Lars Harms zu TOP 28 - Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss
Presseinformation Kiel, den 16. September 2009 Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 28 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Drs. 16/2829Ich möchte erst einmal vorausschicken, dass die Arbeit des ParlamentarischenUntersuchungsausschusses bisher sehr gut funktioniert hat. Wir haben schnell und zügiggearbeitet und die Arbeit so weit vorangetrieben, wie es irgend ging. Auf diese Arbeit wird einneuer Parlamentarischer Untersuchungsausschuss in der neuen Wahlperiode nahtlosaufbauen können und die drei derzeitigen Oppositionsparteien, FDP, Grüne und SSW, haben jaschon angekündigt, dass sie das Handeln der ehemaligen Landesregierungen auf jeden Fallweiter untersuchen wollen.Betrachtet man die Erkenntnislage, wie sie sich jetzt darstellt, so muss man natürlichfeststellen, dass wir noch nicht alles wissen können, aber dass sich im Laufe auch gerade deröffentlichen Diskussionen manche These verhärtet hat. Des Weiteren sind aber manche neueBaustellen hinzu gekommen, die vom bisherigen Untersuchungsauftrag noch nicht erfasstworden sind. Beispielhaft sei hier der Themenkomplex rund um die Bonuszahlungen undAltersvorsorgezahlungen an Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank genannt. Vor diesem 2Hintergrund sollten wir schnell klären, inwieweit diese Komplexe mit in den zukünftigenUntersuchungsauftrag in der neuen Wahlperiode aufgenommen werden können.Wir können feststellen, dass die HSH Nordbank in eine nie vorstellbare Krise geraten ist. Werdafür verantwortlich gemacht werden kann und welche Verfehlungen es gegeben hat, kannman erahnen. Aber trotzdem muss natürlich die Untersuchung durch den ParlamentarischenUntersuchungsausschuss abgeschlossen werden. Vorher kann es deshalb keine endgültigenFestlegungen geben. Aber natürlich will ich zumindest Aussagen darüber treffen, wie derbisherige Erkenntnisstand ist. Will man das ganze Ausmaß der Krise begreifen, reicht es nicht,sich nur mit der Krisenbewältigung der letzten zwei, drei Jahre zu befassen. Die Gründe für dieKrise liegen tiefer.Betrachtet man nämlich den politischen Weg in die Krise der Bank, muss man weit vorheransetzen. Rund um die Jahrtausendwende entschloss man sich sowohl in Schleswig-Holsteinals auch in Hamburg dazu, aus den beiden Landesbanken eine internationale Geschäftsbank zumachen. Man hatte schon vorher Erfahrungen mit Risikogeschäften gemacht und natürlichwaren auch internationale Geschäfte den beiden Landesbanken nicht fremd. Aber jetzt solltedas Ganze in eine „Reinkultur“ überführt werden. Die Landesbanken sollten fusioniert unddann anschließend privatisiert werden. Hier begann nach unserer Auffassung der Irrweg derbeiden Landesbanken. Die Fusion beider Banken an sich hätte grundsätzlich erst einmal nichtssonderlich geändert. Aber die Zielsetzung, private Investoren mit einsteigen zu lassen unddann später das Bankhaus börsenfähig zu machen, führte naturgemäß dazu, dass derRenditedruck übermäßig stieg. Es musste auf Teufel komm raus mehr und mehr verdientwerden. Die Marge einer normalen Landesbank mit ihrem öffentlichen Auftrag reichte da nichtmehr aus. Deshalb war die Betrachtung der Marktchancen für die Bankmanager wichtiger alsdas Wahrnehmen von Risiken. Und diese Betrachtungsweise kam natürlich auch derMentalität der Banker näher. Gerade aus diesen Gründen war es erst möglich, dass dasRisikomanagement nicht so funktionierte, wie bei anderen Banken. 