Icon Hinweis

Unsere Website befindet sich zurzeit im Umbau. Es kann zu kürzeren Ausfällen oder einer ungewohnten Darstellungsweise kommen.

Wir beeilen uns! Vielen Dank für Ihr Verständnis!

Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
27.10.09
11:25 Uhr
Landtag

Rede des Alterspräsidenten Lothar Hay am 27.10.2009 im Schleswig-Holsteinischen Landtag

143/2009 Kiel, 27. Oktober 2009


Rede des Alterspräsidenten Lothar Hay am 27.10.2009 im Schles- wig-Holsteinischen Landtag

Meine Damen und Herren!
Es ist guter Brauch in diesem Hause, dass der Alterspräsident vor dem Aufruf des nächsten Tagesordnungspunktes einige grundsätzliche Bemerkungen an das neu zusammengetretene Parlament richtet.
Gestatten Sie mir wenige, eher persönliche Worte. Ich bin seit 1992 Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Als Landespolitiker habe ich in den 17 Jahren viel Erfreuliches miterleben dürfen. Ich habe zu Beginn meiner parlamentarischen Arbeit aber auch Unangenehmes als Mitglied eines Untersuchungsausschusses be- gleiten und gerade in den zurückliegenden Jahren Turbulenzen und weniger Erfreuli- ches mit erfahren müssen. Sie wissen alle, vom Fraktionsvorsitzenden zum Innenmi- nister bis hin zum Alterspräsidenten im Landtag kann es in Schleswig-Holstein ein kurzer Weg sein. Dabei habe ich Menschen nie nach ihrer Gesinnung beurteilt, sondern nur nach ih- rem Charakter. Der heutige Tag darf jedoch kein Moment des Verharrens in der Vergangenheit sein. Es gilt den Blick nach vorn zu richten.
Der neue gewählte Landtag hat den Auftrag und er besitzt die Chance, die gewalti- gen Herausforderungen, vor denen unser Land steht, durch eine konstruktive parla- mentarische Arbeit in den Fraktionen anzupacken. Ich wünsche mir, dass sich bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe die parteipolitische Rivalität auf die Diskussio- nen und den Kampf um das Durchsetzen der besten Ideen beschränkt bleibt.



Schleswig-Holsteinischer Landtag, Postfach 7121, 24171 Kiel ▪ V.i.S.d.P.: Annette Wiese-Krukowska, awk@landtag.ltsh.de, Tel. 0431 988 - 1116 oder 0160 - 96345209; Fax 0431 988-1119 ▪ www.sh-landtag.de → Presseticker 2

Lassen Sie mich es noch deutlicher sagen: Aus einer politischen Gegnerschaft und Konkurrenz im Kampf um die Sache darf keine Feindschaft, auch keine persönliche Feindschaft, erwachsen. Dies ist unserer parlamentarischen Demokratie unwürdig und schadet ihr immens.
Aber ich will meinen Gedanken noch etwas weiter ausführen. Natürlich bestimmen die neue Landesregierung und die sie stützenden Regierungsfraktionen im Landtag maßgeblich die politischen Geschicke für unser Land. Sie tragen mit der Verantwor- tung aber auch eine Bürde. Diese wird in den nächsten Jahren gewiss nicht leichter. Die landespolitische Arbeit, wenn sie erfolgreich gestaltet werden soll, ist deshalb auf den ungehinderten Zustrom guter Ideen angewiesen. Sie ist daher auch angewiesen auf Vorschläge und Anregungen, die von den in der Opposition befindlichen Fraktio- nen stammen. Die endgültigen Ergebnisse in der Politik beweisen immer wieder: Niemand hat die Weisheit ganz für sich allein gepachtet!
Ich habe jedenfalls in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender und Minister in den ver- gangenen Wahlperioden wiederholt die Erfahrung gemacht, dass gute und unkon- ventionelle Vorschläge auch von anderer Seite kommen können. Gerade in unserem jetzt zusammengetretenen 6-Fraktionen-Parlament, das sich in seiner parlamentari- schen Arbeit neu finden muss, tun alle politisch Beteiligten – tut auch die Regie- rungsseite – gut daran, sich der gedanklichen Arbeit anderer Fraktionen nicht aus grundsätzlichen Erwägungen zu verschließen, sondern durchaus gute Ideen zu ver- nehmen oder gar zu anzunehmen.
Harte und kritische Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Argumenten - ja, aber in der Tonlage angemessen und in der Sache fair und konstruktiv. Das ist meine Bit- te im Umgang miteinander. Dem Erscheinungsbild des Schleswig-Holsteinischen Landtages ist das sicherlich dienlich.
Denn das Ergebnis der Landtagswahlen, die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler, hat es mit sich gebracht, dass die von allen zu tragende Gesamtverantwor- tung in einem Parlament mit nun sechs Fraktionen neu austariert werden muss, wol- len wir nicht allein Partikular- und Klientelinteressen Vorschub leisten. Die Bürgerin- nen und Bürger jedenfalls haben kein Verständnis für undurchsichtiges Taktieren um des minimalen Vorteils Weniger.
Lassen Sie mich meinen Gedanken aber noch ein wenig darüber hinausgehend wei- ter entwickeln. Wir erinnern in wenigen Tagen an die zwanzigjährige Wiederkehr des Falls der Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland. In ihrem tiefen Kern ist die darauf folgende Vereinigung der beiden Teile Deutschlands eine Erfolgsgeschichte 3

