Ralf Stegner zu TOP 1: Den Bund ohne wenn und aber in die Absicherung der Risiken einbinden
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 03.04.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 1, Staatsvertrag über die Errichtung der „HSH Finanzfonds AöR“ (Drucksache 16/2511 und 16/2595)Ralf Stegner:Den Bund ohne wenn und aber in die Absicherung der Risiken einbindenWenn das Parlament heute diesem Staatsvertrag nicht zustimmt, fällt die Eigenkapi- talquote der HSH unter die Grenze von 4 Prozent, stellt der Vorsitzende der SPD- Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, klar. Das hätte die Insolvenz zur Folge. Eine kon- trollierte Abwicklung würde jedes Jahr eine Menge Geld kosten. Der Landtag erwartet eine Zusammenarbeit mit dem Bund, um die zukünftigen Risiken für unser Land zu verringern und weil Veränderungen in der Landesbankenstruktur zwingend notwendig sind. Das Parlament hat mit drei Resolutionen für Transparenz, Klarheit und deutliche politische Richtungsaussagen gesorgt. Das Krisenmanagement muss aufgearbeitet werden, aber Stegner bezweifelt, dass ein Untersuchungsausschuss da wirklich wei- terhelfen wird. Gleichwohl sichert er die konstruktive Begleitung der SPD-Fraktion zu. Weichenstellungen sind nötig: Die Interessen Schleswig-Holsteins als Geld- und Ga- rantiegeber dürfen nicht nebenbei, sondern müssen im Vorwege deutlich festgelegt und vertraglich abgesichert gewahrt werden. Bis 1. 10. 2009 ist ein Konzept über die Rolle der HSH in einer künftigen Landesbankenstruktur in Deutschland vorzulegen. Das wäre der Beitrag Schleswig-Holsteins zu dem dringend notwendigen neuen inter- nationalen Finanzsystem.Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Die Rede im Wortlaut: Dieser Landtag hat heute eine Entscheidung zu treffen, deren Dimension nicht über- schätzt werden kann. Wenn später einmal Studentinnen oder Studenten dieses Ple- narprotokoll nachlesen, werden sie in der Tat eine Sitzung analysieren, die historisch genannt werden muss. Die SPD-Fraktion in diesem Parlament orientiert sich dabei an unserem Verständnis von Verantwortung, wie es Yehudi Menuhin formuliert: „Freiheit ist nicht die Freiheit zu tun, was man will, sie ist die Verantwortung das zu tun, was man tun muss.“Die Versuchung zu sagen: „Stopp, lass uns noch mal alles prüfen, noch mal nachden- ken, noch mal zurück auf Los“ ist groß. Es wäre für uns alle praktisch, mit dem Wissen von heute noch mal im Oktober des letzten Jahres zu sein – wobei weitere Monate da- vor zu sein sicher noch besser wäre. Das sind wir aber nicht! Wenn wir, und das wird doch auch die Opposition nicht mehr bestreiten können, heute diesem Staatsvertrag nicht zustimmen, können wir nicht mehr verhindern, dass die Eigenkapitalquote der HSH unter die Grenze von 4 Prozent fällt.Dann müsste laut dem BaFin-Chef Herrn Sanio die Finanzaufsicht ein Moratorium er- lassen. Anschließend übernähme nach kurzer Zeit ein Insolvenzverwalter. Mit der In- solvenz der HSH Nordbank auch nur einen Moment zu spielen, halte er für verantwor- tungslos. Eine kontrollierte Abwicklung würde unter dem Strich jedes Jahr eine Menge Geld kosten. In diesem Fall müssten die Eigner – also die Steuerzahler des Landes Schleswig-Holstein - eine Art Gewährträgerhaftung für die gesamten Passiva geben, damit die Abbaubank kapitalmarktfähig bliebe. Kurz: Das wäre der worst case: Die BaFin macht das Licht aus – mit großem Schaden für die Finanzen des Landes Schleswig-Holstein, die Beschäftigten in der HSH, die Beschäftigten in den Unterneh- men, die mit Schiff- und Flugzeugbau zu tun haben, und und und. -3-Ich wiederhole, was ich an dieser Stelle schon mehrfach gesagt habe: Nichtstun ist keine Option. Es gibt zu der jetzigen Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt keine ver- nünftige und vertretbare Alternative. Dies hat übrigens selbst der so spektakulär aus dem Amt geschiedene frühere Wirtschaftsminister Werner Marnette genau so formu- liert. Aber – und dabei bleibe ich: Es hätte im Herbst letzten