offensichtlich kein ge- sellschaftliches Problem, das sich durch staatliche Gesetzgebung, z.B. durch eine gerechte Steuer- und Sozialpolitik, durch gesellschaftliche Umverteilung von oben nach unten beseitigen lässt. Für unseren Sozialminister ist Armut offensichtlich ein Naturphänomen. Das sehen wir doch ein wenig anders, um es mal vorsichtig auszudrücken. Armut ist das Ergebnis staat- lichen Handelns, das Ergebnis von Herrschaftsverhältnissen, das Ergebnis von Unterdrückung und Aus- druck derselben. Ich empfehle dem Minister einen kleinen Grundkurs zur „Sozialen Ungleichheit“ am soziologischen Institut der Kieler Uni. Vielleicht hilft das ja. Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist in Wirklichkeit ein Klientelbedienungsgesetz. Und damit die CSU auch zustimmen kann, wird dann noch eine Mehrwertsteuerreduzierung für Hotel- übernachtungen beschlossen. Schlimmer geht es nimmer. 1 Während Artikel für Kleinkinder (z.B. Windeln) mit 19 Prozent zu versteuern sind, werden Hotelüber- nachtungen vom Staat subventioniert, hier sollen nur noch 7 Prozent Mehrwertsteuer zu zahlen sein. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat nichts, aber auch gar nichts mit einer sozial ausgewogenen Politik zu tun. Und diejenigen, die so einem Unsinn auch noch zustimmen, sollten sich schämen. Wir bleiben dabei. Das „Klientelbedienungsgesetz“ muss vom Tisch, und zwar ohne Wenn und Aber. Übrigens ist diese unsoziale Ausdifferenzierung der Mehrwertsteuer keine neue Erfindung der unsozia- len CDU/FDP-Koalition. So hat die damalige Bundesregierung zum 01.01.2008 die Mehrwertsteuer für den Betrieb von Sesselliften und Bergbahnen auf 7 Prozent gesenkt. Das war – denke ich – in Anbet- racht der Dichte von Sesselliften und Bergbahnen in Schleswig-Holstein, nicht auf Druck unseres Mi- nisterpräsidenten erfolgt. Für Kinderautositze müssen dagegen weiterhin 19 Prozent bezahlt werden. Und dann wundern sie sich, dass sie über den demografischen Wandel diskutieren müssen? Wir haben letzte Woche im Finanzausschuss versucht, gemeinsam versucht, zumindest das Schlimmste für unser Land zu verhindern. Wir wollten der Regierung Rückenwind geben für ihre Verhandlungen mit der Bundesregierung. Die Verhandlungsposition von Schleswig-Holstein ist einfach perfekt. Ohne uns geht nichts. Ohne Zustimmung der Landesregierung gibt es weder das unsoziale „Klientelbedie- nungsgesetz“ noch eine zusätzliche Belastung für das Land und unsere Kommunen. Aber wie Schulkinder haben sich unsere Repräsentanten von der Bundeskanzlerin und von Herrn Wes- terwelle abkanzeln lassen. Es soll zwar Hilfe geben, aber genaueres wird vielleicht später geklärt, zum Teil sind die jetzt zugesagten Hilfen schon Bestandteil des Koalitionsvertrages auf Bundesebene. Und wenn die ärmeren Bundesländer ihren Anteil nicht zahlen können, dann fallen auch die Zuschüsse des Bundes weg. Wir hatten gemeinsam mit auf den Weg gegeben, dass es zu einem „angemessenen finanziellen Aus- gleich der Belastungen“ kommen müsse. Wir können den Haushalt nicht halten, wenn uns Berlin immer wieder Knüppel zwischen die Beine wirft. Aber strukturell wirksame Entlastungen hat Schleswig-Holstein in Berlin nicht erreicht. Wenn die Lan- desregierung am Freitag im Bundestag der Abzocke der Länder und Gemeinden durch die Bundesregie- rung zustimmt, dann hat sie schon jetzt genug Schaden für die gesamte Legislaturperiode angerichtet. Sie wird zwar nicht die Verluste durch das HSH-Nordbank Desaster toppen können, aber danach ge- bührt ihnen auf der Regierungsbank gleich der zweite Platz in der Rangliste der Versager. Wir haben deshalb, weil das Scheitern unserer Landesregierung in Berlin droht, einen Änderungsantrag zum Berichts- und Beschlussantrag des Finanzausschusses formuliert. Hier fordern wir noch mal deut- lich: Keine Zustimmung aufgrund halbgarer Zusagen. Das Gezeter von Herrn Koch und von Frau Loedige, das sich damit die Verhandlungsposition in Berlin verschlechtern werde, höre ich wohl. Allein, ich glaube ihnen kein Wort mehr nach ihrem Auftritt im Finanzausschuss! Noch einmal: Wir haben die beste Verhandlungsposition in Berlin, die es gibt. Wenn die Landesregierung es will, dann kann sie die strukturellen Belastungen für Schleswig-Holstein mit einer Abstimmung im Bundesrat um 130 Millionen Euro pro Jahr verringern. Das wäre ihre Pflicht zum Wohle des Landes. Aber in Berlin haben wir leider nur einen Leichtmatrosen und keinen Kapitän als Repräsentanten. Und was das bedeutet, wird das Land und das werden vor allem auch die Kommunen in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren noch öfter zu spüren bekommen. Setzen sie zumindest jetzt ein Zeichen. Stoppen sie den Unfug aus Berlin. Noch ist es nicht zu spät. Stimmen sie unserem Änderungsantrag zu, machen sie Druck auf Berlin. 2