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15.07.09
10:54 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 37: Die SPD-Fraktion ist zur Verantwortung bereit

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 15.07.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
Top 37, Haushalt konsolidieren, Neuverschuldung auf Null setzen / Einbau einer Schuldenbrem- se in die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein (Drucksache 16/2771 und 16/2793)


Ralf Stegner:
Die SPD-Fraktion ist zur Verantwortung bereit
Lassen Sie mich gleich mit etwas ganz Aktuellem beginnen. Ich habe in einer bedeu- tenden schleswig-holsteinischen Zeitung heute folgendes gelesen: „Hinter Ihrem Rü- cken wird getratscht und gestichelt. Zeigen Sie, dass Sie über den Dingen stehen.“ Das ist das Waage-Horoskop des schleswig-holsteinischen Zeitungsverlages von heu- te. Passt doch prima…
Nicht über den Dingen stehend, aber überparteilich war lange der Konsens hinsichtlich der Folgen eines Schuldenverbotes ohne ausreichende Hilfen. Und so darf ich sicher mit Ihrer aller Zustimmung daran erinnern, dass von dieser Stelle aus der Herr Minis- terpräsident, Herr Wiegard, Herr Kollege Wadephul, Frau Herdejürgen, Herr Kayen- burg, auch ich Ihnen in vielen Reden deutlich gemacht haben, warum das jetzt von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit verabschiedete totale Schuldenver- bot in dieser Form falsch sei, schwierige Folgen für Schleswig-Holstein hätte und ver- fassungsrechtlich mehr als problematisch sei. Dieser Meinung ist die SPD- Landtagsfraktion auch weiterhin.
Wir haben eine deutlich schlechtere finanzielle Ausgangslage als viele andere Länder, wir haben ein strukturelles Defizit von 500 – 600 Mio €, ohne mehr Lehrer, Einnahmen oder Polizisten als andere zu haben, und eigentlich bräuchten wir deutlich mehr finanzielle Unterstützung. Deshalb werden wir uns weiter für eine vernünftige und



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



faire Altschuldenregelung von Bund, Ländern und Kommunen einsetzen, wie sie Uwe Döring und ich in der letzten Legislaturperiode entwickelt und zwischenzeitlich auch der Herr Ministerpräsident gemeinsam mit Herrn Döring vertreten hatte.
Deshalb wollten wir auch gegen diese Änderung des Grundgesetzes vor dem Ver- fassungsgericht klagen, mussten aber feststellen, dass es nach den Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner für diesen Weg keine gemeinsame Mehrheit mehr gibt. Eine Veränderung der Landesverfassung im Schnellverfahren wiederum hätte nicht unseren politischen Vorstellungen entsprochen und so gab es den Kompromiss, zu dem Frau Herdejürgen nachher noch reden wird.
So falsch ich die Grundgesetzänderung in der jetzigen Form auch finde, so gilt sie – und da die Gesetze auch für SPD-Politikerinnen und Politiker gelten, haben wir uns darauf einzustellen, die Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2020 auf Null Euro runter zufahren. Im übrigen bekenne ich mich für meine Fraktion ohne Wenn und Aber zur Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung.
Und – dies ist vielleicht auch wichtig: Diese Notwendigkeit der Konsolidierung ist keineswegs vom Himmel gefallen. Es ist schon lange klar, dass wir die Last der Zins- zahlungen eindämmen und Ausgaben kürzen müssen. Dazu gab es Budgets, Verkäu- fe von Landesvermögen, Überrollungen, Strukturreformen, Eingriffe in den kommuna- len Finanzausgleich und vieles mehr.
Ich habe selbst dazu noch als Finanzminister der Regierung Simonis 2004/5 ein um- fangreiches Haushaltskonsolidierungskonzept vorgelegt, das die Instrumente Einspa- rungen, Einnahmeverbesserungen und Zukunftsinvestitionen in ein nachhaltiges und soziales Verhältnis brachte. Ein Altschuldenfonds und eine langfristige Investitionsfol- gebetrachtung gehörten damals dazu.
Natürlich findet es sich auch an prominenter Stelle in unserem Koalitionsvertrag. -3-