Jahres die politische Mög- lichkeit gegeben – ich meine ausdrücklich nicht nur den damals aktuellen Liquiditäts- engpass der HSH Nordbank -, den Bund stärker in zukunftsfähige Lösungskon- zepte einzubinden. Der Bund hat übrigens immer öffentlich erklärt, dass er nach der Pleite der Lehman Brothers keinesfalls zulassen werde, dass eine weitere systemrele- vante Bank – heiße sie Hypo Real Estate oder HSH Nordbank – untergeht.Es wäre gut gewesen, wenn schon seit 4 Monaten konkreter an dem Schritt II gearbei- tet worden wäre, so dass heute wenigstens halbwegs gesichert wäre, dass Schleswig-Holstein die erheblichen Risiken für die künftigen Geschäfte der HSH- Nordbank nicht fast alleine zu tragen hätte. Die Sorgen vieler Kolleginnen und Kol- legen in diesem Landtag gelten doch genau diesem Punkt, dass wir heute noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben könnten. Eine frühzeitige gemeinsame Strategie mit dem Bund hätte dem Parlament meiner Meinung nach ein deutlich bes- seres Gefühl gegeben.Dieser Landtag hat spätestens seit Beginn dieses Jahres überdeutlich gemacht, dass wir uns eine Zusammenarbeit mit dem Bund wünschen, ja, dass wir es erwarten – eben um die zukünftigen Risiken für unser Land zu verringern und weil wir Verän- derungen in der Landesbankenstruktur für zwingend notwendig halten. Ich bin froh, dass der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wie auch der Chef des SoFFin Hannes Rehm glasklar ihre Bereitschaft zum konstruktiven Zusammenwirken erklärt haben. Der viel diskutierte Brief von Peer Steinbrück ist übrigens in gut ver- ständlichem Deutsch geschrieben. -4-Der Landtag erwartet, dass sich die Landesregierung und Sie persönlich, Herr Fi- nanzminister, heute ausdrücklich zu diesem Weg bekennt. Jetzt gilt es, ohne Wenn und Aber auf den Weg in Richtung Bund einzuschwenken. Wir erwarten, dass Sie dem Landtag spätestens bis zum 01.09.2009 ein Konzept vorlegen, mit dem sichergestellt wird, dass die virtuelle und später reale Trennung von Kernbank und Abbaubank vor dem 31.12.2009 vollzogen ist und das vorsieht, den SoFFin dementsprechend kon- kret in die Absicherungsrisiken der Kernbank einzubinden.Zu den Risiken des Modells gehört besonders die Notifizierungsnotwendigkeit in Brüs- sel, was sehr kompliziert ist. Das, Herr Finanzminister, hat der SoFFin schon erreicht, aber die BayernLB und die WestLB versuchen das seit Monaten und die HSH Nord- bank hat schwierige Verhandlungen in Brüssel vor sich. Ich nenne hier nur das Stichwort Marktüblichkeit der vorgesehenen 4-Prozent-Vergütung. Aus all diesen Gründen hilft es jetzt, nicht darüber zu klagen, dass die Frist im Bundesrat nicht ver- längert wird, es geht darum, dafür zu sorgen, dass wir innerhalb dieser Frist handeln können.Ja, es wurden Fehler vor dem Zusammenbruch der Finanzmärkte gemacht und dem- entsprechend haben wir bereits in der ersten Resolution gefordert, die Ursachen für die jetzige Situation der Bank aufzuarbeiten. Mit dem Rücktritt von Herrn Berger wurde die erste Konsequenz bereits gezogen. Dass Herr Peiner nicht erneut Aufsichts- ratsvorsitzender der HSH-Nordbank werden will, ist sicher ebenfalls eine Konsequenz dessen, was geschehen bzw. nicht geschehen ist. Eine stärkere Skepsis gegenüber Gutachtern, Wirtschaftswissenschaftlern, Rating-Agenturen, Wirtschaftsprüfern und Managern ist eine notwendige weitere Konsequenz.Allerdings finde ich es schon merkwürdig, wenn ausgerechnet die, die politisch den Dammbruch in Richtung Marktradikalismus verursacht haben, sich jetzt als Schleu- -5-senwärter bewerben und mit demoskopischen Wasserständen prahlen. Finanzkon- trolle zu verstärken, das haben wir gefordert, nicht die Besserwisser von heute.Sicher wurden auch Fehler nach dem Zusammenbruch der Märkte gemacht. Die in je- der Hinsicht katastrophale versuchte Ausschüttung der 200 Mio. € ist wohl der markanteste, vielfach war die Informationspolitik ein anderer, zu dem Alleingang seit dem Herbst letzten Jahres habe ich schon das Nötige gesagt.Unerklärlich ist mir