Anke Spoorendonk zu TOP 16 - Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages
PresseinformationKiel, den 7.05.2009 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 16 Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode (Drs. 16/2628; 16/2643) Es war eine bewegte 16. Wahlperiode, die wir heute gern beenden würden. Am Anfang stand derhinterhältige Sturz der Ministerpräsidentin durch einen politischen „Heckenschützen“, der sichbis heute in diesem Saal versteckt hält. Es gibt viele Mutmaßungen über die Motive dieser Tat:neben persönlichen Beweggründen wurde auch über die Furcht vor der Instabilität einer sehrknappen Mehrheit spekuliert. Letztlich wissen wir es nicht. Aber was wir mit Sicherheit wissen,ist: Das, was stattdessen folgte, ist alles andere als handlungsfähig und stabil.Diese Landesregierung hat erstaunlich wenig auf die Reihe bekommen. Die glühenden Anhängereiner Großen Koalition, die 2005 von großen Taten träumten und deshalb nicht zuletzt auf denSSW einprügelten, wurden enttäuscht. Zugegeben, die Schulreform war ein Schritt nach vorn.Ich gestehe auch gerne zu, dass es seit 2005 auch eine ganze Reihe kleinerer Fortschritte ge-geben hat, allen voran die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mitDänemark und das Projekt für eine größere Selbstverwaltung in der Justiz. Und das VerhältnisSchleswig-Holsteins zum Vatikan war seit der Reformation nicht mehr so herzlich wie heute.Aber der größte Teil der letzten vier Jahre ist vergeudet worden. Das Leuchtturmprojekt desScheiterns ist die Verwaltungsstrukturreform, aber die Liste der verpassten Chancen ließe sich 2beliebig lang fortsetzen. Die Große Koalition hat keine großen Taten vollbracht und keineschwierigen Reformen bewältigt, im Gegenteil. Das Gesamtwerk dieser Regierung trägt denTitel „Die Unvollendete“.Zu diesem Bild passt, dass der Chef der Regierung sich jahrelang damit begnügt hat, als Landes-vater über Dörfer und Marktplätze zu tingeln, und Körperkontakt zum Bürger mit bürgernaherPolitik verwechselte. Das hat ihm ja auch lange hohe Popularitätswerte gesichert. Es fiel garnicht auf, dass Peter Harry Carstensen zu wichtigen landespolitischen Themen schwieg und sichim Gegensatz zu seinen CDU-Ministerpräsidenten-Kollegen kaum auf Bundesebene eingebrachthat. Jetzt, wo die Krise entschlossenes politisches Handeln fordert, hat der Ministerpräsidentzum Anfassen aber seine Faszination eingebüßt. Nun wird immer deutlicher, dass wir einenRegierungschef haben, der auf Volksfesten zur Hochform aufläuft aber politisch versagt. Als dasDrama um die HSH-Nordbank sich entfaltete, war Peter Harry Carstensen monatelanguntergetaucht und schob seinen Finanzminister vor. Aber irgendwann ließ sich nicht mehrverstecken, dass der Ministerpräsident sich wegduckt, wenn es ernst wird. – Und kein Menschglaubt, dass Schuld an der Misere nur ein Regierungssprecher war, der uns die herausragendenQualitäten Carstensens beim Krisenmanagement verschwieg.Wenn die Große Koalition trotz dieser lähmenden Bilanz nicht zuerst mit politischer Lethargieverbunden wird, dann liegt es – neben der Mobilität des Ministerpräsidenten - daran, dassandere hervortretende Persönlichkeiten des Bündnisses erfolgreich auf sich aufmerksammachen konnten. Immer wieder wurden die Bürgerinnen und Bürger Zeugen von unfruchtbarenStreitigkeiten um zentrale Vorhaben: Verwaltungsreform, Schülerbeförderungsgebühren,Entbürokratisierung, kostenfreie Kita, Beamtenbesoldung, HSH-Nordbank, Personalabbau,Schuldenbremse. All diese wichtigen Themen und viele mehr stehen in Schleswig-Holstein vorallem für eines: eine Koalition, die sich nicht einig werden kann und diese Uneinigkeitwechselseitig durch mal mehr mal weniger persönliche Angriffe auf den Koalitionspartner zuMarkte trägt. Statt eines konstruktiven Burgfriedens der Großen haben wir in den letzten vierJahren einen schwelenden Nachbarschaftsstreit erlebt, der immer wieder öffentlich ausgetragen 3wurde. Und seit vielen Monaten erleben wir nun einen unversöhnlichen Dauerkonflikt zwischender CDU und der SPD, bei dem sich die Partner mit allem bewerfen und beschießen, was diepolitische Waffenkammer hergibt.Jeder Unternehmensvorstand und wahrscheinlich auch die meisten CDU-Ortsverbände hätten ineiner solchen