Lars Harms zu TOP 21, 39 - Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
Presseinformation Kiel, den 17. Dezember 2009 Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 21, 39 Anträge zu den Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes sowie zur Ablehnung von Steuersenkungen zu Lasten von Land und Kommunen Drs. 17/82 und 17/15, 69Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Am 08.12. werden Sie in der Frankfurter AllgemeinenZeitung als „störrischer Ministerpräsident“ beschrieben. Einen Tag später schreibt SpiegelOnline, Sie seien „ein renitenter Friese“. Sie sollten dies als Kompliment verstehen. Es istnämlich Ihre Aufgabe als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins zum Wohle dieses Landes undseiner Bürgerinnen und Bürger zu handeln - mit Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen undWeisheit müssen Sie hartnäckig die Ziele verfolgen, die gut für unser Land sind - und um esgleich vorweg zu nehmen, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist es nicht.Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist eine Katastrophe. An insgesamt fünf Stellschraubendreht der Bund ein bisschen herum, um die im Wahlkampf versprochenen Steuergeschenkepünktlich zu Weihnachten Realität werden zu lassen. Die Maßnahmen zur Entlastung derFamilien bestehen aus der Kombination einer Kindergelderhöhung von 20 Euro und der 2Anhebung des Kinderfreibetrags von 6024 auf 7008 Euro. Die Mehrwertsteuer für das Hotel-und Gaststättengewerbe wird auf 7% verringert. An der Unternehmenssteuer wird einbisschen herumgewerkelt. Die Erbschaftssteuer soll in Zukunft Geschwister, Nichten, Neffenund Firmenerben entlasten. Und als Sahnehäubchen des Gesamtkunstwerkes wird derSteuervorteil für reine Biokraftstoffe nicht reduziert und der Entlastungssatz bis 2011fortgeschrieben. Insgesamt kostet dieses Stückwerk 8,5 Milliarden Euro und soll die Wirtschaftwieder ordentlich ankurbeln.Der SSW zweifelt nicht im Geringsten daran, dass wir wieder einen Wirtschaftsaufschwungbekommen werden - dafür brauchen wir aber kein Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Wirbrauchen kein Gesetz, das eine bestimmte Klientel bevorzugt, wir brauchen kein Gesetz, dasdie Umsetzung der Schuldenbremse unmöglich macht und wir brauchen vor allem kein Gesetz,das Schleswig-Holstein dem Bankrott einen weiteren Schritt näher bringt.Herr Ministerpräsident, Sie selbst haben in Ihrer Regierungserklärung einen harten Sparkursangekündigt - und schon heute wissen wir, dass Sie keinen Spielraum mehr haben. Schleswig-Holstein hat einen jährlichen Haushalt von gerade mal 12 Milliarden Euro. Parallel dazuschieben wir einen Schuldenberg von 24 Milliarden Euro vor uns her, der Jahr um Jahr größerwird. Das strukturelle Defizit trifft mittlerweile die Milliardengrenze.Ihre Politik beschränkt sich darauf, dass Sie verwalten, kürzen und sich diktieren lassen. Siewissen genau so gut wie wir, dass die Kassen des Landes und auch der Kommunen blitze blankund völlig leer sind - also warum lassen Sie sich vom Bund übers Ohr hauen, während ganzSchleswig-Holstein zuschaut und uns die Schamesröte ins Gesicht steigt?Sie selbst, Herr Ministerpräsident, haben die Messlatte hoch angelegt, als klar war, dass dasWachstumsbeschleunigungsgesetz das Land mit 70 und die Kommunen mit 60 Millionen Eurobelastet. Sie selbst sind auf die Barrikaden gegangen und haben mit Rücktritt gedroht und 3lautstark verkündet, dass Sie einem solchen Gesetz nicht zustimmen und jetzt knicken Siekleinlaut ein und kriechen unter der Messlatte hindurch.Aus Sicht des SSW ist schon der Inhalt des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes einArmutszeugnis für die Bundesregierung. Familien sollen pro Kind 20 Euro mehr bekommen, diesie am Ende in die KiTa-Betreuung stecken werden, weil den Kommunen das Geld fehlt, umdiese noch zu finanzieren. Der Hartz-IV-Empfänger bekommt diese 20 