Dr. Ralf Stegner zu TOP 24: Wir sollten die Probleme nicht unter die Erde bringen!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 17.06.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 24, CCS-Gesetz im Bundesrat ablehnen (Drucksache 16/2676)Dr. Ralf Stegner:Wir sollten die Probleme nicht unter die Erde bringen!Ich erinnere mich noch gut an die Einschätzung von Professor Hohmeyer aus Flens- burg auf der energiepolitischen Jahresauftaktveranstaltung der SPD im Januar hier im Landeshaus: „Die CCS-Technik ist mehr als ein jahrzehntelanges Beschäftigungspro- gramm für Wissenschaftler denn als eine tatsächliche Option für unsere Zukunft zu verstehen.“Nahezu alle Bereiche der CCS-Technik sind noch mit großen Fragezeichen versehen. Das gilt für die ungeklärte Großtechnik zur Abscheidung am Kraftwerk, für den Transport bis hin zur „Endlagerung“ wahrscheinlich auf dem Gebiet des Tourismus- und Landwirtschaftslandes Schleswig-Holstein. Dennoch legt die Berliner CCS- Gesetzgebung bisher ein unverständlich rasantes Tempo vor.Es besteht weder zeitlich noch inhaltlich seitens der CCS-Richtlinie der EU Umset- zungszwang. Es ist schon erstaunlich, dass in diesem Fall die Umsetzungsfrist von 2 Jahren noch nicht mal begonnen hatte und Berlin schon am Gesetz bastelte – auf Ba- sis eines Gesetzentwurfes der Energiekonzerne! Ich halte es für unverantwortlich, jetzt schon eine erst in 20 Jahren konkret einsetzbare Großtechnik festzuschreiben, nur um neue Kohlekraftwerke grün anstreichen zu können.Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-„Die CCS Technik“, so Olaf Schulze am 12.03.2008 hier im Plenum, „kommt daher zu einem Zeitpunkt, an dem wir sie nicht mehr brauchen.“ Wir dürfen nicht zulassen, dass im Bundestag – und auch später im Bundesrat – das Gesetz durchgepeitscht wird!In der Sache verweise ich gerne auf die hier bereits seit langem unverändert beste- hende Position meiner Fraktion: Wir wollen in Schleswig-Holstein und ganz Deutsch- land keine Kraftwerksdinosaurier mit oder ohne CCS-Technik, sondern setzen auf kleinere, dezentrale Kraftwerke.Dies zusammen mit großen Offshore-Windparks vor unseren Küsten und nun vielleicht bald der großflächige Ausbau von Solarstromanlagen in Nordafrika: Das ist die richtige Energiestrategie auf dem Weg in eine sichere, regenerative und gesellschaftlich getra- gene Zukunft ohne Strom aus Atom oder Kohle! Wir haben gestern gerne der Staatskanzlei das Feld überlassen und auf eigene Pressearbeit verzichtet - unsere ab- lehnende Haltung ist ja seit langem überall in Schleswig-Holstein bekannt.Ich begrüße es aber ausdrücklich, dass sich der Ministerpräsident doch noch der Posi- tion der Schleswig-Holsteinischen SPD angeschlossen hat und hoffe nun, dass er in seiner Partei dafür eine Mehrheit bekommt. Schließlich hat sich Herr Minister von Boetticher vor wenigen Tagen noch ganz anders geäußert und, wie Sie wissen, war es der vorletzte Wirtschaftsminister, Dietrich Austermann, der hier die Industrie mit Ver- sprechungen nach Schleswig-Holstein gelockt hat. Und es ist Frau Reiche von der CDU-Bundestagsfraktion, die die Haftungsrisiken auf Schleswig-Holstein abwälzen möchte.Schön ist jedenfalls, dass nach der Kehrtwendung des Ministerpräsidenten zusätz- lich überraschende Signale aus Berlin ertönten. Auch dort hat die CDU- Bundestagsfraktion offenbar auf den SPD-Parteitag vom Wochenende reagiert. Die für Freitag vorgesehenen abschließenden Beratungen zum CCS-Gesetzentwurf sollen -3-verschoben werden. Wir müssen nun aus Schleswig-Holstein den Druck erhöhen, da- mit dies kein reiner Verschiebebeschluss, sondern wirklich ein neuer Denkansatz wird!Ich habe Zweifel. Mit welchem Ernst und mit welchem Verständnis für die Sorgen der Menschen in Schleswig-Holstein bisher das CCS-Gesetz in Berlin diskutiert wurde, zeigt das folgende Zitat: „Ich sehe schon das nächste Problem auf uns zukommen. Neulich habe ich bei einer Veranstaltung im Rahmen des Europawahlkampfs in Flens- burg gesagt, man solle sich jetzt vor den Mineralwasserflaschen hüten, weil sich darin ja auch Kohlendioxid befinde. … Wenn aber die Menschen so denken, dann spricht es nur dafür, dass wir in Bildung noch mehr investieren müssen.“ (Rede von Bundeskanz- lerin Merkel beim BDI-Tag der Deutschen Industrie am 15.6.09 in Berlin)Ich sehe vielmehr, dass im Moment überall hunderte von Bürgerinnen und Bürgern ih- ren kritischen, selbstbewussten Geist zeigen und genau das machen, was wir doch wollen: Sich kümmern, sich einmischen, für ihre Interessen einstehen. Kein anderes Land ist so wie Schleswig-Holstein durch die Pläne betroffen, als CO2-Speicher für ganz Deutschland zu dienen und diese Last für tausende von Jahren – auf Kosten späterer Steuerzahler – zu tragen.Die SPD Schleswig-Holstein hat deswegen im Regierungsprogramm der SPD am Sonntag durchgesetzt, dass der CCS-Gesetzentwurf verändert werden muss und zu- nächst eine umfangreiche Bürgerbeteiligung vorgeschaltet wird. Dann muss auch das Gebot der Wiederverwendung von CO2 vor einer Endlagerung gelten. Dies sind für mich die richtigen Weichenstellungen, damit das CCS-Gesetz allenfalls als „Demonst- rationsvorhaben-Ermöglichungsgesetz“ vor allem für die Forschung und nicht als Frei- brief für den Bau einer Pipeline quer von NRW nach SH und eine Endlagerung auf vie- le tausend Jahre in unseren Boden beschlossen wird. -4-Nein, CCS-Chemiekraftwerke neben Kohlekraftwerken, die wegen geminderter Effi- zienz zu Investitionsruinen zu werden drohen, sind genau so eine Sackgasse wie die Auffassung, man könnte die Probleme unter die Erde bringen. Das gute an Sack- gassen aber ist, dass sie uns zur Umkehr zwingen und deshalb kann die SPD-Fraktion guten Gewissens dem klugen Antrag des SSW heute zustimmen.Wenn der CCS-Gesetzentwurf nicht derart grundlegend überarbeitet wird, dann muss sich Schleswig-Holstein im Bundesrat klar gegen dieses Gesetz stellen. Inzwischen besteht hier im Hause Einigkeit in der Position zum CCS-Gesetz, das sollten wir nut- zen.In der Frage des Atomausstiegs ging schon mal die Initiative aus unserem Land aus. Wir sollten diesen Schwung gegen das CCS-Gesetz nutzen und gemeinsam das Sig- nal nach Berlin schicken: Unsere Energiezukunft ist kurzfristig auch ohne Atom- und mittelfristig ohne Kohlestrom gesichert!