Heiner Garg: So nicht, Vattenfall!
FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Nr. 249/2009 Vorsitzender Dr. Heiner Garg, MdL Kiel, Donnerstag, 23. Juli 2009 Stellvertretender Vorsitzender Dr. Ekkehard Klug, MdL Sperrfrist: Redebeginn Parlamentarischer Geschäftsführer Günther Hildebrand, MdL Es gilt das gesprochene Wort!Wirtschaft/ Energie/ AKW KrümmelHeiner Garg: So nicht, Vattenfall! In seinem Redebeitrag zu TOP 1 (Regierungserklärung zum AKW Krümmel) sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Dr. Heiner Garg:„Am 28. Juni 2007 meldet Vattenfall zwei Störfälle in ihren Atomkraftwerken in Schleswig-Holstein. Zunächst fährt das AKW Brunsbüttel nach einem Kurzschluss herunter. Gut eineinhalb Stunden später brennt in der Anlage Krümmel ein außerhalb des Reaktorgebäudes gelegener Trafo, das Kraftwerk geht per Schnellabschaltung vom Netz. Am 6. Juli 2007 teilt das Schleswig-Holsteinische Sozialministerium als zuständige Atomaufsicht mit, dass es im Reaktor zu einem Feuer kam, dabei Rauch in die Kontrollwarte drang, kurz die Eigen-Stromversorgung des Reaktors ausfiel und nicht alle Computerdaten gespeichert wurden. Vattenfall räumt 9 Tage nach dem Störfall in Krümmel eigene Fehler ein. Es habe ein Missverständnis beim Personal gegeben, die Kommunikation mit Atomaufsicht und Öffentlichkeit sei nicht zur aller Zufriedenheit gewesen, aber es werden die notwendigen Konsequenzen gezogen. Zwei Jahre lang steht der Reaktor des AKW Krümmel daraufhin still. Unzählige Male hat sich der Landtag mit dem Reaktor beschäftigt, unzählige Male berichtete die Sozialministerin im Sozialausschuss über die umfassenden Maßnahmen, die Vattenfall in enger Abstimmung mit dem Atomaufsicht vornimmt. Wir haben uns intensiv mit Rissen in Absaugleitungen auseinandergesetzt, haben über Risse in Armaturen erfahren und uns gemeinsam über nicht-fachgerechte Dübelverbindungen gewundert. Das Ministerium hat immer wieder erklärt, dass es einem Wiederanfahren der Anlagen erst dann zustimmen wird, wenn alle anfahrrelevanten Probleme gelöst sind. Der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zum Wiederanfahren wurde dann im Juni 2009 genehmigt und am 19. Juni 2009 wurde der Reaktor im AKW Krümmel wieder hochgefahren. Am 1. Juli 2009 Krümmel geht nach gut einer Woche bereits wieder vom Netz. Die Turbine der Anlage schaltete sich nach Angaben von Vattenfall automatisch ab. Auslöser war der Ausfall eines Eigenbedarftransformators. Einige Stunden später wird die Anlage mit verminderter Leistung wieder aktiviert. Nach Aussage des Betreibers soll dieser Zwischenfall durch menschliches Versagen ausgelöst worden sein. Nur drei Tage später, am 4. Juli 2009 um Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 12.02Uhr steht Krümmel nach einer Schnellabschaltung wieder still. Es gab einen Kurzschluss in einem Transformator. Es kommt zu Stromausfällen in Hamburg und Kiel. Zudem stellte sich heraus, dass ersten Untersuchungen zufolge eine vorgesehene Überwachungseinrichtung des Maschinentransformators vor dem Wiederanfahren nicht installiert worden. Und genau wie vor zwei Jahren räumt Vattenfall eigene Fehler ein. Es habe ein Missverständnis beim Personal gegeben, die Kommunikation mit Atomaufsicht und Öffentlichkeit sei nicht zur aller Zufriedenheit gewesen, aber es würden die notwendigen Konsequenzen gezogen.Für mich steht zum einen fest, dass von Zuverlässigkeit des Betreibers schlicht nicht mehr geredet werden kann. Zugleich wirft dieser erneute Störfall im AKW Krümmel die Frage auf, welche Konsequenzen dies für den Betreiber hat. Denn offenbar haben sich nur zwei Dinge geändert. Zunächst hat Vattenfall in den ersten 40 Minuten nach dem Störfall nicht die zuständige Atomaufsichtsbehörde informiert, sondern die Polizei – warum auch immer. Und zweitens hat Vattenfall diesmal etwas schneller die eigenen Fehler einräumt.Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: So geht das nicht, Vattenfall! Wenn die Atomaufsicht den Störfall von der Polizei erfährt, wenn der Vattenfall-Europachef Hattaka von dem Störfall vom Ministerpräsidenten erfährt, dann ist das nicht nur eine Kommunikationspanne, sondern genau das führt dazu, dass das Vertrauen in den schwedischen Staatskonzern massiv schwindet.Und es stellt sich die Frage, was ist eigentlich im AKW Krümmel in den zwei Jahren Stillstand passiert? Warum und auf welcher Grundlage hat die zuständige Atomaufsicht im Sozialministerium die Genehmigung zum Wiederanfahren des Reaktors erteilt? Warum hat sich das AKW Krümmel nach zwei Jahren intensiver Fehlerbehebung unter Aufsicht der zuständigen Behörde aufgrund desselben Fehlers wie vor zwei Jahren erneut abgeschaltet?Am 28. November 2008 berichtete Sozialministerin Trauernicht (Umdruck 16/3721) dem Landtag, dass die Schadensursache für den damaligen Trafobrand geklärt ist, für den verbrannten Trafo AT01 ein Ersatztrafo eingebaut worden ist, die Gebrauchsfähigkeit der Trafos AT01 und AT02 ist festgestellt worden ist und die Leistungsschalter AC01 und AC02 jeweils durch einen andersartigen Typ ersetzt worden sind. Ist aber tatsächlich die damalige Störungsursache vollständig aufgeklärt worden und sind tatsächlich alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung des reibungslosen Weiterbetriebes abgeschlossen worden? Offenbar nicht. Denn ich höre nun, dass sich Vattenfall mit dem TÜV-Nord streitet. So hatte Vattenfall kürzlich erklärt, der Trafo sei von Sachverständigen und Gutachtern untersucht worden und es habe keine Beanstandungen gegen die Betriebssicherheit gegeben. Die TÜV-Gutachter widersprechen dem nun vehement. Die Aussage sei nur an die Bedingung geknüpft, dass eine neue Sicherheitseinrichtung installiert wird. Dies allerdings ist entgegen den Absprachen gerade nicht geschehen, wie Vattenfall selbst hat einräumen müssen. So sagte der Kommunikationsleiter von Vattenfall Europe, Ivo Bannek, am 8. Juli im Interview mit Deutschlandradio: „Und nun ist festgestellt worden nach dem Wochenende, dass wir hier eine Überwachungseinrichtung, die wir dort hätten einbauen sollen und die wir auch einbauen wollten, nicht eingebaut haben, weil offenbar im Kraftwerk nicht nachverfolgt wurde, ob dieser Einbau, der technisch eigentlich keine aufwendige Sache ist, auch durchgeführt wurde.“ Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Warum nicht? Und warum blieb es eigentlich der Atomaufsicht verborgen, dass diese Sicherheitseinrichtung nicht installiert wurde? Wie konnte unter diesen Umständen eine bedenkenlose Abnahme erfolgen und die Genehmigung zum Wiederanfahren erteilt werden? Hat es überhaupt eine fachliche Begleitung des Anfahrprozesses seitens der Atomaufsicht in Kiel gegeben?Ich erwarte, dass diese TÜV-Kritik Konsequenzen haben wird. Diese Äußerungen müssen dringend in die Überprüfung der Zuverlässigkeit des Betreibers einbezogen werden. Aber ich erwarte auch, dass die zuständige Atomaufsicht im Kieler Sozialministerium aufklärt, warum diese offenbar in gegenseitigem Einvernehmen getroffene Vereinbarung nicht eingehalten wurde und warum das Wiederanfahren genehmigt wurde, obwohl die Sicherheitseinrichtung nicht installiert