Jutta Schümann: Kassenärztliche Vereinigung muss ihre Verantwortung wahrnehmen!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 15.07.2009, Nr.: 171/2009Jutta Schümann:Kassenärztliche Vereinigung muss ihre Verantwortung wahrnehmen!Zur Demonstration von Ärzten und anderen Interessenvertretern aus der Gesund- heitswirtschaft erklärt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Jutta Schümann:Die Umsetzung der Gesundheitsreform ist eine Aufgabe aller Beteiligten, denn jede/r von ihnen hat seine spezifische Verantwortung. Tatsache ist: Es ist jetzt mehr Geld im System. Dieses zu verteilen, ist Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung. Dieser Aufgabe ist sie bislang allerdings nicht in zureichendem Maße nachgekommen. Des- halb die „gelbe Karte“ gegen Ministerin Trauernicht zu erheben, ist deshalb unsinnig. Die Landesgesundheitsminister sind nicht für die Zuteilung der Honorare verantwort- lich.Die Freiberuflichkeit der Ärzte soll selbstverständlich erhalten bleiben, wir wollen aber auch andere Formen, z. B. Angestelltenverhältnisse, medizinische Versorgungszent- ren, Krankenhäuser, vor allem auch im ländlichen Raum, ermöglichen.Ich habe Verständnis für die Anliegen, die in der – selbstverständlich legitimen – De- monstration zum Ausdruck gebracht werden. Einseitige Schuldzuweisungen, vor allem gegen die Politik, helfen jedoch nicht weiter. Ich fordere die Ärztinnen und Ärzte und ihre Vertreter auf, an einer sachgerechten Lösung zu arbeiten. Wer bislang seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, ist die Kassenärztliche Vereinigung.Bei der Demonstration sagte Jutta Schümann:Unser Gesundheitssystem steht vor gewaltigen Herausforderungen: • der demografische Wandel, • der medizinische Fortschritt, • das berechtigte Interesse und • der Anspruch von Menschen auf optimale medizinische Versorgung.Wir müssen ein Gesundheitssystem etablieren, das diesen Ansprüchen gerecht wird, das aber auch gleichzeitig finanzierbar ist. Das zu gestalten und umzusetzen, ist Auf-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-gabe von Gesundheitspolitik, und zwar auf allen politischen Ebenen, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene. Diese Aufgabenstellung ist nur mit allen Beteiligten zu lösen: • mit den Kostenträgern, • mit den Gesundheitsdienstleistern, • mit den Patientinnen und Patienten und • mit den politisch Verantwortlichen.Dabei ist festzuhalten, dass die jeweiligen Erwartungen und Forderungen sich zum Teil fundamental gegenüber stehen. Aber dennoch muss von allen Kooperation ver- langt werden.Für mich persönlich ist eine der größten Herausforderungen, dass wir es zukünftig mit einer wachsenden Zahl älterer Patienten zu tun haben. Wir wissen, dass es eine Zu- nahme von Einzelhaushalten gibt und dass auch das Krankheitsspektrum sich verän- dern wird. Das bedeutet zukünftig auch weiterhin eine umfassende Anpassung von ärztlicher Versorgung. Wir müssen bedenken, dass wir in einem Flächenland leben, in dem wir Ballungsräume haben, aber auch bevölkerungsarme ländliche Regionen.Wir benötigen vielfältige neue Versorgungs- und Behandlungssysteme. Wir brauchen multiprofessionelle Teams und auch völlig neue Formen der ärztlichen Versorgungs- struktur. Dazu zählt auf der einen Seite der traditionell freiberuflich tätige Arzt oder die Ärztin, aber auch Versorgungsformen, in denen Ärzte in einer Teilzeitform oder als Angestellte tätig sein können.Im einzelnen fordern wir als SPD folgende Maßnahmen:1. Wir brauchen mehr Prävention. Präventionsangebote müssen ausgebaut und stär- ker vernetzt werden und sollen das private und berufliche Lebensumfeld von Men- schen einbeziehen.2. Die Versorgung chronisch