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17.06.09
12:03 Uhr
B 90/Grüne

Monika Heinold zur Sozialstaffel in Kindertagesstätten

Presseinformation

Es gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 21 – Sozialstaffelregelung für Pressesprecherin Kindertageseinrichtungen Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 Dazu sagt die jugendpolitische Sprecherin 24105 Kiel der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Telefon: 0431 / 988 - 1503 Monika Heinold: Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 249.09 / 17.06.2009


Armut bekämpfen statt Wahlversprechen geben
Wer sich in Schleswig-Holstein mit der Sozialstaffel für Kindertagesstätten beschäftigt, stellt schnell fest, dass die jetzige Regelung unübersichtlich und ungerecht ist. Fünfzehn Kreise und kreisfreie Städte haben hoch komplexe Sozialstaffeln konzipiert. In jedem Kreis gibt es andere Bestimmungen, für die Ermäßigung der Kitagebühren. Gemeinsam mit den unterschiedlich hohen Kitakosten führt dies dazu, dass Kitagebühren für Famili- en in Schleswig-Holstein je nach Wohnort extrem unterschiedlich sind. Der Landes- rechnungshof monierte schon vor zwei Jahren, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Sozialstaffel nicht mit dem Gebot der „allgemeinen und gleichen Lebensbedingun- gen“ zu vereinbaren ist.
Wir teilen diese Auffassung und fordern mit unserem heutigen Antrag, dass wieder die vollen Regelsätze bei der Bemessung der Sozialstaffelreglung zu Grunde gelegt wer- den, dass die entstehenden Kosten aus den durch Einführung des beitragsfreien Kin- dertagesstättenjahres frei werdenden Mittel finanziert werden und dass spätestens 2010 eine landesweit einheitliche Sozialstaffel umgesetzt werden muss.
Um die jetzige Regelung im Kita-Gesetz nachvollziehen zu können, sollten wir einen Blick zurück auf den Dezember 2004 werfen. Damals gab es eine schwierige Gefechts- lage. Durch die Verabschiedung von Hartz IV erhöhten sich die Regelsätze für Transfer- EmpfängerInnen.
Die einmaligen Bedarfe wurden pauschaliert und Bestandteil der monatlichen Zahlun- gen. Der Regelsatz der alten Sozialhilfe von 296 Euro wurde zum neuen Sozialgeld bzw. Arbeitslosengeld II in Höhe von 345 Euro. Die veränderte Bundesgesetzgebung hatte konkrete Auswirkungen auf die Sozialstaffel in Schleswig-Holstein.


