Lars Harms zu TOP 29 - Kein CO2-Endlager in Nordfriesland
PresseinformationKiel, den 7.05.2009 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 29 Kein CO2-Endlager in Nordfriesland (Drs. 16/2647)Am 12. März 2009 haben die RWE-DEA und die Landesregierung in einer gemeinsamen Presse-mitteilung verkündet, dass sie die Möglichkeiten der Einlagerung von klimaschädlichem CO2 ausKohlekraftwerken in Nordfriesland, Ostholstein und der küstennahen Nordsee erkundenwerden. Partner bei diesem Vorhaben sind die Universität Kiel, das IFM-GEOMAR sowie dieBundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Bis Ende 2009 sollen die seismischenUntersuchungen abgeschlossen sein und im Sommer 2010 wird gegebenenfalls eineErkundungsbohrung durchgeführt werden. Sollten diese Voruntersuchungen erfolgreich sein,dann sollen die CO2 –Abfälle aus Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen künftig in flüssigerForm über eine 500-km-Pipeline nach Schleswig-Holstein fließen und hier in den Untergrundgepumpt werden. So weit die Ausgangslage.Wir halten dieses Vorhaben aus zweierlei Gründen für falsch. Zum einen stellt sich, wie bei jederEndlagerung von umweltschädlichen Substanzen die Frage, ob diese wirklich dauerhaft vonMensch und Natur ferngehalten werden können. Zum anderen ist die CO2-Speicherung auch ausenergiepolitischen Gründen ein Holzweg. 2CO2 ist grundsätzlich erst einmal eine giftige Substanz. Wie giftig, das lässt sich anhand vonvulkanischen Kraterseen in Afrika beobachten. Zuletzt sind 1986 im Kamerun natürliche CO2-Vorkommen aus dem Nyos-See entwichen und töteten innerhalb kürzester Zeit alles Leben biszu 20 Kilometer rund um den Kratersee. Es mag sein, dass in Schleswig-Holstein ein solcher GAUdurch das plötzliche Entweichen großer Mengen von giftigem CO2 aus den geplanten Endlagernhöchst unwahrscheinlich wäre. Trotzdem sprechen wir hier von einer giftigen Substanz und esstellt sich die berechtigte und entscheidende Frage: Kann das Gas durch die Einlagerung inSalzstöcken dauerhaft von Mensch, Tier und Klima ferngehalten und von anderen Prozessen imUntergrund getrennt werden? Die Diskussion um das unsichere Endlager Asse hat gezeigt, dassSalzstöcke sich nicht immer so verhalten, wie Kraftwerksbetreiber und Geologen es gern hätten.Wie bei anderen Endlagern geht es beim CO2 um eine Lagerung, die unüberschaubar vieleGenerationen sicher überdauern soll. Deshalb kann es auch nicht befriedigen, wenn der RWE-DEA-Chef darauf verweist, dass die Natur schließlich Erdgas über Jahrmillionen sicher gelagerthabe. Es gibt eben doch einen Unterschied. Die RWE-DEA ist nicht Mutter Natur und sie wird esnie werden. Ein Eingriff durch den Menschen ist etwas anderes und keiner kann geologischeProzesse so lange voraussehen.Diesen Erwägungen muss man den energie- und klimapolitischen Nutzen gegenüberstellen, dendiese CCS-Technologie uns bringt – oder besser: nicht bringt. Denn die CO2-Endlagerung ist eineextrem teure Methode der CO2-Vermeidung. Sie verschlingt zudem selbst erheblicheEnergiemengen, weil das CO2 erst einmal abgeschieden, verflüssigt, transportiert undeingelagert werden muss. Dafür muss dann bis zu 10 % mehr Kohle verbrannt werden. Es gehthier aber auch nicht zuerst darum, das Klima zu retten; die RWE-DEA verfolgt kurzfristigefinanzielle Interessen und die bestehen darin, die RWE-Kohlekraftwerke möglichst lange amLaufen zu halten und neue zu bauen. Das vorrangige Ziel der CO2-Einlagerung ist also dieLebensverlängerung für eine veraltete Energietechnologie. Sie ist die Blutwäsche fürKohlekraftwerke, die in Zeiten des Klimawandels eigentlich nicht mehr überlebensfähig sind. Esist aber eine Milchmädchenrechnung, das Klima über der Erde dadurch verbessern zu wollen,dass man den Klimakiller in den Untergrund pumpt. Das CO2 bleibt in der Umwelt. 