Lars Harms zu TOP01 - Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss
Presseinformation Kiel, den 17. Juni 2009 Es gilt das gesprochene WortLars Harms TOP 1 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Drs. 16/2703Gemeinsam stellt die Opposition heute einen Antrag zur Einrichtung eines ParlamentarischenUntersuchungsausschusses zur HSH Nordbank. Um zu verstehen, wie es soweit kommenkonnte und warum die Opposition dieses scharfe Schwert zieht, muss man sich anschauen,was eigentlich die letzten Monate geschehen ist. Der Landesregierung sei nämlich versichert,es hätte nicht zu einem PUA kommen müssen - aber sie hat es herausgefordert.Ein PUA ist nicht nur ein unentbehrliches Instrument der parlamentarischen Kontrolle, sondernauch ein Instrument, um sich mit politischen Geschehnissen im Fokus der Öffentlichkeitauseinanderzusetzen. Den Sinn und die Notwendigkeit eines PUA zur HSH Nordbank sieht derSSW nicht darin, die Mitglieder der Landesregierung in den verschiedenen Gremien der HSHNordbank vorzuführen und ihren Rücktritt zu fordern. Es geht uns stattdessen erstens darumaufzuklären, wie es dazu kommen konnte, dass die HSH Nordbank ohne erhebliche staatlicheKapitalaufstockungen und Garantiegewährungen heute mitten in einem Insolvenzverfahrenstecken würde. Und zweitens geht es uns darum aufzuklären, wieso die Mitglieder derLandesregierung in den verschiedenen Gremien nicht frühzeitig gemerkt haben, dass diese 2Bank völlig aus dem Ruder läuft und so lange gewartet haben zu handeln, bis die schlechtesteLösung für Schleswig-Holstein laut Landesregierung die einzige Lösung war.Um Ihnen allen die Dimensionen noch einmal klar zu machen: Wie reden hier nicht überPeanuts! Wir reden über 2 Milliarden Euro Kapitalaufstockung durch Hamburg und Schleswig-Holstein im Frühjahr 2008. Wir reden über 3 Milliarden Euro Kapitalaufstockung durch diebeiden Länder genau ein Jahr später. Und wir reden über 10 Milliarden Euro Garantien durchdie beiden Länder und dann noch einmal 30 Milliarden Euro Garantien durch den SoFFin desBundes. Und als wenn diese Summen nicht schon längst unsere gesamte Vorstellungskraft undunser Verständnis sprengen, kann noch niemand sagen, welche weiteren Summen noch aufunser Land zukommen, um der HSH Nordbank in Zukunft ihre miserable Geschäftspolitik zufinanzieren. Die Landesregierung hat in den letzten Monaten nämlich sehr deutlich gemacht,dass sie auch bei weiteren Verlusten der HSH Nordbank kein Interesse daran hat, dieHilfsangebote des Bundes in Anspruch zu nehmen.Schon frühzeitig wurde vor verschiedenen Geschäften der HSH Nordbank und ihrenAuswirkungen gewarnt. Nicht nur der ehemalige Wirtschaftsminister Herr Marnette hat zeitigkritische Nachfragen gestellt und Informationen eingefordert. Wie am Montag im FlensburgerTageblatt nachzulesen war, hat auch die Investorengruppe um J. C. Flowers frühzeitig aufProbleme hingewiesen und immer wieder einen Kurswechsel angemahnt. Trotzdem hat demAnschein nach in den entscheidenden Gremien niemand verstehen wollen, was eigentlichpassiert. Mit der Finanzkrise ließen sich die Gefahren der riskanten Geschäftspolitik der HSHNordbank aber nicht mehr verhehlen und sind völlig außer Kontrolle geraten.Die Landesregierung trägt die Verantwortung für das Land Schleswig-Holstein in denverschiedenen Gremien der Bank. Ihre Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass diese privateGeschäftsbank in überwiegend öffentlicher Trägerschaft ihre besondere Verpflichtungwahrnimmt und dementsprechend handelt. Von dieser Verantwortung hat man in den letzten 3Monaten allerdings reichlich wenig gemerkt. Und auch die HSH Nordbank ist kaum daraninteressiert, dass sie eine öffentliche Verantwortung trägt.Was uns stattdessen geboten wurde, lässt jegliche Distanz zwischen Landesregierung und HSHNordbank vermissen. Die Landesregierung und insbesondere Herr Wiegard habeneindrucksvoll bewiesen, dass sie ihre Interessen von einer Bank leiten lassen und am Wohl desLandes Schleswig-Holstein nicht interessiert sind.Da ist zum einen die geplante Auszahlung der Dividenden für 2008 zu nennen, die bei allenInteressierten nur noch Kopfschütteln erzeugte. Da ist der Umgang mit den verabschiedetenResolutionen der Großen Koalition zu nennen, die gutgläubig mit „sollte“, „könnte“, „müsste“versucht zum Ziel zu kommen und nicht verstehen will, dass weder Landesregierung noch HSHNordbank daran interessiert sind, was sich die Parlamentarier so alles wünschen. Und dann istda natürlich das Wichtigste zu nennen, die Kapitalaufstockung und Garantiegewährung sowiedie damit verbundene strategische Neuausrichtung der HSH. Seit November letzten Jahreshaben sich die Parlamentarier um Kopf und Kragen diskutiert, um herauszufinden, welcheHandlungsspielräume und welche Alternativen es gibt, damit Schleswig-Holstein nicht für dieRettung der Bank aufkommen muss.Die Landesregierung und ebenso die Vertreter der Bank haben mit nebulösen Darstellungenund einer katastrophalen Informationspolitik geglänzt, so dass erst nach einer ganzen Weiledeutlich wurde, was hier gespielt wird. Die Entscheidung für einen Mini-SoFFin durch dieLänder Schleswig-Holstein und Hamburg war schön längst gefällt, die strategischeNeuausrichtung der Bank längst geplant. Der Landesregierung ging es jetzt nur noch darum,diesen Alleingang möglichst unauffällig allen Entscheidungsträgern unterzujubeln. Hat ja auchgeklappt - könnte man denken. Stimmt aber nicht, hat nicht geklappt - vor allem dieOpposition hat es gemerkt und sich gewehrt. 4In den Ausschüssen hat die Opposition wiederholt dafür gesorgt, dass das Thema HSHNordbank auf der Tagesordnung stand und dass ganz langsam Licht ins dunkle Handeln derLandesregierung kam. Wir haben Kleine Anfragen gestellt, Unterlagen eingefordert, denverantwortlichen Personen Fragen gestellt und mit ihnen gestritten. Spätestens mit demSteinbrück-Papier wurde deutlich, dass sich die Landesregierung frühzeitig gegen eineRekapitalisierung über den SoFFin entschieden hat und damit völlig unverantwortlich undohne Rücksicht auf Verluste die finanzielle Zukunft dieses Landes aufs Spiel setzt. Für diesesHandeln muss die politische Verantwortung festgenagelt werden.Wir brauchen daher vor allem einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um zuklären, ob die Mitglieder der Landesregierung in den Gremien der HSH Nordbank im Interessedes Landes Schleswig-Holstein gehandelt und alles getan haben, um Schaden vom Landabzuweisen. Um dies zu klären, müssen wir nachvollziehen können, was in den Jahren 2003 bis2009 in der HSH Nordbank passiert ist. Dabei steht das Kreditersatzgeschäft neben derGründung von Zweckgesellschaften und dem Risikocontrolling der Bank im Fokus desUntersuchungsausschusses. Hierzu ergeben sich zahlreiche Fragen. So zum Beispiel, wieso dasKreditersatzgeschäft von einem Tochterunternehmen in Luxemburg aufgebaut wurde, fernabvon jeglicher Aufsicht durch die Zentrale. Oder ob die Mitglieder der Landesregierung ihreKontrollpflicht in den Gremien der Bank überhaupt wahrgenommen haben. Auch die Frage, obes notwendig war, in verschiedensten Regionen der Erde Geschäfte zu machen und ob wir esbei der HSH noch mit einer Landesbank mit öffentlichem Auftrag oder längst mit einerinternationalen Geschäftsbank zu tun haben, ist von Bedeutung.Für den SSW ist außerdem der vierte Punkt des Antrags zu den Informationspflichten derLandesregierung gegenüber dem Parlament und den zuständigen Ausschüssen amwichtigsten. Aus Sicht des SSW besteht der Verdacht, dass die Landesregierung nicht allesgetan hat, um Schaden vom Land abzuweisen und dass viel mehr die Interessen der Bank alsdes Landes vertreten wurden. Teilweise hat man den Eindruck bekommen, dass die 5Landesregierung nicht komplett informiert war oder Informationen vorenthalten hat.Außerdem besteht der Verdacht, dass Landesregierung und Bankenvorstand einRettungsmodell favorisiert und selbstgefällig durchgedrückt haben. Ganz egal, welcherVerdacht sich im Untersuchungsausschuss verhärten wird, spricht all dies nicht gerade fürdiese Regierung.Die Landesregierung muss offen legen, wie ihre Informations- und Entscheidungswegeausgesehen haben. Dies gilt sowohl für Finanzminister Wiegard und seine lückenhafteInformation des Parlaments. Und dies gilt auch für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen,der sich den Vorwurf gefallen lassen muss, kritische Stimmen innerhalb der Landesregierungzum Schweigen gebracht zu haben.Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein wird aufgrund derkommenden Landtagswahl zügiger arbeiten müssen, als der Hamburger PUA. Aber lassen Siesich gesagt sein, wenn die Untersuchungen behindert und Ergebnisse herausgezögert werden,wird es in der neuen Legislaturperiode einen neuen ParlamentarischenUntersuchungsausschuss zur HSH Nordbank geben. Wir lassen uns nicht mehr mitundurchsichtigen Darstellungen abspeisen.Das Parlament trägt im Endeffekt die finanzielle Verantwortung für das Modell 3 + 10. Da darfes nicht sein, dass die Landesregierung das Parlament hintergeht und weder ausreichend überdie Alternativen informiert noch in die Entscheidungsprozesse mit einbezieht.Auch mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss können wir das Modell 3 + 10nicht rückgängig machen. Aber wir können unabhängig und selbständig die Sachverhalteprüfen, begangene Fehler aufdecken und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Sobleibt uns die Hoffnung, dass aus den Fehlern gelernt wird und das Land Schleswig-Holstein inZukunft nicht noch einmal in eine solche Situation gerät.