Lage längst einen Mediator geholt, der zwischen den Parteien eine halbwegsvernünftige Kommunikationsebene wiederherstellt. Die Regierung hat es aber geschafft, ohneHilfe weiterzumachen, weil der Chef selbst seine Aufgabe mehr als Moderator denn als Entschei-der gesehen hat. Die Leistung von Peter Harry Carstensen besteht darin, diesen chaotischenLaden vier Jahre lang zusammen gehalten zu haben. Aber mittlerweile kann sich niemand mehrder Illusion hingeben, dass die beiden Parteien wieder friedvoll miteinander leben, geschweigedenn gemeinsam Projekte durchführen können. Nicht einmal die Beteiligten selbst glaubennoch daran; das hat der Ministerpräsident ja nun deutlich zu verstehen gegeben, als er am 24.April Neuwahlen offerierte. Mit anderen Worten: Diese Beziehung ist in einer Phase, in der jederTherapeut schreiend davonlaufen würde, weil nicht einmal mehr eine geordnete Trennungmöglich ist. Sie ist am Ende.Für das Land Schleswig-Holstein und seine Menschen wäre ein vorzeitiges Ende dieser Koalitionmit Sicherheit kein Verlust, sondern der Auftakt zu einem politischen Frühling. Peter HarryCarstensen ist aber nicht bereit, daraus die Konsequenz zu ziehen und das Handtuch zu werfen.Deshalb muss das Parlament Verantwortung für das Land übernehmen und diese unseligeWahlperiode endlich beenden. Wir appellieren nochmals an die Kolleginnen und Kollegen derCDU und der SPD: Macht endlich Schluss! Wer an dieser Koalition festhält, der setzt die Parteioder persönliche Interessen über die des Landes und der schadet dem ohnehin ramponiertenAnsehen des Parlaments. Und, das sage ich besonders in Richtung der SPD: Wer weiterhin imBrustton der Überzeugung öffentlich markante Meinungen verkündet aber im Landtag immerwieder für das Gegenteil stimmt, der schadet nicht nur dem Ansehen der Landespolitik, sondernauch der Glaubwürdigkeit der eigenen Partei. 4Der SSW unterstützt jede Bemühung um Neuwahlen – solange sie nicht am 27. Septemberstattfinden sollen. Die Zusammenlegung der Landtagswahl mit der Bundestagswahl würde dazuführen, dass die Auseinandersetzung um landespolitische Probleme von der Bundespolitikverdrängt wird. Bei der kommenden Landtagswahl geht es aber für Schleswig-Holstein umsGanze. Die Bürgerinnen und Bürger müssen entscheiden, wer die großen Probleme lösen soll, diePeter Harry Carstensen & Co. gerade anbrennen lassen. Ich kann nachvollziehen, dass der eineoder andere glaubt, dass der aktuelle Rückenwind für Angela Merkel und Guido Westerwelleauch in Schleswig-Holstein mehr für die eigene Partei bewegen kann, als der Sturm um PeterHarry Carstensen oder die rhetorischen Fallböen von Wolfgang Kubicki. Aber Schleswig-Holsteinmuss eigene Antworten auf die Wirtschaftskrise, auf die steigende Arbeitslosigkeit und auf denAbsturz der HSH Nordbank finden. Schleswig-Holstein muss selbst sehen, wie wir die Schuldenabbauen und die Bildung aufbauen. Darum muss es bei der Landtagswahl gehen. Der SSW wirddaher den Antrag der Grünen unterstützen und die Änderung der FDP ablehnen.Aber natürlich kommen wir letztlich nicht umhin, dass wir heute eine Phantomdebatte führen.Die Aussage des Ministerpräsidenten zu vorzeitigen Neuwahlen war nur ein ungeschickter,naiver Versuch, von den eigenen Problemen in der CDU abzulenken. Die Konsequenzen aus demScheitern seiner Regierung mag er nicht ziehen. Also eskaliert der Kleinkrieg weiter: Angesichtsder nahenden Wahlen gönnen sich die betreffenden Herren weniger denn je das Schwarze unterden Fingernägeln. Die SPD und die CDU werden sich bis zum 9. Mai 2010 gegenseitigprovozieren, sich läutern, sich wieder bis aufs Blut reizen, sich wieder zusammenreißen und soweiter. Die Spirale dreht sich abwärts und die Bürger werden immer mehr fragen, wozu sieeigentlich eine Landesregierung brauchen, wenn diese keine Politik machen kann.Man muss kein Politologe sein, um festzustellen, dass das Vertrauen in die Integrität der Landes-politik in den letzten Wochen auf dem tiefsten Punkt seit Jahrzehnten angekommen sein dürfte.Dazu hat das CDU-SPD-Bündnis nach besten Kräften beigetragen. Letztlich hat der Hecken-schütze vom 17. März 2005 nicht nur auf Heide Simonis gezielt, sondern auch die demokratischeKultur in Schleswig-Holstein angeschossen. Wir brauchen einen Neuanfang – jetzt!