Kranker ist durch die Disease-Management-Programme (DMP) bereits verbessert worden. Dieses wollen wir weiter intensivieren.3. Die integrierte Versorgung ist konsequent auszubauen, denn sie ist aus unserer Sicht eine sinnvolle Ergänzung - kein Ersatz - der bisherigen Versorgungsform.4. Wohnortnahme ambulante Versorgung muss sichergestellt werden. Alle Patienten haben Anspruch auf eine flächendeckende hausärztliche und fachärztliche Versor- gung und einen angemessenen Zugang zur Behandlung beim Facharzt. Medizini- sche Versorgungszentren sind als neue Form der Leistungserbringung ein wichti- ger Baustein. Allerdings darf es nicht so sein, dass medizinische Versorgungszent- ren z. B. von Krankenhausketten aufgekauft werden und sich somit ein Monopol in -3- der Versorgung herausbildet.5. Die stationären Versorgungsangebote sind als Teil der Daseinsvorsorge auch in Schleswig-Holstein abzusichern und Krankenhäuser müssen sich dabei ihrer regi- onalen Verantwortung noch stärker bewusst werden, als es manchmal heute der Fall ist. Um Patienten umfassend versorgen zu können, brauchen wir eine vielfälti- ge Krankenhauslandschaft. Deshalb sind wir der Auffassung, dass die Aufteilung in öffentlich-rechtliche, frei gemeinnützige und private Trägerschaft ausgewogen blei- ben muss.6. Wir brauchen dringend zukünftig sektorenübergreifende Kooperationsformen. Da muss sich dann jeder auch ein Stück weit bewegen. Sie können auf der Grundlage eines Kollektivvertrags geschaffen werden, d. h., zukünftig sollten niedergelassene Ärzte gleichzeitig am Krankenhaus arbeiten, die Krankenhausinfrastruktur nutzen und Leistungen mit den Krankenhäusern abrechnen können. Umgekehrt sollen Krankenhausärzte in die ambulante Versorgung mit eingebunden werden können. Fachärzte sollen nach unserer Auffassung künftig Patienten mit hoch spezialisier- ten Leistungen sowohl ambulant als auch stationär behandeln können.Nach Auffassung der SPD benötigen wir zusätzliche Versorgungsformen, die in den letzten Jahren bereits geschaffen wurden. Dazu zählt die Palliativ Versorgung. Sie ist zu stärken und zu unterstützen. Denn Menschen mit schweren unheilbaren Erkran- kungen benötigen eine abgestufte reibungslose Versorgungskette. Dazu zählen un- verzichtbar Palliativ Care Teams mit einer angemessenen sächlichen, personellen und finanziellen Ausstattung.Für mich persönlich ist es ebenso wichtig, dass die Förderung von Kinder- und Ju- gendgesundheit weiter gestärkt und zielgruppengerecht ausgebaut wird. Gleichzeitig muss Gesundheit im Alter gefördert werden. Hier geht es insbesondere um die Stär- kungen der aktiven Ressourcen von älteren Menschen, den Erhalt seiner Selbstbe- stimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.Lassen Sie mich abschließend darauf hinweisen, Deutschland gehört zu den weltweit wichtigsten Innovationsstandorten im Gesundheitsbereich. Dieses gilt es zu erhalten und zu unterstützen. Das bedeutet: Alle Beteiligten müssen sich weiterentwickeln, eine Rückkehr in frühere Strukturen kann es nicht geben und wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass sich angesichts des demografischen Wandels und des medizinischen Fortschritts die Herausforderungen immer wieder neu stellen werden. Dieses zu lösen im Interesse der Menschen in unserem Lande ist unser aller gemeinsame Aufgabe und auch unsere gemeinsame Verantwortung. In diesem Sinne appelliere ich an eine sachgerechte, an Lösungen orientierte Diskussion. Auch wenn dieses aufgrund per- sönlicher Betroffenheit schwer fällt. Unter dieser Voraussetzung bin ich, ist die SPD gerne bereit, Ihre Anregungen und Bedenken zu diskutieren und mit Ihnen gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen.