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16.07.09
12:30 Uhr
B 90/Grüne

Angelika Birk zu den Landesunterkünften für Flüchtlinge

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP 21 – Landesunterkünfte für Flüchtlinge Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin 24105 Kiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Angelika Birk: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Humanitäre Verantwortung Nr. 302.09 / 16.07.2009
übernehmen und Integration fördern Die Antwort der Landesregierung auf unsere große Anfrage zu den Flüchtlingsunterkünften in Lübeck und Neumünster benennt nun einige Probleme schriftlich, die uns von Flüchtlingsorga- nisationen schon lange bekannt sind. Sie weißt aber auch Lücken auf, über Probleme, die mir bei meinen Besuchen in den Unterkünften mitgeteilt wurden und von denen ich mich selbst ü- berzeugen konnte. Der Bericht macht deutlich: Zu viele Flüchtlinge und Asylsuchende werden zu lange in den Un- terkünften gehalten. Ja, ich sage bewusst gehalten, da die Zustände vor Ort teilweise men- schenunwürdig sind. So sind in Lübeck viele Toiletten defekt, von dem Gestank trotz Reinigung ganz zu schweigen. Aber repariert wird, da ja seit Jahren auf den anstehenden Umzug spekuliert wird. Nun soll es zum Ende dieses Jahres so weit sein. Die 517 zum Stichtag 31.12.2008 in beiden Unterkünften lebenden Bewohner, werden dann in der Liegenschaft Neumünster untergebracht. Und dass, obwohl die Liegenschaft in Neumünster lediglich über insgesamt 400 Plätze verfügt. Auch dürften es sicher bald wieder mehr Flüchtlinge werden, wenn die Bundesregierung ihrer humanitären Pflicht wieder nachkommen wird und sich an dem internationalen Resettlement beteiligen wird. Dazu haben wir bereits für den Mai Landtag einen Antrag eingereicht, über den morgen endlich diskutiert wird. Es wird zukünftig also entweder eine extreme Überbelegung geben, oder die Flüchtlinge wer- den –was uns natürlich viel lieber wäre- zeitnah auf die Kreise verteilt. Eine dezentrale Unterbringung, Integration, Reisefreiheit, Arbeit, Sprache und Bildung. Das sind die zentralen Punkte, die es zu befördern gilt. Aber stattdessen leben die Flüchtlinge bis zu drei Jahre und neun Monate in den Einrichtungen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt immerhin noch ein Jahr und sieben Monate. Den Flüchtlingen ist es untersagt das Stadtgebiet zu verlassen. Und ohne Neumünster jetzt all zu schlecht zu machen: Es kann mit Ernst niemand verlangen, dass die Flüchtlinge nur eine Residenzpflicht in der Stadt Neumünster haben. Aber so ist es wohl vorgesehen. Wir fordern den Radius der Residenzpflicht mindestens auf Schleswig-Holstein zu erweitern. Die Vermittlung von Bildung und Sprache wird nicht gefördert, da davon ausgegangen wird, dass die Personen über kurz oder lang abgeschoben werden können und sich deshalb mög- lichst nicht integrieren sollen. Die eingeschränkte Möglichkeit Deutsch zu lernen führt aber wäh- Seite 1 von 2 rend des Aufenthalts in den Unterkünften zu Verständigungsproblemen unter den Bewohner selbst und mit den Mitarbeiter der Landesunterkünfte, was nicht gerade förderlich für ein friedli- ches Zusammenleben ist. Die Kinder sind zwar schulpflichtig, gehen aber in der Regel nicht in eine „normale“ Schule, wo sie beim Spielen mit anderen Kindern die deutsche Sprache leicht lernen würden, sondern sie werden von Lehrern in der Einrichtung unterrichtet. Ähnlich ist es im KiTa-Bereich. Hier fordern wir, dass die Kinder so schnell wie möglich in reguläre KiTas und Schulen integriert werden. Aber dies soll sich, laut Bericht (S. 9/10) verbessern. Wichtig erscheint mir bei dem Thema Kinder noch zu erwähnen, dass die Kinderrechtskonven- tion auch in Bezug auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingehalten wird. Zum Thema „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ haben die Oppositionspartien bereits in der Vergan- genheit Anträge gestellt, aber wir werden das Thema auch in Zukunft immer wieder auf die Ta- gesordnung setzen. Ein anderes, wichtiges Thema sind die traumatisierten und kranken Flüchtlinge. Uns dürfte allen klar sein, wer aus seiner Heimat fliehen muss, dessen Seele ist mit einer schwarzen Wolke ver- hangen. Aber nach dem Asylrecht haben Flüchtlinge nur eingeschränkte Gesundheitsbehand- lungsrechte. Und selbst diese geringe Gesundheitsbehandlung ist in Neumünster bereits be- denklich. Nicht ausgeklammert werden kann auch die Standortfrage werden. So verwundert es schon, dass egal welchem Ort man persönlich die Präferenz geben würde, dass die Kritik des Landes- rechungshofs so wenig Beachtung bei der Entscheidung, welcher Standort auszugeben ist, fand. Der Mitvertrag für den Standort Lübeck wurde mit einer 20-jährigen Laufzeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2023 abgeschlossen. Eine Vorzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag vor Ablauf von 10 Jahren ist ausgeschlossen, danach nur durch anderweitige Verwendung durch die LVSH. Ich zitiere dazu aus den Bemerkungen des Landesrechnungshof für das Jahr 2008, Seite 113: „Nach Einschätzung der LVSH ist bei der derzeitigen Marktlage davon auszugehen, dass eine Veräußerung der Liegenschaft zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen nicht möglich sein wird. In der Folge würden bei Aufgabe des Standorts Lübeck bis 2023 weiterhin Miet- und Aus- gleichszahlungen in mietähnlicher Höhe für eine nicht mehr genutzte Liegenschaft an die LVSH zu zahlen sein. […] Das Innenministerium selbst hat bei einer Konzentration auf den Standort Neumünster und bestehendem Mietverhältnis für Lübeck jährlich Mehrausgaben von 400.000 Euro ermittelt.“ Sie sehen, die Standortfrage enthält auch harte finanzielle Belange. Aber wir haben das Geld ja übrig, wie man bei dem Verhalten um die HSH Nordbank meinen könnte. Aber egal, welchen Standort man nun bevorzugt, und die Entscheidung ist ja bereits für Neu- münster gefallen, muss eines zukünftig sichergestellt werden: Die Flüchtlinge müssen die Mög- lichkeit erhalten selbst zu kochen. Das strukturiert den Tag und gibt den Flüchtlingen das Ge- fühl gebraucht zu werden und nicht ganz „nutzlos“ zu sein. Wir sollten den vom Schicksaal schwer gebeutelten Flüchtlingen die Möglichkeit auf Normalität gewähren und dazu gehört es eben auch, für die Familie zu kochen. Ferner bedarf es Möglichkeiten zur sinnvollen Alltagsgestaltung. Die Menschen haben durch die Unterbringung in Großunterkünften lediglich eine Privatsphäre, die sich auf höchstens ein Zim- mer beschränkt. Die Zukunftsperspektive fehlt und ein Ende dieser Situation ist für viele nicht absehbar. Zum Schluss will ich Ihnen noch eine Zahl sagen. 40 Euro 90 Cent. Ein ordentliches – Taschengeld – für einen Jugendlichen. Aber das ist der Betrag im Monat, den erwachsene Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl beantragen, für den „persönlichen Bedarf“ erhalten. Der Betrag ist so krumm, weil er nicht geändert wurde, seit das Asylbewerberleistungsgesetz vor über 15 Jahren in Kraft trat – damals waren es 80 Mark im Monat. Von 1,36 Euro pro Tag müs- sen die Flüchtlinge also Bustickets, Telefongespräche, Anwälte oder auch Zigaretten zahlen. Der Einzelfahrschein kostet für den Bus in Neumünster 1,75 Euro. Deshalb fordern wir für alle Bewohner der Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte in Schleswig-Holstein die kostenlose Abgabe von Busfahrscheinen. ***

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