wurde. Möglicherweise stellt sich Vattenfall ja sogar zu Recht auf den Standpunkt, dass diese Vereinbarung zwar nicht eingehalten wurde, aber es keinerlei Konsequenzen nach sich zieht, dass sie es nicht getan haben. Denn der Transformator und damit auch die geplante aber nicht installierte davor geschaltete Sicherheitseinrichtung unterliegt nicht der atomrechtlichen Aufsicht.Das führt doch aber zu der absurden Situation, dass ein nicht nukleares Anlagenteil auf dem Werksgelände mit erheblichen Einfluss auf die Funktion des Reaktors im Aufsichtsvakuum liegt und damit offenbar nur der Eigenverantwortung des Betreiber unterliegt. Und das heißt in der Konsequenz auch, dass die von der Schleswig- Holsteinischen Atomaufsicht mit Vattenfall im Einvernehmen verabredeten Maßnahmen demnach weder hätten durchgesetzt noch kontrolliert werden können. Meiner Ansicht nach hätte sich das Sozialministerium als Verwaltung nach dem Trafobrand 2007 auf jeden Fall einer Handlungsform bedienen müssen. Zum Beispiel eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, die die Durchsetzung der "verabredeten" Maßnahmen an den Trafos und deren Kontrolle erlaubt hätte. Warum ist das nicht passiert? Und in diesem Zusammenhang war es sicherlich wenig hilfreich, das der SPD- Bundesumweltminster Sigmar Gabriel sofort nach dem erneuten Störfall die Forderung aufgestellt hat, die Atomaufsicht von den Ländern an den Bund zu übertragen. Dass hierbei zwangsläufig der Eindruck entstanden ist, dass das Schleswig-Holsteinische Sozialministerium schlechte Arbeit geleistet hat, war seitdem offenkundig.Wo Menschen und Technik aufeinander treffen, da passieren Fehler. Das ist so. Aber bei dem Betrieb eines Atomkraftwerkes können solche Fehler fatale Folgen haben. Hier sind in ganz besonderer Weise Sicherheit, Zuverlässigkeit sowie Vertrauen in den Betreiber dringend geboten. Der Schwedische Staatskonzern Vattenfall hat hiermit nicht nur in Krümmel offenbar massive Schwierigkeiten. Ich habe für die FDP-Fraktion bereits am 16. Juli 2008 im Plenum des Landtages gefordert, mit der Bundesregierung und mit den Kernkraftwerksbetreibern Vattenfall und E.ON in konkrete Verhandlungen einzusteigen, um ein angemessenes Verfahren zu finden, mit dem es gewährleistet ist, die Reststrommengen von älteren Reaktoren wie Krümmel auf neuere Anlagen, wie z. B. Brokdorf, zu übertragen. Nach dem Atomgesetz ist dies möglich, setzt allerdings einen Konsens aller Beteiligten voraus. Dieser Ernergiekonsens muss herbeigeführt werden – und zwar in einem unideologischen, unaufgeregten und stattdessen sachlichen Verfahren. Ich erwarte daher von der Sozialministerin eine konstruktive Sacharbeit und konkrete Gespräche mit der Bundesregierung und den Kraftwerksbetreibern statt populistischer Lippenbekenntnisse. Und daher fordere ich Landesregierung auf, mit der Bundesregierung und mit den Kernkraftwerksbetreibern Vattenfall und E.ON in konkrete Verhandlungen einzusteigen, um ein angemessenes Verfahren zu finden, mit dem es gewährleistet ist, § 7 Absatz 1b Satz 1 des Atomgesetzes zur Anwendung zu bringen.Das Verfahren muss so ausgestaltet sein, dass zum einen ältere, von Stillständen und Ausfällen betroffene Anlagen frühzeitig vom Netz genommen werden können,Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 gleichzeitig aber gewährleistet ist, dass die in Anlage 3 nach § 7 Abs. 1a des Atomgesetzes festgelegte Gesamtsumme der Reststrommenge ausgeschöpft wird.Wir müssen uns ernsthaft und vor allem sachlich mit dieser Thematik auseinandersetzen. Ich bin absolut nicht der Auffassung