Seite 1 von 3 Hätten wir damals die erhöhten Regelsätze zur Grundlage für die Freistellung von Kita- gebühren gemacht, wären zusätzlich eine ganze Reihe von gering verdienenden Fami- lien beitragsfrei gestellt worden.
Die Kommunen meldeten sofort Konnexität an und ein von uns Grünen in Auftrag ge- gebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bestätigte diese Rechtsauffas- sung. Unser damaliger Koalitionspartner SPD war nicht bereit, mehr Geld in den Lan- deshaushalt einzustellen. Die SPD blieb hart, obwohl wir Grüne in mehren Runden ver- sucht haben, einkommensschwache Haushalte weiterhin von Kitagebühren frei zu stel- len. Nach zähem Ringen zwischen SPD und Grünen wurde im Gesetz verankert, dass die bisherigen 296 Euro fortgeschrieben und folgerichtig nur 85 Prozent der Regelsätze für die Beitragsfreiheit berücksichtigt werden müssen. Das Einzige, was wir Grünen er- reichen konnten, war eine Revisionsklausel mit dem Ziel, die Sozialstaffel erneut zu än- dern, wenn sie sich negativ auswirken sollte. Diese Vereinbarung beinhaltete, dass die Landesregierung über die praktischen Auswirkungen berichten sollte.
Unsere Hoffnung war, dass die Kreise – auch ohne Verpflichtung des Landesgesetzge- bers – zumindest Eltern mit Transfereinkommen zu 100 Prozent von den Kitagebühren frei stellen würden. Einige Kreise haben ihre soziale Verantwortung wahrgenommen, andere aber nicht! Der vom Bildungsministerium im Herbst 2005 vorgelegte Bericht war nicht sehr aussagekräftig. Das Ministerium machte nicht den Anschein, als würde ihm an dieser Thematik besonders viel liegen.
Inzwischen sind Fakten auf dem Tisch, die uns zum Handeln zwingen. Die Bürgerbe- auftragte führt in ihrem Bericht 2008 ein kurioses Beispiel an. Eine fünfköpfige Familie mit zwei Kindergartenkindern – wohlgemerkt ein Hartz-IV-Haushalt – muss einen mo- natlichen Kitabeitrag von 136 Euro zahlen, aus dem für den Lebensunterhalt zur Verfü- gung gestellten Regelbedarf.
Beim Verband Alleinerziehenden Mütter und Väter häufen sich erschreckende Beispie- le. Die Leiterin der Kieler Geschäftsstelle fasst nüchtern zusammen: - Eltern melden ihre Kinder auf Grund der Gebühren nicht in der Kita an. - Immer mehr Eltern haben Schulden durch hohe Beitragsrückstände. - Ein Zuverdienst für ALG-II-EmpfängerInnen lohnt kaum, da der Eigenbehalt für die sich erhöhenden Kitagebühren drauf geht.
Wie soll eine Familie von den 211 Euro, die sie für ihr Kind unter 13 Jahren erhält, zehn oder auch fünfzehn Euro Kitagebühren bezahlen, plus Essensgeld in Höhe von 20 bis 40 Euro? Dem Einen oder Anderen mag die Summe von zehn Euro gering erscheinen. Ist sie aber nicht! Schließlich ist der Regelsatz für ein Kind sowieso knapp bemessen und Betreuungsgebühren sind bei seiner Berechnung schlicht nicht enthalten. Deshalb sprechen wir uns in unserem Antrag dafür aus, dass zukünftig alle Eltern in Schleswig- Holsein von den Kitagebühren befreit werden, deren Einkommen nicht höher ist als der ALG-II-Satz. Das würde bedeuten, dass ein Zweipersonenhaushalt – Elternteil und Kind – bei einem Monatseinkommen von ca. 1.050 Euro Anspruch auf einen gebührenfreien Kitaplatz hätte, unabhängig davon, ob das Einkommen eine Transferleistung ist oder durch eigene Erwerbstätigkeit erarbeitet wird.
Wenn wir die Bekämpfung von Kinderarmut ernst meinen, dann ist dies eine unver- zichtbare Maßnahme. Alle Kinder müssen die Chance haben, eine Kindertagesstätte zu besuchen. Aus materieller Armut darf keine Bildungsarmut werden! Aus der Stadt Kiel ist bekannt, dass sich drei Millionen Euro an Rückständen aus nicht gezahlten Kitage- bühren angesammelt haben. Glücklicherweise werden die Kinder aus den zahlungsun-
2 fähigen Haushalten trotzdem weiter betreut. Aber wie unwürdig ist es, wenn Eltern je- den Morgen schamvoll befürchten müssen, von den ErzieherInnen auf ihre Zahlungs- rückstände angesprochen zu werden. Statt über drei Jahre beitragsfreie Kindertages- stätte zu philosophieren, sollten wir jetzt die notwendigsten Schritte einleiten. Eltern mit geringem Einkommen brauchen zügig reale Entlastungen.
Meine Damen und Herren von der SPD, verstecken Sie sich nicht hinter ihrem Wahl- versprechen Beitragsfreiheit, sondern unterstützen Sie unseren Antrag! Selbst wenn ei- nes Tages die von Ihnen geforderte dreijährige Beitragsfreiheit kommen sollte, müssten wir die Sozialstaffel ändern. Denn mit drei Jahren Kitabesuch für Kinder zwischen drei und sechs Jahren und fünf Stunden pro Tag ist es nicht getan. Viele Eltern sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder ganztägig in der Kita betreut werden – zum Teil von der Krippe bis zum Hort. Diese Eltern sind auf eine gerechte und entlastende Sozialstaffel angewiesen. Schon die Übernahme des Essengeldes von 20 bis 40 Euro ist für diese Familien eine große Belastung. Und ist es ja gerade unser Ziel, dass auch Kinder aus einkommensschwachen Familien die Kindertagesstätte ganztägig besuchen, um von deren Bildungsangeboten zu profitieren.
Meine Fraktion appelliert auch an die Kommunen, sich der notwendigen Änderung des Kindertagesstättengesetzes und der Sozialstaffel nicht zu widersetzen, sondern mit dem Land konstruktive Gespräche zu führen. Unser Vorschlag ist, dass die bei Kreisen und kreisfreien Städten durch Einführung des ersten beitragsfreien Kindertagesstätten- jahres eingesparten Sozialstaffelgelder nicht weggespart werden, sondern in der Sozi- alstaffel bleiben und im Sinne unseres Antrages einkommensschwache Familien entlas- ten. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die Landesregierung diese Verhandlungen mit den Kommunen geführt hätte, bevor das beitragsfreie Kitajahr im Gesetz verankert wur- de. Nun sind wir auf die Kompromissbereitschaft der Kommunen angewiesen, wenn der Landeshaushalt nicht zusätzlich belastet werden soll.
Dennoch hoffe ich auf eine gemeinsame Lösung. Schließlich zahlen Eltern in Schles- wig-Holstein bundesweit die höchsten Kitagebühren. Umso wichtiger ist es, Eltern mit geringem Einkommen zu entlasten und allen Kinder die Chance zu geben, an den Bil- dungsangeboten der Kitas teil zu nehmen. Und mittelfristig zahlt sich eine solche Politik sogar finanziell aus.
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