3Als dann der private Investor J.C. Flowers mit ins Boot genommen wurde, verstärkte sich dieseTendenz. Man war auf Gedeih und Verderb dem Renditedruck ausgesetzt. Schließlich will soein privater Investor über kurz oder lang ja Geld sehen. Und die ständigen Verlautbarungen,man wolle das Institut an die Börse bringen, erhöhten den Druck noch mehr. Dass dann schonmal die Risikoeinschätzung nicht die große Rolle spielte, ist zumindest verständlich. DieseBörsengeilheit vernebelt noch heute bei manchen die Sicht auf das Wesentliche. Auch undgerade wegen dieser Strategie des Börsengangs, hat die damalige schwarz-roteLandesregierung die Chance, die Bank unter den Schirm der Bundesregierung zu stellen, imHerbst 2008 nicht wahrgenommen. Wir können auf jeden Fall feststellen, dass der Drang nachPrivatisierung und die Börsenorientierung maßgeblich dazu beigetragen haben, dass dieProbleme der HSH Nordbank so groß geworden sind. Das ist ein Faktum, das sich auch jeder,der diesen Weg massiv vorangetrieben hat, vor Augen halten muss.Die Ausweitung der Krise der HSH Nordbank lässt sich grob in drei Phasen einteilen. Einmal dievor 2005, dann die Phase zwischen 2006 und 2008 – als die Krise richtig durchschlug undscheinbar niemand hier richtig reagierte – und dann zum Schluss die Zeit ab 2008, als es darumging, zumindest das Schlimmste vom Land Schleswig-Holstein abzuhalten. Die Phase bis 2005habe ich gerade eben schon versucht, ein wenig zu beschreiben. Sie war gekennzeichnet vomPrivatisierungswahn – anfangs einer roten und später einer rot-grünen Landesregierung. Unddieser Privatisierungswahn wurde damals sogar noch von der Opposition aus CDU und FDPübertroffen. Hier konnte es nicht schnell genug gehen und die Bank stellte sich hierauf ein. Indieser Zeit wurde beispielsweise das so genannte Schnellankaufverfahren installiert. Für diegenaue Überprüfung von Investitionen war anscheinend keine Zeit mehr und es musste einVerfahren eingeführt werden, dass diese Entscheidungen verkürzte. Dabei wurde dieRisikobetrachtung mehr und mehr ausgeblendet. Allerdings wurde Anfangs zumindest immernoch nachträglich eine genauere Überprüfung der Investments durchgeführt, wie uns auch dasehemalige Vorstandsmitglied Herr Waas deutlich machte. Dieses Verfahren war erheblich 4risikoreicher als vorherige Vorgehensweisen, aber es funktionierte – noch. Man kann sagen,dass bis 2005 oberflächlich noch alles in Ordnung war. Die Bankgeschäfte warfen Gewinne abund die Finanzmarktblase war noch nicht geplatzt. Den politisch Verantwortlichen dieser Zeitkann man somit bis dahin keine großen Vorwürfe machen.Ab 2006 wird das Handeln der Bank dann aber noch risikoreicher. In meinem Beispiel mit denSchnellankäufen, wird auf eine nachträgliche Prüfung und nachträgliche Genehmigung derGeschäfte verzichtet. Anscheinend soll alles noch schneller gehen und mit eingehendenRisikobetrachtungen wollte man sich nicht aufhalten. Spätestens hier hätten die Anteilseignerzumindest intervenieren müssen. Insbesondere als die Bank ins Trudeln gerät. Schon 2007machte die HSH Nordbank ein Milliarden-Minus – weit vor der Krise um Lehman-Brothers –und hier wäre es die Aufgabe der Aufsichtsgremien gewesen, einzuschreiten. Insbesondere derFinanzminister, als fachlich zuständiger Minister in diesem Bereich, hätte hier handeln müssen.Stattdessen trudelte die HSH Nordbank immer mehr und man überließ Entscheidungen lieberden Bankern. Damit konnten die Interessen des Landes in dieser Phase gar nichtBerücksichtigung finden. Ein katastrophales Armutszeugnis der damaligen Regierung!Im Laufe der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses kamen gerade aus demZeitraum 2005 bis 2008 immer wieder neue Erkenntnisse auf den Markt, die weder ein gutesLicht auf die Bank noch auf das Krisenmanagement der Landesregierung und desFinanzministers warfen. Als Stichworte seien das Kreditersatzgeschäft oder das Engagementder Bank in Steuerparadiesen zu nennen. Es wird natürlich die Aufgabe des ParlamentarischenUntersuchungsausschusses sein, hier dunkle Flecken zu erhellen. Aber eines können wir jetztschon sagen: Die Vertreter des Landes waren entweder nicht gut genug informiert oder abersie haben nicht die richtigen Fragen gestellt und sie haben vor allem nicht ausreichendsteuernd eingegriffen. Das ist das, was man zumindest jetzt feststellen kann. Und das ist schonein Versagen der Landesregierung. 