3Die RWE-DEA und ihre Unterstützer in der Politik werden natürlich einwenden, dass wir dieKohleverstromung noch für eine Übergangszeit brauchen, bis wir genug regenerative Energieerzeugen können. Das ist auch richtig. Aber durch Milliardeninvestitionen in CCS wird dieLaufzeit der Kohlekraftwerke länger als nötig verlängert, wird der Bau neuer Kohlekraftwerkelegitimiert und wird vor allem Geld gebunden, das in den Aufbau der nachhaltigen Energie-erzeugung fließen sollte. So verhindert die CCS-Technologie sogar den Ausbau der regenerativenEnergien. Alles in allem ist dies also ein absurdes System, das sich allenfalls aus der Sicht einesKraftwerksbetreibers betriebswirtschaftlich begründen lässt. Vielleicht überzeugt es auch nocheinen verarmten Finanzminister, der gierig auf die Konzessionsabgabe ist, die für die CO2-Speicherung fällig wird. Aber einen nachdenklichen Menschen und einen verantwortungsvollenPolitiker, der alle Vorteile und Nachteile abwägt, kann dieser Weg nicht überzeugen.Und deshalb sage ich ganz klar: Es kann nicht sein, dass die Nordfriesen und das Wattenmeerdafür herhalten müssen, dass die Energiekonzerne ein Problem mit ihren klimaschädlichenAbfallprodukten haben. Wir in Nordfriesland werden nicht den Boden unter unseren Füßendafür hergeben, dass mit solchen fragwürdigen Technologien die Laufzeit der Kohleenergielänger als nötig verlängert wird. Der SSW fordert die Landesregierung auf, das Projekt für einemögliche Speicherung von Kohlendioxid in Nordfriesland zu stoppen. Es liegt in ihrer Hand,dafür zu sorgen, dass der nordfriesische Untergrund und das Wattenmeer nicht zum Endlagerfür die Abgase der Kohlekraftwerke von RWE-DEA werden. Dieses Projekt wird vomWissenschaftsministerium und vom Umweltministerium unterstützt und vom Landesamt fürBergbau, Energie und Geologie genehmigt. Damit hat die Landesregierung genug Möglichkeitenin der Hand, das Projekt wieder zu stoppen. Am besten sofort.Und noch ein letztes Wort: Gestern hat der Bundestag bereits in erster Lesung einenGesetzentwurf zur "Regelung der Abscheidung, des Transports und der dauerhaften Speicherungvon Kohlendioxid" beraten, mit dem die CO2-Lagerung in Deutschland geregelt werden soll. Damüssten selbst die Sympathisanten der CCS-Technologie stutzig werden. Es hinterlässt schon 4einen starken Nachgeschmack, dass die Bundesregierung den Energieversorgungsunternehmenbereits den Weg in die Endlagerung ebnet, bevor überhaupt Pilotprojekte stattgefunden haben.Deshalb fordern wir die Große Koalition auf: Sorgen sie dafür, dass ihre Parteikollegen imBundestag und der Bundesrat nicht noch schnell vor der Bundestagswahl ein Gesetz zur CCS-Speicherung durchdrücken und so eine Vorfestlegung im Sinne der Kraftwerksbetreiber treffen.Selbst der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung warnt vor vorschnellenWeichenstellungen und verweist darauf, dass derzeit noch viele technische, ökologische undfinanzielle Fragen im Zusammenhang mit der CCS-Technologie ungeklärt sind. Da wäre esvollkommen falsch jetzt schon ein Gesetz zur Endlagerung von CO2 aus Kohlekraftwerken zubeschließen.