Karl-Martin Hentschel zur Schaffung von 40.000 Arbeitsplätzen in Schleswig-Holstein
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 338.09 / 05.08.2009 Die Krise als Chance: 40.000 neue Jobs in Schleswig-Holstein durch Grüne Ideen!Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat im Juli 2009 eine zweitägige Klausur durchge- führt. Ziel der Klausur war es, die Ergebnisse des Autorenpapiers „Auf Zukunft setzen“ von Fritz Kuhn, Renate Künast und Jürgen Trittin kritisch anhand der Situation in Schles- wig-Holstein zu diskutieren und die Arbeitsmarkteffekte des „Grünen Gesellschaftsvertra- ges“ („Green New Deal“) auf den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein abzuschätzen.Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Karl-Martin Hentschel:Wir befinden uns in einer dreifachen Krise: Die Wirtschafts- und Finanzkrise, die Klima- veränderung und eine Gerechtigkeitskrise. Immer mehr Menschen empfinden unsere Ge- sellschaft als ungerecht und verlieren teilweise sogar das Vertrauen in den Staat.Diese Probleme dürfen nicht getrennt nacheinander, sondern müssen zusammen ange- packt werden. Deshalb haben die Grünen im Bundestagswahlprogramm den „Grünen Gesellschaftsvertrag“ (Green New Deal) formuliert. Mit Investitionen in Klimaschutz, Zu- kunftstechnologien, Bildungssektor, Betreuung und Gesundheitswesen und durch Impulse für den Arbeitsmarkt soll ein integriertes Paket geschnürt werden, um zugleich die Kon- junktur zu beleben. Diese Idee ist unabhängig voneinander von mehreren Vordenkern wie Al Gore in den USA und Sir Nicholas Stern (ehemals Chefberater der englischen Regie- rung) formuliert worden.Anfang der 30-er Jahre reagierte Roosevelt auf die Weltwirtschaftskrise mit dem „New Deal“, einem Investitions- und Sozialprogramm, das entscheidend dazu beitrug, die Krise zu überwinden und die Demokratie in den USA (anders als in Europa) stabil zu halten, Seite 1 von 4 während die Krisenprogramme in Europa zu Diktaturen und Krieg führten. Nach dem Krieg war die USA wirtschaftlich erstarkt wie kein anderes Land.Der Blaumann muss Grün werden!Wir Grüne sagen deshalb: Gerade jetzt in der Krise brauchen wir einen neuen Aufbruch, der die Menschen mobilisiert, die Wirtschaft anschiebt und das Land ökologischer und so- zialer gestaltet. Wenn wir sowieso in den kommenden Jahrzehnten auf erneuerbare E- nergien umstellen müssen, warum tun wir es nicht jetzt? Wir brauchen eine grundlegende Ökologisierung der Wirtschaft, von der Chemie- bis zur Autoindustrie, von den Werften bis zur Landwirtschaft. Der Blaumann muss Grün werden! Und wenn wir wissen, dass wir in Zukunft den Bildungssektor und in den Gesundheitssektor investieren müssen, warum stellen wir nicht jetzt dafür die Weichen?In einer konservativ gerechneten Analyse, die das Konzept basierend auf zahlreichen Studien bundesweit durchrechnet, kommen die AutorInnen des Grünen Gesellschaftsver- trages auf zirka 1 Mio. neue Arbeitsplätze, die in den kommenden Jahren entstehen kön- nen. Für Schleswig-Holstein kamen wir bei einer sehr vorsichtigen Abschätzung zu dem Ergebnis, dass mindestens 40.000 neue Arbeitsplätze in vier Jahren entstehen können. Damit würde Schleswig-Holstein von einem solchen Programm sogar überproportional profitieren, weil Schleswig-Holstein in zwei zentralen Zukunftsfeldern, dem Gesundheits- sektor und den erneuerbaren Energien, überproportional vertreten ist.Sektor/Branche Zusätzliche Arbeitsplätze Deutsch- davon 3,4 Prozent Schleswig- land Holstein Erneuerbare Energien 200.000 6.800 13.000 und Energieeffizienz Gebäudesanierung 150.000 5.100 5.000 Landwirt- 30.000 1.000 1.000 schaft/Biobranche Kreislaufwirtschaft 25.000 850 500 (Ressourcen) Bildung und Betreu- 185.000 6.300 4.500 ung Gesundheit und Pfle- 150.000 5.100 7.000 ge Sozialer Arbeitsmarkt 60.000 2.000 2.000 Abbau von Schwarz- 200.000 6.800 3.000 arbeit Kultur/Tourismus ? ? 4.000 Gesamt 1.000.000 zirka 34.000 zirka 40.000Die vorgeschlagenen Maßnahmen setzen sich aus finanziellen Anreizen und ordnungs- rechtlichen Maßnahmen des Bundes, flankiert von einer Reihe von Maßnahmen auf Lan- desebene zusammen. Beim Land kommt es dabei auf gezielte ergänzende Fördermaß- nahmen, auf die Vernetzung von Akteuren (z. B. durch die WTSH und die Innovationsstif- tung Schleswig-Holstein) und auf die Sicherung der Kreditvergabe durch die Landesinsti- tute Investitionsbank, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft, Bürgschaftsbank sowie die HSH Nordbank und die Sparkassen an. 2 Im Kern geht es jetzt darum, für die Anschubfinanzierung von Maßnahmen die Krise zu nutzen. Anstatt weitere Investitionsprogramme zur Stabilisierung von Bau- und Autowirt- schaft aufzulegen, sollte konsequent in die Zukunft investiert werden. Die Maßnahmen sind so konzipiert, dass sie mittelfristig zu mehr Einnahmen und weniger Ausgaben des Landes führen. Die Maßnahmen im Bereich Ökologie versprechen rasche Rendite durch Energieeinsparungen, insbesondere bei steigenden Energiepreisen. Die Maßnahmen im Bereich Bildung versprechen eine mittelfristige Rendite. Die Maßnahmen im Bereich Ar- beit rentieren sich durch abnehmende Soziallasten. Wir setzen dabei bewusst auf ein konzertiertes Vier-Jahres-Programm, um im Gegensatz zur Strohfeuer-Konjunkturpolitik der großen Koalition Zukunftsinvestitionen zu verstetigen.Neun Handlungsfelder:1. