Birgit Herdejürgen: Karten auf den Tisch, und zwar jetzt!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 20.11.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 7, Umsetzung einer Schuldenbremse für Schleswig-Holstein (Drucksache 17/12)Birgit Herdejürgen:Karten auf den Tisch, und zwar jetzt!Die SPD habe sich immer für eine wirksame Schuldenbegrenzung ausgesprochen, be- tont die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Birgit Herdejürgen. Die- se sollte jedoch in der Landesverfassung verankert werden – nach intensiver Bera- tung. Während es Schwarz-Gelb vor der Wahl nicht schnell genug gehe konnte, soll das Thema jetzt auf die lange Bank geschoben werden. Konkrete Vorschläge sollen lediglich in einer „Haushaltsstrukturkommission“ unter Ausschluss der Opposition bera- ten werden, kritisiert sie. Bis 30. Januar soll die Klage gegen das Verschuldungsverbot im Grundgesetz eingereicht sein. Herdejürgen fordert von der Landesregierung zudem die Vorlage einer mittelfristigen Finanzplanung sowie ein Konzept, wie der Abbau der Neuverschuldung konkret erfolgen soll.Die Rede im Wortlaut: Wir haben ein Neuverschuldungsverbot im Grundgesetz verankert. Die SPD hat sich immer für eine wirksame Schuldenbegrenzung ausgesprochen. Allerdings – auch das war für uns immer klar und darüber waren sich alle Fraktionen in der beendeten Legis- laturperiode einig –: Es gehört, soweit es den Schleswig-Holsteinischen Haushalt be- trifft, in unsere Landesverfassung, nicht ins Grundgesetz.Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Deshalb hat der Landtag seinerzeit beschlossen, ► sowohl eine Schuldenregelung in die eigene Verfassung zu schreiben ► als auch dagegen zu klagen, dass der Bund die Handlungsspielräume des schleswig-holsteinischen Haushaltsgesetzgebers beschneidet.Vor zwei Monaten konnte es der CDU gar nicht schnell genug gehen: „Das Jamaika- Bündnis aus CDU/FDP und Grünen ist heute mit dem verantwortungsbewussten Ver- such, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung einzuziehen, an der SPD ge- scheitert“, polterte der frühere CDU-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul am 16. September im Landtag – und das nur, weil die SPD darauf bestanden hatte, eine Schuldenbremse nicht im Schnelldurchgang vor der Landtagswahl durchzupeit- schen, sondern, dem Ernst eines substanziellen Eingriffs in die Verfassung angemes- sen, ein vernünftiges Gesetzgebungsverfahren durchzuführen. „Wir müssen die Welt in Schleswig-Holstein nicht neu erfinden“, sekundierte Finanzminister Rainer Wiegard; schließlich habe man drei Jahre lang in der Föderalismuskommission intensiv darüber diskutiert.Das war vor der Wahl. So schnell geht es nach der Wahl offenkundig nicht mehr.Jetzt erfahren wir aus dem Antrag von CDU und FDP, dass eine Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung ohnehin nicht ohne einen vorherigen „sach- gerechten“ Plan zur Haushaltskonsolidierung möglich ist, und diesen Plan hat der alte und neue Finanzminister, trotz „dreijähriger intensiver Diskussion“, nicht etwa bereits vorbereitet, nein: „zeitnah“ soll er vorgelegt werden, sprich: wenn er irgendwann fertig ist. Wir haben in unserem Antrag konkrete Termine benannt.Was das eine mit dem anderen zu tun hat, weiß allein die Koalition. Wir werden ab 2011 hart konsolidieren müssen und wir werden das auf Basis eines Neuverschul- -3-dungsverbots tun müssen. Am 15. Juli hat der Landtag beschlossen, dass die Neuver- schuldung ab 2011 jährlich um 10 % gesenkt wird und dass spätestens ab 2020 auch ohne bundesgesetzlichen Zwang jeder Landeshaushalt in wirtschaftlichen Normalla- gen ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommen soll. Nun wollen CDU und FDP, dass erstmal die Mai-Steuerschätzung abgewartet und dann ein „langfristiger Abbaupfad“ vorgelegt werden soll.Konkrete Vorschläge sollen in einer „Haushaltsstrukturkommission“ unter Ausschluss der Opposition beraten werden. Der Ministerpräsident hat harte Einschnitte ange- kündigt, ist Antworten auf die Frage, wie diese aussehen sollen, jedoch bislang schul- dig geblieben.Er werbe um die „Willenskraft der Abgeordneten, die diese Regierung tragen“, sagte er am Mittwoch in der Regierungserklärung. Damit wird er gut beschäftigt sein, denn um die Willenskraft der CDU-Abgeordneten und Regierungsmitglieder war es bislang eher bescheiden bestellt, wenn es darum ging, Beschlüsse in den Wahlkreisen zu verant- worten; ich denke nur an die Verwaltungsstrukturreform.Der Ministerpräsident formuliert, wo er Butter bei die Fische geben sollte, eher nebu- lös: „Interessen einzelner Verbände müssen zurückstehen für das Gemeinwohl!