5Aber nichts ist so schlimm, als dass man es nicht noch schlimmer machen kann. Das jedenfallsist ja das Motto der Landesregierung der letzten 4 Jahre gewesen. Und diesem Motto ist sieauch bei der HSH Nordbank treu geblieben.Im Herbst 2008 spitzte sich die Lage zu. Milliarden-Fehlbeträge der Bank führten zu einerDiskussion über Stützungsmaßnahmen für die HSH Nordbank. Relativ schnell wurde klar, dassder Bund Gelder und Garantien geben könnte. Bundesfinanzminister Steinbrück hat sowohlschriftlich als auch in öffentlichen Verlautbarungen deutlich gemacht, dass 3 Milliarden EuroFinanzhilfe und 10 Milliarden Euro Garantien durch die Länder Schleswig-Holstein undHamburg nicht die einzige Alternative der Unterstützung für die Bank gewesen wären. Auchder Bund wäre im letzten Herbst bereit gewesen, hier einzuspringen. Dies hätte allerdings zurFolge gehabt, dass der Landesbankensektor neu geordnet worden wäre und wir vielleicht vomBörsengang der Bank hätten Abstand nehmen müssen. Auch konnte man sich des Eindruckesnicht erwehren, dass sich die CDU-Ministerpräsidenten nicht vom SPD-Finanzminister in dieBankenbücher schauen lassen wollten. Wohl auch aus diesen Gründen wurde die für unserLand teurere und risikoreichere Stützungsvariante gewählt. Die Banker hat´s gefreut, denn sogalten anfangs die Einschränkungen bei Bonuszahlungen nicht für die hiesigen Bankfachleute.Für den Landeshaushalt kann diese Entscheidung aber unabsehbare Folgen haben, wenn zumBeispiel die Einlassungen vom ehemaligen Wirtschaftsminister Marnette stimmen, dassMilliardenlöcher bei der Bank verschleiert werden.Apropos Freuden der Banker. Schon im Jahr 2007 hatte die HSH Nordbank schwere Verluste inMilliardenhöhe zu tragen. In 2008 verschlimmerte sich die Lage des Instituts zusehends. Wennin einer solchen Lage dann ein Bankmanager im Herbst 2008 einen Vertrag bekommt, der überdas Festgehalt hinaus noch weitere Leistungen in Höhe von 2,9 Millionen Euro vorsieht, dannfragt man sich, wer für eine solch schlechte Verhandlung die Verantwortung trägt. Gleichesgilt auch für die Vorstandsbezüge, die bisher über die magische Grenze von 500.000 Eurojährlich hinaus gingen und erst kürzlich verhandelt worden sind. Wo war da Finanzminister 6Wiegard? Es kann doch nicht sein, dass Bankmanager so viel Geld bekommen, ohne dass dasRisiko für das Land vollständig auf Null gefahren ist. Auch hier hätten die strengen Regelungendes Bundes gelten müssen. Diese Vorgänge lassen derzeit nur eine Schlussfolgerung zu: DieLandesregierung und der Finanzminister waren hier vollkommen überfordert. Und wenn mandann die Festlegung der Bedingungen, wann eine Bonuszahlung an die Vorstände auszuzahlenist, auch noch den Bankiers überlässt, dann wird dass Versagen der Landesregierung mehr alsoffenkundig!Meine Damen und Herren, ich möchte mit einer Zukunftsbetrachtung abschließen. Wir habenfestgestellt, dass der Drang nach Privatisierung und die Börsenorientierung maßgeblich dazubeigetragen haben, dass die Probleme der HSH Nordbank so groß geworden sind. Derzeit hältdie Landesregierung aber trotzdem an ihrem Ziel der Börsenfähigkeit fest. Nach unsererAuffassung muss genau überlegt werden, ob wir damit nicht wieder genau die gleicheunsägliche Spirale in Gang setzen wie vor einigen Jahren. Vielleicht ist es besser, erst einmalinne zu halten und auch die Fusion mit anderen Landesbanken ins Auge zu fassen. Dabei sindalle Rechtsformen möglich, aber eine maßgebliche Beteiligung des Bundes darf auch nichtausgeschlossen sein. Politisch gesehen sollten wir alles versuchen, alte Fehler nicht zuwiederholen. Und wenn es um die Klärung der Verantwortlichkeiten in der HSH Nordbank-Krise geht, steht der SSW zu seinem Wort: Wir wollen auch in der neuen Wahlperiode einenParlamentarischen Untersuchungsausschuss.