der SPD, dass sich dieses Thema auf ein Wahlkampfthema reduzieren lässt. Dazu ist es einfach zu bedeutsam. Und mich stört auch das Auftreten des SPD-Bundesumweltministers in dieser Frage ganz erheblich. Vielleicht sollte er anstatt mit dem Finger immer nur auf andere zu zeigen, einfach mal das Atomgesetz lesen. Denn es steht ganz glasklar im Gesetz, dass der Widerruf der Betriebsgenehmigung wegen erwiesener Unzuverlässigkeit des Betreibers sofort möglich ist. Wenn Herr Gabriel will, dann kann er Krümmel sofort dichtmachen. Und genau das sollte er dann auch tun. Jetzt in den Medien zu verbreiten, die Vattenfall-Kunden sollten schnellstmöglich den Anbieter wechseln, ist gelinde gesagt ein Armutszeugnis. Und wenn Herr Gabriel krampfhaft mit diesem Thema und mit dem Schüren von Ängsten in der Bevölkerung versucht, Wahlkampf zu machen, dann lassen Sie mich eines auch ganz deutlich sagen. Diese ewige Behauptung, die FDP will, dass alle Atomkraftwerke in Deutschland länger am Netz sind, ist schlichtweg falsch. Die Schleswig-Holsteinische FDP hat auf ihrem Landesparteitag am 2. Dezember 2006 folgenden Beschluss gefasst, der für jeden nachlesbar ist: „Die FDP Schleswig-Holstein hält am Ausstiegsbeschluss fest. Eine Verlängerung der Laufzeiten über die gesetzlich vereinbarte Restlaufzeit hinaus ist angesichts der vollkommen ungeklärten Frage der Entsorgung hochradioaktiven Restmülls nicht zu verantworten.“ Dieser Beschluss ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten. Und genau aus diesem Grund habe ich mich auch über den Beschluss des Bundesparteitages der FDP vom 15. bis 17. Ami 2009 in Hannover zum Thema Atomkraft gefreut. Denn die Bundes-FDP hat beschlossen: „Wir brauchen die Kernenergie als Übergangstechnologie, bis erneuerbare Energien in ausreichendem Umfang grundlastfähigen Strom erzeugen können oder die CO2- Abscheidung und -Einlagerung für Kohlekraftwerke im großtechnischen Maßstab zur Verfügung steht. Die Laufzeiten sicherer Kernkraftwerke müssen daher in diesem Sinne verlängert werden.“Aus Sicht der FDP müssen konkret die folgenden Maßnahmen ergriffen werden: 1. Als erstes muss eine sofortige neue Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers unter Berücksichtigung der neuen Vorfälle durchgeführt werden. Warum trat exakt derselbe Fehler nach zwei Jahren Stillstand erneut auf? Warum wurde die Überwachungseinrichtung des Maschinentransformators nicht installiert? Warum wurde die vereinbarte Audioüberwachung nicht installiert? Warum wurde die Atomaufsicht nicht informiert?2. Wenn den Atomaufsichtsbehörden gesicherte Kenntnisse vorliegen, dass der Betreiber unzuverlässig ist, dann muss der Bundesumweltminister die Betriebsgenehmigung sofort Widerrufen.3. Sollten sich Bundes- und Landesatomaufsicht überlegen, ob das Genehmigungsverfahren tatsächlich noch zeitgemäß ist, oder ob entsprechende Änderungen vorzunehmen sind.4. Muss die Landesregierung mit der Bundesregierung und mit den Kernkraftwerksbetreibern Vattenfall und E.ON in konkrete Verhandlungen einsteigen, um ein angemessenes Verfahren zu finden, dass ganz konkret die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel frühzeitig vom Netz genommen werden können, gleichzeitig aber gewährleistet ist, dass die im Atomgesetz festgelegte Gesamtsumme der Reststrommenge dahingehend ausgeschöpft wird, dass die Reststrommengen der beiden Kraftwerke auf Brockdorf übertragen werden“, so Garg abschließend.Christian Albrecht, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: presse@fdp-sh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/