“, also nicht näher benannte „Naturschutzverbände, Sozialverbände, Sportverbände, aber auch Kammern und Stiftungen“.Und darüber wollen die CDU, die immerhin schon viereinhalb Jahre Zeit zum Üben hatte, und die FDP, die immer schon alles besser wusste, noch keine konkreten Vor- stellungen haben? Eine Kommission soll’s richten, aber noch nicht dieses Jahr, son- dern nächstes? Das ist wenig glaubwürdig. Wir meinen: Die Regierung soll die Karten auf den Tisch legen. Jetzt. -4-Der Konsolidierungspfad wird sich an der Verfassung orientieren müssen, nicht umge- kehrt. Und was mehr braucht man, um einen Vorschlag für eine vernünftige Formu- lierung in der Verfassung vorzulegen? Einen Vorschlag, den der Landtag dann in seinen Ausschüssen berät, und der letztlich in eine Entscheidung münden wird, die ein sorgfältig erarbeitetes und breit akzeptiertes Verschuldungsverbot in unserer Verfas- sung verankert.Denn eine Einschätzung des Kollegen Kubicki teile ich nicht: Keine Fraktion, sagte er im September, könne sich „mit der politischen Ausrede aus der Affäre ziehen, dass noch großartiger Anhörungsbedarf zu diesem Gesetzentwurf besteht.“Wir meinen, dass eine Änderung der Verfassung, die künftige Generationen über viele Jahre bindet und die erhebliche Auswirkungen auf die langfristigen Fi- nanzplanungen haben wird, auch der Mitwirkung breiter Teile der Gesellschaft be- darf. Wir wollen, wie wir es bei anderen Gesetzen auch unterhalb von einer Verfas- sungsänderung ebenfalls tun, ein vernünftiges Anhörungsverfahren durchführen.Und aus sozialdemokratischer Sicht, das möchte ich sehr deutlich sagen, sind Anhö- rungen nicht „politische Ausreden“, sondern wir schätzen sie als Instrument zur Betei- ligung wichtiger gesellschaftlicher Gruppen! Das mag die FDP anders sehen.Gestern, am 19. November, haben sich die Fraktionen beim Landtagspräsidenten dar- auf verständigt, dass in Umsetzung des Landtagsbeschlusses bis zum 30. Januar die Klage gegen das Verschuldungsverbot im Grundgesetz eingereicht wird.Nicht akzeptabel wäre für uns, wenn die CDU nun zuerst die Vorlage eines konkreten Vorschlags mit den erstaunlichsten Begründungen herauszögerte, um danach mit nicht minder merkwürdigen Argumenten auf ein beschleunigtes Verfahren ohne Anhö- -5-rung und Beteiligungsmöglichkeiten zu dringen. Ein Eilverfahren werden wir dieser Frage ebenso wenig akzeptieren, wie wir es im September getan haben.Die Äußerungen des Kollegen Koch vom 10. September, nach denen für die CDU eine Schuldenbremse in der Landesverfassung noch vor der Klageerhebung stehen müsse, sind mir noch im Ohr.Wir sollten jetzt, damit ist es uns ernst, zügig und mit aller gebotenen Sorgfalt eine Schuldenregelung für unsere Landesverfassung beraten und deutlich machen, dass wir zu unseren Beschlüssen stehen. Wir fordern die Landesregierung auf, bis Januar einen Formulierungsvorschlag vorzulegen.Wir fordern, dass die Regierung endlich eine mittelfristige Finanzplanung vorlegt. Schließlich ist der Finanzminister nicht neu im Amt und gerade der notwendige Konso- lidierungspfad sollte im Parlament intensiv diskutiert werden.Man kann nicht einerseits Verantwortung des gesamten Parlaments einfordern und es auf der anderen Seite möglichst lange aus den jeweiligen Entscheidungsprozessen heraushalten. Die Festlegung von Zeiträumen für die Konsolidierung, die Steuerungs- instrumente, der Umgang mit konjunkturellen Schwankungen – all das bedarf der Mitwirkung des gesamten Parlaments. Es geht um substanzielle Änderungen und es geht um ihre Umsetzung, und zwar für einen langen Zeitraum. Gerade die Vor- schläge der FDP in Bezug auf die Ausgestaltung der Detailregelungen würden wir sehr gern hören und frühzeitig in die Beratungen einbeziehen.Die Landesregierung weiß nun schon etwas länger, ► dass eine Schuldenbremse in die Landesverfassung aufgenommen werden soll und -6-► dass der Landtag ein Konzept erwartet, wie der Abbau der Neuverschuldung konkret erfolgen soll. Das haben wir gemeinsam beschlossen und dazu muss man, wie Minister Wiegard ausführte, die Welt nicht neu erfinden. Für die Verzögerungsversuche und das Herum- geeiere der Koalition habe ich wenig Verständnis.Legen Sie Ihr Konzept vor, legen Sie einen Formulierungsvorschlag für die Landesver- fassung vor und lassen Sie uns dann konkret in die Diskussion einsteigen!