Eines ist jedoch durch die größte Wirtschafts- und Finanzkrise in unserer Geschichte, aber auch in der Grundgesetzänderung deutlicher geworden als je zuvor – die Not- wendigkeit antizyklischen Handelns. Es gibt einen Unterschied zwischen dem kon- junkturellen und dem strukturellen Defizit. Das strukturelle Defizit muss tendenziell ab- gebaut werden – auch wenn ich der Meinung bin, dass für eine bestimmte Art von In- vestitionen Kredite auch weiterhin richtig gewesen wären. Wer beispielsweise in Kin- derbetreuung und Bildung sowie Klimaschutz investiert, spart bei Jugendhilfe, Sozial- transfers und Reparaturkosten. Wer hier spart, den kommt das teuer zu stehen. Wie anders ist das bei Bürokratie und vielen einzelgewerblichen Förderprogrammen. In dieser Hinsicht verhält sich ein privater Haushalt oder ein Unternehmen übrigens nicht anders.
Konjunkturelle Defizite sind notwendig, um die Folgen konjunktureller Schwankun- gen abzufedern. Sie finden dies auch in der Begründung zu dem jetzt vorliegenden Nachtragshaushalt. Wenn wir dadurch Arbeitslosigkeit verhindern, die Nachfrage stüt- zen und zukunftsfähige Strukturen erhalten können, ist dies in der Zeit der Krise ein sinnvolles Defizit, da es nicht nur persönliches Leid mildert und unsere Startposition für den Aufschwung verbessert, sondern vor allen Dingen auch eine weitergehende Ab- wärtsspirale verhindert. Insofern handelt es sich bei den jährlichen 10-prozentigen Ein- sparungen um eine konjunkturabhängige Durchschnittsgröße. Am besten für öffentli- che Haushalte ist es, wenn Arbeitnehmer gute Jobs und Mindestlöhne haben bzw. noch besser, gut verdienen und Steuern und Beiträge bezahlen statt Sozialtransfers im Berufsleben und womöglich später im Alter noch einmal, wenn die Rente nicht reicht, zu bekommen.
Deswegen ist uns und auch den Menschen in Schleswig-Holstein der Pakt für Be- schäftigung, Qualifizierung und Wachstum, der bereits umgesetzt wird, so wichtig, auch wenn er in der Öffentlichkeit weniger Beachtung gefunden hat als Stellenkür- zungszahlen der nächsten zwei Legislaturperioden. -4-



Auch wenn wir mit den im Koalitionsausschuss besprochenen und Ihnen jetzt vorlie- genden strukturellen Einsparvorstellungen über künftige Einsparvorhaben reden, die wir in der heutigen Zusammensetzung nicht umzusetzen haben, so ist es doch sinn- voll, sie jetzt schon zu planen und vorzubereiten – es kann die Umsetzung erleichtern und in den Teilen, wo umfangreichere Vorbereitungen notwendig sind, sie sogar erst ermöglichen.
Wir müssen sparen – da gab und gibt es keine zwei Meinungen, nicht im Koalitionsausschuss und auch sonst nicht. Strittig ist allerdings, wo und wie viel gespart werden kann, da haben unterschiedliche Parteien und Fraktionen auch unterschiedliche Prioritäten, aber das Wesen von Koalitionsregierungen ist der tragfähige Kompromiss und zu dem stehen wir ohne Wenn und Aber. Im Koalitionsausschuss wurde vereinbart, das strukturelle Defizit im Landeshaushalt bis 2020 um jährlich 10 Prozent zurückzufahren, um bis dahin zu einem ausgeglichenen Haus- halt zu kommen.
Ein Schwerpunkt der Ausgaben eines Landes liegt bei den Personalkosten und so ist es natürlich, auch hier, also in den personalintensiven Ressorts, anzusetzen. Wir dür- fen da aber nicht stehenbleiben. Die Einsparungen bei millionenschweren Investitions- und Förderprogrammen in den anderen Ressorts werden in einem zweiten Schritt konkretisiert werden müssen.
Denn, auch das hat sich geändert, jede Ausgabe steht auf dem Prüfstand – von der einzelbetrieblichen Förderung bis zu einzelnen Prestigeobjekten, auch wenn sie uns noch so wichtig sind. Endlich können wir Investitionen in Beton oder Asphalt mit denen in Bildung sozusagen gleichberechtigt gegeneinander abwägen.
Dabei sollte es selbstverständlich sein, konkrete Zahlen, die einem am Abend vorgelegt wer- den, überprüfen zu dürfen. Für die Prüfungen der Berechnungen des Innenministeriums zur Verwaltungsstrukturreform hat es damals drei Gutachter gebraucht (mit dem Ergebnis, dass die Rechnungen korrekt waren) – wir brauchten drei Tage. Eine solide Leistung. Wir mussten klären – und ich möchte Uwe Döring dafür ausdrücklich danken, da er dabei die Hauptarbeit geleistet hat –, welche Berechnungsgrundlagen es gab, ob die Zahl der Abgänge hoch genug sein wird, um auch im Verwaltungsbereich betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen, -5-



welche Bereiche erfasst worden sind, welche nicht und einiges mehr. Dabei reicht es nicht, öf- fentlich zu sagen, man will den Justizvollzug und die Unterrichtsversorgung nicht treffen, man muss das sicherstellen.

