Anke Spoorendonk zu TOP 38c - Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode
PresseinformationKiel, den 17.07.2009 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 38c Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode (Drs. 16/2801(neu))Seit über zwei Jahren, seitdem klar ist, dass diese Koalition inhaltlich am Ende ist, fordert derSSW im Landtag und auf Parteitagen Neuwahlen. Die Große Koalition hat uns wahrlichausreichend Gründe gegeben, ein Ende des Bündnisses zu begehren. Ich lasse mal dahingestelltsein, ob die SPD jetzt gerade am Mittwoch wirklich den entscheidenden Impuls zum Bruch derKoalition geliefert hat, oder ob es nicht eher eine von langer Hand geplante Aktion der CDU ist,die kalendarische motiviert ist. Denn letztlich ist es gleichgültig. Diese Koalition ist am Ende, weilder eine Bündnispartner ausgestiegen ist. Das müssen alle im Landtag und im Land so zurKenntnis nehmen.Vor diesem Hintergrund unterstützt der SSW alle Initiativen, die vorzeitige Neuwahlenherbeiführen, und wir haben uns ganz selbstverständlich dem vorliegenden Antragangeschlossen. Für das Land Schleswig-Holstein und seine Menschen bedeutet ein vorzeitigesEnde dieser Koalition keinen Verlust, sondern einen politischen Frühling, einen Neuanfang. Das,was Schleswig-Holstein in den letzten vier Jahren von der Großen Koalition geboten wurde, warmit Sicherheit nicht im Sinne der Wählerinnen und Wähler. Insofern ist es höchste Zeit, dass sie 2wieder das Wort erhalten. Das Parlament muss Verantwortung für das Land übernehmen unddiese verkorkste Wahlperiode endlich beenden.Denn es war weiß Gott eine verkorkste 16. Wahlperiode, deren Ende wir in der kommendenWoche besiegeln wollen. Am Anfang stand der hinterhältige Sturz der Ministerpräsidentin durcheinen politischen „Heckenschützen“, der sich bis heute in diesem Saal versteckt hält. Es gibt vieleMutmaßungen über die Motive dieser Tat: neben persönlichen Beweggründen wurde auch überdie Furcht vor der Instabilität einer sehr knappen Mehrheit spekuliert. Letztlich wissen wir esnicht. Aber was wir mit Sicherheit wissen ist: Das, was stattdessen folgte, war alles andere alshandlungsfähig und stabil. Der SSW hatte seine Bereitschaft zur Tolerierung einer Minderheits-regierung 2005 damit begründet, dass wir eine Große Koalition verhindern wollten, weil diesenicht gut für das Land wäre. Die CDU und die SPD haben es auf herausragende Art geschafft,unsere Vorurteile voll und ganz zu bestätigen.Die Große Koalition hat einen entscheidenden Webfehler: Sie kann sich nicht auf politischeLösungen für wichtige Probleme verständigen; sie bedeutet zumeist Stillstand und zuweilenfaule Kompromisse. Dies wurde zuletzt paradoxerweise gerade dadurch deutlich, dass die CDUund die SPD sich beim letzten Koalitionsausschuss auf massive Einsparungen einigen konnten.Es klappte nur, weil die SPD durch ihre Angst vor Neuwahlen gelähmt war und deshalb demDiktat der CDU wenig entgegenzuhalten hatte. Unter normalen Bedingungen einer GroßenKoalition mit zwei starken Partnern wäre dies niemals möglich gewesen. Bei normalerBetriebstemperatur produziert eine Große Koalition keine großartigen Lösungen, sondernallenfalls Lauwarmes.Ich gestehe zu, dass es seit 2005 auch Fortschritte gegeben hat. Die Intensivierung dergrenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Dänemark ist richtig und wichtig. Auch dasVerhältnis Schleswig-Holsteins zum Vatikan war seit der Reformation nicht mehr so herzlich wieheute. Aber der größte Teil der letzten vier Jahre ist mit Streitigkeiten vergeudet worden:Schülebeförderungsgebühren, Kostenlos-Kita, Haushaltssanierung, Nichtraucherschutz, 3Schuldenbremse, Beamtenbesoldung, Verwaltungsreform, Entbürokratisierung, HSH-Nordbank,Personalabbau, Atomenergie. Diese zentralen politischen Themen verbindet in Schleswig-Holstein ein gemeinsamer Nenner: Konflikt zwischen der CDU und der SPD. Das Ergebnis dieserAuseinandersetzungen war in der Regel nur viel verschwendete Arbeitszeit. Das Leuchtturm-projekt des