geworden. Auch Schleswig-Holstein und der Landtag haben einen Beitrag zum guten Gelingen geleistet. Darauf können wir zu Recht alle stolz sein.
Dennoch ist noch nicht alles Trennende in den Köpfen mancher – pessimistischere Stimmen sagen in den Köpfen vieler – überwunden. Sicherlich muss da und dort nachjustiert werden. Aber die vielzitierte „Mauer in den Köpfen“ ist mir ein zu starkes Bild. Denn die Frage ist: Dokumentiert diese Mauer auch ein starres und einheitli- ches Bild? Ich habe da einige Zweifel. Die Gegensätze scheinen mir in vielen Fällen eher stimmungsmäßige, gefühlsmäßige Vorbehalte zu sein, die auf graduellen Un- terschieden landsmannschaftlicher Mentalitäten beruhen.
Warum erwähne ich das? Ich glaube, dies vermeintlich Trennende, diese Pflege von Gegensätzen erleben wir gerade in der Landespolitik immer dann, wenn regionale Landesteile unter subtil emotionaler Betonung eines landsmannschaftlichen Aspek- tes ihre Interessen positionieren. Interessant ist für mich dabei stets zu beobachten, wie innerfraktionell und zugleich interfraktionell Schulterschlüsse entstehen. Ich will hier ausdrücklich keine Beispiele nennen. Es geht hier und heute auch nicht um das Zuweisen von Verantwortung oder Nicht- Verantwortlich-Sein für das Erschweren oder Finden guter übergreifender Lösungen. Ich will aber darauf verweisen, dass mit der rituellen Pflege von Gegensätzen, von Besonderheiten, von regionalen oder gar lokalen Eigenheiten, die in Ansprüche und Besitzstandswahrung umgemünzt wer- den, die Politik unser Land nicht zukunftsfähig gestalten kann.
Schleswig-Holstein ist das einzige über Jahrhunderte historisch gewachsene Bindestrich-Land innerhalb unseres föderalen Bundesstaates. Ein Land, in dem die zwei Landesteile Schleswig und Holstein – gemäß ihrem historischen Leitsatz „up ewig ungedeelt“ – ihre unverbrüchliche Einheit stets aufs Neue bekräftigt haben. Wir sollten diese staatliche Einheit der Landesteile Schleswig und Holstein nicht durch Kleinteiligkeit im Denken und Handeln schwächen.
Heimat und die Verbundenheit mit dieser ist für uns alle ein wichtiges Gut. Aber ob Lübecker, Dithmarscher, Eiderstedter, Kieler, Flensburger, Angeliter, Südschleswi- ger, Fehmaraner, Lauenburger, Steinburger oder Nordfriese, den es in der verwal- tungspolitischen Begrifflichkeit ja erst seit der Gründung des Kreises Nordfriesland 1970 gibt, wir sind zu allererst Schleswig-Holsteiner und als solche haben wir Ent- scheidungen im Landtag im Sinne des Gesamten, des ganzen Landes zu fällen. Daran zu denken, bitte ich Sie alle sehr herzlich.
Ich bin aber kein Illusionär: Natürlich sind alle Abgeordnete in gewisser Hinsicht klei- ne Ich-AGs und als solche ihren Regionen und ihren Wählerinnen und Wählern ver- 4

pflichtet. Sie möchten, wollen und müssen ihren Wahlkreisen Gutes tun. Wer das verkennt, versteht nicht, wie die Mechanismen von Realpolitik wirklich funktionieren. Doch viele künftig zu treffende Entscheidungen werden allein schon aufgrund der finanzpolitisch katastrophalen Lage Einschnitte nach sich ziehen und schmerzhaft sein. Der daraus resultierende öffentliche Druck wird uns allen begegnen. Daher soll- ten wir versuchen, Interessenabwägungen mit Augenmaß vorzunehmen und vertre- ten, um das Gesamte im Blick zu behalten.
Die gesamte finanzpolitische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Lande er- fordert, dass Schleswig-Holstein ein kleinteiliges Denken und Handeln nach alt ver- trauter Manier und überkommenen Handlungsmustern nicht mehr verkraften kann. Politik nach diesem Muster würde nur zu einem weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit führen.
Wir müssen aufhören in Kirchtürmen zu denken!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Begriff Fraktion entstammt dem lateinischen Wort fractio und heißt übersetzt so viel wie „Teil“ oder „Bruchteil“. Die politischen Fraktionen in diesem Hause sollten sich als Teil des Ganzen verstehen, die einem gemeinsamen Ziel verpflichtet sind, auch wenn sie dorthin verschiedene Wege beschreiten wollen.
Die Politik muss für Schleswig-Holstein zukunftsfähige Antworten finden. Das ist mit die vornehmste Kernaufgabe des Parlaments, des neuen Landtages. Und in diesem Zusammenhang beziehe ich mich gern auf ein Zitat von Hermann Hesse: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“ Wir sollten das Unmögliche trotz und gerade wegen unserer unterschiedlichen Positionen ge- meinsam versuchen.
Lassen wir uns nicht beirren: Es geht nicht um die Macht um der Macht willen. Es geht um die gute Zukunft unseres Landes.
Und für diese wünsche ich uns allen ein erfolgreiches Arbeiten in dieser 17. Wahlpe- riode.