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz (13.000 Arbeitsplätze):In Schleswig-Holstein ist insbesondere die Branche der Windindustrie weit überproportio- nal vertreten – und zwar sowohl im Anlagenbau, bei den Dienstleistungen wie auch bei der Zahl der Anlagen, die gewartet werden müssen. Bei den Anlagen rechnen wir in den kommenden zehn Jahren mit einer Vervierfachung der Kapazität. Der eigentliche Durch- bruch steht aber erst bevorsteht – gerade im Solar-, im Offshore-Sektor und beim Ausbau der Netze.2. Gebäudesanierung (5.000 Arbeitsplätze):Wichtigste Aufgabe ist die Gebäudesanierung im Bestand. Um in 40 Jahren alle Häuser auf Niedrigenergiestandard zu bringen, muss die Sanierungsquote von 0,6 Prozent pro Jahr auf mindestens zwei Prozent gesteigert werden. Die Programme müssen sowohl Ei- genheimbesitzerInnen ansprechen, aber auch Anreize für VermieterInnen und für Miete- rInnen schaffen. Auch bei den öffentlichen Gebäuden ist das Potenzial enorm.3. Landwirtschaft/Biobranche (1.000 Arbeitsplätze):Die gesamte Biobranche von der Erzeugung über die Verarbeitung bis zum Vertrieb boomt unverändert. Schleswig-Holstein hat Nachholbedarf. Aber selbst mit einer deutlich besseren Förderung wird der Sektor langsamer als anderswo wachsen, weil die BäuerIn- nen in Schleswig-Holstein wohlhabender sind, so dass die Anreize zur Umstellung gerin- ger sind.4. Kreislaufwirtschaft (500 Arbeitsplätze):Der Markt für die Wiedergewinnung von Rohstoffen aus Abfall, dem Einsatz von erneuer- baren Rohstoffen und der Wasseraufbereitung wird sich weltweit verzehnfachen. Auch Schleswig-Holstein wird daran teilhaben, wenn auch etwas unterproportional aufgrund der schleswig-holsteinischen Wirtschaftsstruktur.5. Bildung und Betreuung (4.500 Arbeitsplätze):Insbesondere die Betreuung von Kindern unter drei Jahren wird bis 2013 durch die ge- 3 setzliche Verpflichtung um ein vielfaches wachsen. Auch im Hochschulbereich und im Weiterbildungsbereich muss zusätzlich investiert werden. In den Schulen wird der päda- gogisch bedingte zusätzliche Bedarf durch die demografische Entwicklung überwiegend kompensiert, aber für den Übergang zu Ganztagsschulen sind Betreuungskräfte nötig. Entscheidung ist die Finanzierung – wofür wir die Umwandlung eines Teils des auslaufen- den Soli „Aufbau Ost“ in einen Bildungssoli vorschlagen.6. Gesundheit und Pflege (7.000 Arbeitsplätze):In den vergangenen Jahren wurde das Gesundheitssystem vor allem als Kostenfaktor ge- sehen. Umgekehrt aber wird ein Schuh daraus. Der Gesundheitssektor und der Pflege- sektor gehören zu den Wirtschaftszweigen mit den größten Wachstumsraten. Dafür müs- sen die Weichen gestellt werden. Das gilt ganz besonders für Schleswig-Holstein. Denn hier sind fast alle Bereiche der Gesundheitswirtschaft von der Medizintechnik über die Krankenhausversorgung, den Reha-Bereich bis hin zu Wellness-Angeboten weit überpro- portional vertreten.7. Kultur und Tourismus (4.000 Arbeitsplätze):Tourismus ist der wachstumsstärkste Dienstleistungssektor, der in Schleswig-Holstein ei- ne besondere Rolle spielt. Die Trends gehen jedoch in Richtung Kurzurlaub mit den Schwerpunkten Kultur, Wellness, Natur und Städtetourismus – weg vom traditionellen Strandurlaub. Nachdem die Tourismuswerbung erheblich verbessert wurde, muss nun die Qualität der Angebote im Vordergrund stehen.8. Sozialer Arbeitsmarkt (2.000 Arbeitsplätze):Zirka 400 000 Menschen sind in den ersten Arbeitsmarkt nicht integrierbar, da sie in Be- zug auf Arbeitstempo, -qualität oder -kontinuität nicht die volle Leistung bringen können. Diese Menschen können aber durchaus vollwertige Arbeit leisten. Dazu soll ein sozialer geförderter Arbeitsmarkt eingerichtet werden – sowohl durch Integrationsbetriebe, aber auch durch Integration in normale Firmen.9. Abbau von Schwarzarbeit (3.000 Arbeitsplätze):Millionen Menschen arbeiten schwarz, gerade im haushaltsnahen Bereich. Die Grünen plädieren deshalb für eine Neuorganisation des Arbeitsmarktes durch progressive Sozial- abgaben im unteren Lohnbereich, Erhöhung des Einbehalts bei Zuverdiensten und eine drastische Senkung der Bürokratie für Kleinunternehmen. *** 4