Scheiterns war die Kreisreform; das traurigste Beispiel ist das Aus für einebundesweit vorbildliche Justizreform. Die Liste der verpassten Chancen ließe sich beliebig langfortsetzen.Die Landesregierung wird nun natürlich auf das neue Schulgesetz verweisen wollen, und damithat sie auch Recht. Die Einführung der Gemeinschaftsschulen, für die sich der SSW seitJahrzehnten einsetzt, ist der größte Erfolg dieser Wahlperiode. Aber die Schulreform istgleichzeitig auch ein Paradebeispiel für das CDU-SPD- Elend, sie trägt den Makel der GroßenKoalition. Weil man sich nicht einigen konnte, wurden SPD-Schulen (sprich: Gemeinschafts-schulen) und CDU-Schulen (sprich: Regionalschulen) eingeführt, und auch in der nachfolgendenbildungspolitischen Debatte - vor allem, wenn es um die Ausstattung der Schulen ging - vertratjeder die Interessen der eigenen Schulform. Modern und zukunftssicher sieht anders aus.Die glühenden Anhänger einer Großen Koalition, die 2005 von großen Taten träumten unddeshalb nicht zuletzt auf den SSW einprügelten, wurden enttäuscht. Die Große Koalition hatkeine großen Taten vollbracht und keine schwierigen Reformen bewältigt, im Gegenteil. Bei denallermeisten Problemen ist Schleswig-Holstein einer Lösung kein Stück näher als beiRegierungsantritt 2005. Das Gesamtwerk dieser Regierung trägt den Titel „Die Unvollendete“.Eigentlich spricht es ja fast schon wieder für die beiden großen Parteien, dass sie sich kaumdarauf verständigen können, dass ein Schimmel weiß ist. Eigentlich widerspricht es ja den üblenStammtischparolen von „ist egal, wen man wählt, die sind doch alle gleich“. Aber dies ist keineEntschuldigung für fehlende politische Kompromisse, und dies ist zugegebener Maßen beiweitem nicht die einzige Erklärung für dieses Trauerspiel. Natürlich hat die persönliche Chemieauch eine Rolle gespielt – und natürlich gibt es nicht einen guten und einen bösen Jungen in 4diesem Spiel. Sowohl Peter Harry Carstensen als auch Ralf Stegner haben in den vergangenenJahren ihre Schattenseiten offenbart und nach Kräften zum Scheitern beigetragen.Der Chef der Regierung hat sich jahrelang damit begnügt, als Landesvater über Dörfer undMarktplätze zu tingeln, und Körperkontakt zum Bürger mit bürgernaher Politik zu verwechseln.Zu den wichtigen landespolitischen Themen schwieg er. Als die Finanzkrise und ihre Folgenentschlossenes politisches Handeln forderten, zauderte er und überließ die Arbeit anderen. Wirhaben jetzt vier Jahre lang einen Ministerpräsident erlebt, der auf Volksfesten zur Hochformaufläuft, aber politisch versagt. Herr Carstensen hat gestern einen Rücktritt mit der Begründungzurückgewiesen, dies sei für einen erfolgreichen Ministerpräsidenten absurd. Angesichts derBilanz seiner Regierung stellt sich allerdings die Frage, ob Herrn Carstensen eigentlich derUnterschied zwischen politischem Erfolg und persönlicher Popularität bewusst ist. Wenn wirPeter Harry Carstensen einmal politisch erlebt haben, dann ging es um die Vertretung seinermachtpolitischen Interessen in Partei und Koalition. Auch der vermeintlich friedvolleMinisterpräsident hat es nicht immer vermocht, den Schafspelz ganz zu schließen.Der Chef der SPD seinerseits hat keine Gelegenheit ausgelassen, sich vom Koalitionspartner undinsbesondere vom Ministerpräsidenten abzugrenzen. Spätestens seitdem die Große Koalitionden Fehler beging, den Ministerpräsidenten in spe Ralf Stegner vom Innenminister zum SPD-Fraktionsvorsitzenden zu befördern, liefen die Dinge endgültig aus dem Ruder. Immer wiedersprach Ralf Stegner wie ein Oppositionsführer, griff den Bündnispartner CDU feindselig in denInhalten an, um anschließend doch mit der Koalition zu stimmen. Immer wieder wurden dieBürgerinnen und Bürger Zeugen von undiplomatischen und teilweise überheblichenpersönlichen Bemerkungen über den Ministerpräsidenten und andere Koalitionspartner. Stegnerhat selbst dann weiter provoziert, als längst klar war, dass er damit einen Koalitionsbruchriskierte und das Klima belastete.Wäre das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, nur ein Film gewesen, dann würde man esals rabenschwarze Tragikomödie bezeichnen. Ein Werk, das vermutlich von der Kritik wegen 5seiner absurden und unrealistischen Elemente zerrissen worden wäre. Im wirklichen Lebennennt man es Große Koalition. Sie wird hoffentlich für sehr viele Jahre wieder vom Spielplanverschwinden, denn sie tut unserem Land nicht gut.Ich möchte nicht verhehlen, dass ich in den letzten Jahren auch anderes gesehen habe. Ich kannverstehen, dass es unter diesen Bedingungen für diejenigen schwierig ist, die trotzdem nochversuchen, eine korrekte Politik zu machen und Ergebnisse zu erzielen. Denn diese GroßeKoalition besteht nun einmal aus mehr als zwei mimosenhaften Streithähnen. Aber ich werfeallen Großkoalitionären vor, dass sie an der Macht festgehalten haben, obwohl für dieBürgerinnen und Bürger kaum etwas herauskam und obwohl bei der Bewältigung wichtigerpolitischer Probleme wertvolle Zeit vergeudet wurde. Das hat Schleswig-Holstein nicht verdient,und das haben die Wählerinnen und Wähler bestimmt nicht so gewollt.Eine Koalition, die sich nicht einig werden kann, und die diese Uneinigkeit wechselseitig durchmehr oder weniger persönliche Angriffe auf den Koalitionspartner zu Markte trägt, hat keineweitere Chance verdient. Seit vielen Monaten erleben wir nun einen unversöhnlichen Dauer-konflikt zwischen der CDU und der SPD, bei dem sich die Partner mit allem bewerfen undbeschießen, was die politische Waffenkammer hergibt. Es reicht!Mittlerweile kann sich niemand mehr der Illusion hingeben, dass die beiden Parteien wiederfriedvoll miteinander leben, geschweige denn gemeinsam Projekte durchführen können. Nichteinmal die Beteiligten selbst glauben noch daran; das hat der Ministerpräsident ja schondeutlich gezeigt, als er am 24. April Neuwahlen offerierte. Die SPD hat diesen Scheidungsantragignoriert, aber nun legt die CDU-Landtagsfraktion nach und macht nochmals deutlich, dass dereinzige Ausweg einen Trennung ist. Die Beziehung ist am Ende.Leider haben das nicht alle Beziehungspartner verstanden. Die SPD benimmt sich gerade wie einEhepartner, der hilflos von einer rosenroten Zukunft träumt, während der andere schon dieUmzugskisten aus der gemeinsamen Wohnung trägt. Im wirklichen leben wirkt so etwas 6bestenfalls Mitleid erregend, aber meistens nur peinlich. Wacht auf, liebe Kolleginnen undKollegen, ihr seid verlassen worden!Es gibt kein Zurück mehr. Selbst ein krankhafter Optimist kann sehen, dass es nur schief gehenkann. Angesichts der nahenden Wahlen werden sich die betreffenden Herren weniger denn jedas Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. In der Großen Koalition würden die SPD und dieCDU sich bis zum 9. Mai 2010 gegenseitig provozieren, sich geläutert zeigen, sich wieder bis aufsBlut gereizt, sich wieder zusammenrissen hätten und so weiter. Diese Spirale dreht sich schonseit zwei Jahren abwärts und die Bürger fragen immer mehr, wozu sie eigentlich eine Landes-regierung benötigen, wenn diese keine Politik machen kann. Wir brauchen eineLandesregierung, aber diese Landesregierung ist nicht zu gebrauchen.Man muss kein Politologe sein, um festzustellen, dass das Vertrauen in die Integrität der Landes-politik in den letzten Monaten auf dem tiefsten Punkt seit Jahrzehnten angekommen seindürfte. Dazu hat das CDU-SPD-Bündnis nach besten Kräften beigetragen. Wir brauchen einenNeuanfang, jetzt! Deshalb appellieren wir nochmals an die Kolleginnen und Kollegen der SPD:Vergesst alle Träume von einer glücklichen Beziehung mit der CDU. Es reicht nicht einmal mehrfür ein Zweckbündnis, deshalb gebt Eure Stimme für die Auflösung des Landtags!Sollte die SPD sich einer Auflösung des Parlaments verweigern, dann erwarten wir, dass PeterHarry Carstensen die Konsequenz aus der CDU-Initiative zieht. Er muss dann den Weg zuNeuwahlen freimachen, indem er dem Landtag die Vertrauensfrage stellt. Wir SSW-Abgeordneten garantieren dem Ministerpräsidenten, dass wir ihm nicht unser Vertrauenaussprechen werden.