Auf Grundlage dieser Prüfung haben wir über die ursprünglichen Einsparvorstellungen der Union verhandelt. Es ist uns unter den gegebenen Einsparzwängen gemeinsam gelungen, die geplanten Einsparungen im Personalbereich auf ein vernünftiges und verantwortbares Maß festzulegen. In den nächsten zehn Jahren sollen rund 4.800 Stellen aus Alterabgängen in den Verwaltungsbereichen des Landes eingespart werden.

Die vereinbarten Personalkürzungen im Bildungsbereich werden in der Schulverwaltung und eben nicht durch Unterrichtskürzungen erfolgen. Die Personalkürzungen bei der Polizei und der Justiz werden eben nicht im Vollzug erfolgen und die innere Sicherheit wird nicht her- abgesetzt. Die Unterrichtsversorgung und die Qualität des Unterrichts muss sogar weiter ge- steigert werden.

Obwohl ein großer Teil der verabredeten 4.800 Stellenstreichungen bereits vor 2 Jahren ver- abredet worden war und ca. die Hälfte der demografischen Bildungsrendite umfasst, werden die avisierten 15 % in den allgemeinen Verwaltungen und die spezifischen Einsparvorgaben in den anderen Bereichen sehr schwer werden. Zumal wir im Bereich der Polizei noch keine Antwort auf die Frage haben, wie wir mit den extrem hohen Überstunden umgehen sollen. Da geht es auch um Ehrlichkeit gegenüber den Beschäftigten, die ihre Gesundheit und ihr Leben für die Allgemeinheit einsetzen.

Strukturelle Veränderungen in der Verwaltung, Aufgabenabbau und ein Höchstmaß an Mitwir- kung der Beschäftigten werden dafür nötig sein. Um gerade die Mitwirkung überhaupt in An- spruch nehmen zu können, sind die schon genannten Garantien für die Beschäftigten eine notwendige und berechtigte Voraussetzung. Ihre Arbeit wird weiter verdichtet werden. Sie ha- ben einen Anspruch auf eine faire und verlässliche Behandlung. Sie dürfen nicht die Verlierer der Konsolidierung werden, haben sie doch mit Arbeitszeitverlängerung, Arbeitsverdichtung, Lohnzurückhaltung und der Streichung des Weihnachtsgeldes bereits sehr viel geleistet und sind sie daher wirklich nicht für Managementversorgung und Bankenkrise verantwortlich. -6-



So haben wir Sozialdemokraten für folgende ausdrückliche Festlegungen Sorge getragen: Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen. Es gibt keine Einschränkungen bei der Mitbestimmung. Es gibt keine Einschränkungen bei der Gleichstellung.

Sie werden wie ich in den letzten Wochen die Demonstrationen der Erzieherinnen und Erzie- her mitbekommen haben – deren Forderungen ich weitgehend teile und unterstütze. Umso wichtiger war es der SPD-Seite auch, dass es durch die beabsichtigten Entlastungen der Kommunen nicht zu Einschränkungen der Standards in den Kindertagestätten kommt. Dies haben wir verabredet.

Pacta sunt servanda: Das gilt für den Kompromiss und die Ergebnisse der Koalitionsvereinba- rung. Wir stehen zu den vereinbarten harten Einsparungen, denn auch eine SPD-geführte Regierung wird nach 2010 gravierende Einschnitte vornehmen müssen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes nicht zu verlieren, die wir für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Klimaschutz dringend brauchen.

Es wird schwer werden, aber die Lage ist ernst und an der Gesetzeslage gibt es nichts zu deu- teln. Klar ist auch, dass die Personaleinsparungen noch nicht mal ein Drittel des strukturellen Defizits ausmachen. Umso wichtiger ist es, sich über weitere Einsparmöglichkeiten und über Möglichkeiten der Einnahmeverbesserung ernsthafte Gedanken zu machen – und da ist es schwierig - und lassen Sie mich das sagen - höchstens Sache des Parlaments als Haushalts- gesetzgeber, bestimmte Dinge auszuschließen.

Wir brauchen in der neuen Legislaturperiode einen neuen und beherzten Anlauf für die konse- quente Verwaltungsstrukturreform, wir brauchen Investitionen und Rahmenbedingungen für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze und wir brauchen eine klare Absage an Steuersenkungs- pläne in zweistelligen Milliardenbereichen, die auch Gutverdienern nützen, während die Besei- tigung der hohen KiTa-Gebühren bildungspolitisch geboten ist, viel weniger kostet und gezielt Familien entlastet. Das muss an anderer Stelle eingespart werden. -7-



Aber das ist die Aufgabe der nächsten Legislaturperiode. „Echte Verantwortung gibt es nur da, wo es wirklich Antworten gibt.“ Die SPD-Fraktion ist zur Verantwortung bereit und deshalb ha- ben wir mit diesem Antrag konkrete Antworten gegeben. Wir bitten um Ihre Zustimmung zum gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktion – und ich mei- ne wirklich Zustimmung.