Euro noch nicht mal zuGesicht. Und obwohl die Hoteliers weniger Mehrwertsteuer zahlen müssen, denken diese garnicht daran, auch die Preise zu senken oder zu investieren, so dass die Urlauber im Endeffektnichts davon haben werden. Nach unserer Auffassung sollte in die Institutionen investiertwerden, in gutes Personal und in die Ärmsten dieser Gesellschaft. Aber von der BedienungBesserverdienender und der Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip halten wir nichts.Ein noch viel größeres Armutszeugnis sind allerdings die Ausgleichsleistungen des Bundes, dieunserem lauthals schreienden Ministerpräsidenten als Schnulli mit Schleifchen dargereichtwerden und die dieser dankbar entgegen nimmt.Zum einen haben wir da die ins Spiel gebrachte Erhöhung des Mehrwertsteueranteils für dasLand - die, eventuell, vielleicht, möglicherweise bei den nächsten Steuergeschenken desBundes 2011 kommen könnte. Bei einer Anhebung um jährlich 50 Millionen Euro haben wir dasProblem der fehlenden 130 Millionen Euro im Landeshaushalt und bei den Kommunen abernoch lange nicht gelöst.Dann könnte es eine Übernahme der Kosten für die Rückabwicklung der Jobcenter geben. Malganz davon abgesehen, dass der Bund selbst ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet hatund jetzt selbstverständlich die Kosten zahlen wird, damit dies geheilt wird, ist es völlig absurd,dass die Kommunen Gelder dafür bekommen sollen, etwas abzuwickeln, was sie aber gernebehalten wollen und was sich wirklich mal als Verbesserung der Sozialpolitik herausgestellthat - und davon gab es ja in den letzten Jahren wirklich nicht gerade viel. 4Weiterhin steht im Raum, Gelder vom Bund für die Bildung zu bekommen. So großartig undgroßzügig sich dies auch anhören mag, werden hier nur bereits vor einem Jahr gegebeneVersprechen eingehalten und dafür wollen Sie Applaus? Mit uns nicht. Es war nie Sinn desBildungsgipfels in Dresden, dass der Bund mehr Geld für die Bildung gibt und die Länderweniger - Sinn des Gipfels war es, dass insgesamt mehr Geld für die Bildung fließt. Wenn derBund jetzt anbietet, den Ländern die zusätzlichen Gelder zu geben und dann Dankbarkeiterwartet, da die Länder jetzt Zinsen sparen würden oder überhaupt Gelder fließen - ist das nurnoch reine Frechheit, die uns gar nichts nützt, wenn es um die Konsolidierung desLandeshaushalts und weitere fehlende Mittel geht. Wer das als Beitrag zurHaushaltskonsolidierung feiert, der führt die Bürgerinnen und Bürger an der Nase herum.Der Finanzausschuss hat in der vergangenen Woche einstimmig beschlossen, dass dieLandesregierung dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz nur zustimmen darf, wenn es eineangemessene, finanziell wirksame Kompensation für die Ausfälle gibt. Aus Sicht des SSW istnirgendwo erkennbar, dass dies bisher geschehen ist. Es geht hier nicht nur darum, dass unszweckgebundene Mittel nicht weiterhelfen, sondern auch darum, dass weder dieEinnahmeverluste des Landes noch der Kommunen kompensiert werden und stattdessen dieEinhaltung von bereits gegebenen Versprechen als der große Wurf verkauft werden. Und auchden Kommunen ist bislang überhaupt nicht geholfen. Die bisherigen Ausgleichsleistungengehen völlig an deren Problemen und Bedürfnissen vorbei.Wir haben in Schleswig-Holstein einen Ministerpräsidenten, der erst groß schnackt und dannin Berlin ein ums andere Mal versagt. Ein störrischer und renitenter Ministerpräsident - der biszuletzt für das Wohl seines Landes kämpft - das wärs gewesen. Sie hätten eine andereVerteilung der Mehrwertsteuer erreichen können, Sie hätten eine vernünftige Hilfe für dieSchuldenbremse erreichen können, Sie hätten 130 Millionen Euro Ausgleichsleitungen desBundes erreichen können. Sie lassen sich aber mit purer Kosmetik abspeisen, die den Unsinn 5Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht verhindert und unser Land wieder einmal Millionenkosten wird, die wir nicht haben.