nach wie vor, warum immer wieder darauf abgestellt wird, welche Kilomengen von Papier dem Finanz- und Beteiligungsausschuss zugeleitet wurden. Entscheidend ist doch auch, es der Öffentlichkeit einfacher zu machen zu verstehen, was wir tun, wieso wir es tun und wann wir es tun. Es sind nicht nur in erster Linie die Finanzfachleute, die die Situation der Bank und vor allem des Landes besser verste- hen müssen. So etwas wie 50 Fragen und Antworten zur HSH Nordbank, ohne dass man gleich bei der ersten Antwort Fachausdrücke googeln muss, wären sicherlich hilf- reich gewesen, Herr Minister. Das erleben wir doch alle in unseren Veranstaltungen, Tag für Tag.Wir haben als Parlamentarier viele Fragen gestellt und viele Antworten bekommen. Manche waren erschöpfender, andere nicht. Sie wurden quer durch die Fraktionen un- terschiedlich bewertet. Manche Antworten kann es nicht geben, andere hätte ich mir früher und besser aufgearbeitet gewünscht, der Verweis auf Vertraulichkeit und Ak- tienrecht wurde reichlich strapaziert. Eines stelle ich fest: Es ist dieses Parlament, das wohl einzigartig in der Bundesrepublik mit drei Resolutionen für Transparenz, Klarheit und deutliche politische Richtungsaussagen gesorgt hat. Das war notwendig, das war gut und das ist auch Anlass für selbstbewusste Wahrnehmung unserer schwierigen Verantwortung als Haushaltsgesetzgeber. -6-Natürlich muss es um die Aufarbeitung des Krisenmanagements gehen, aber ich be- zweifle, dass ein Untersuchungsausschuss da wirklich weiterhelfen wird. Der Unter- suchungsausschuss ist das gute Recht der parlamentarischen Opposition in Hamburg und in Schleswig-Holstein. Die Sozialdemokraten haben hier in der Sache nichts zu befürchten und wir werden die Arbeit des PUA konstruktiv begleiten. Ich sage aber auch: Ich hoffe, dass das Interesse an der Information größer ist als das an der Insze- nierung. Dies sage ich besonders deshalb, weil tägliche Skandalschlagzeilen weder unserer Bank noch den Mitarbeitern nützen werden, sondern die Probleme der Bank eher verschärfen. Ein Untersuchungsausschuss wird auch sicher nicht herausfinden, dass die Wirtschaftskrise in Hamburg oder Schleswig-Holstein entstanden ist, nicht he- rausfinden, dass die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder Politiker wären oder macht- volle Forderungen z. B. hier anwesender Weltökonomen missachtet worden seien.Vielleicht wird er herausfinden, dass nicht Herr Marnette es war, der die meisten kriti- schen Fragen im Kabinett gestellt hat, obwohl ja auch das vertraulich sein soll. Bereits bekannt ist, dass ich selbst und andere Kollegen zu sehr den testierten Ergebnissen von Wirtschaftsprüfern vertraut haben, zu sehr auf den Sachverstand anderer Auf- sichtsratsmitglieder, den des Vorstandes und den des BaFin-Vertreters, der Rating- Agenturen und der Bundesbank, die ja auch bei jeder Aufsichtsratssitzung dabei wa- ren, vertraut haben. Das ist wahr, daran gibt es keinen Zweifel und wer da ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein. Aber fatal wäre es, aus diesen Entwicklungen nicht zu ler- nen.Vielleicht gehen wir in dem PUA auch der Frage nach, inwieweit es überhaupt sinnvoll sein kann, dass öffentliche Unternehmen, die deswegen öffentlich sind, weil sie unter anderem einen gemeinwohlorientierten Auftrag haben – und ich rechne die Stützung der regionalen Wirtschaft dazu – privatwirtschaftliche Strukturen haben sollten oder sich am Markt behaupten müssen. Es ließe sich beliebig anderes Unternehmensbera- ter-Vokabular einsetzen. -7-Eingeleitet wurde das alles mit Entscheidungen aus Brüssel. Die HSH Nordbank und ihr Geschäftsgebaren sind eben Ausfluss des Wegfalls der Gewährträgerhaf- tung, bei dem der Vorteil günstiger Kreditzinsen für die HSH wegfiel, die Erwartungen an die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe aber blieben. Dementsprechend logisch er- scheint mir zu versuchen, die mangelnden Erträge auf der einen Seite durch höhere Renditen in anderen Geschäften ausgleichen zu wollen. Ich möchte die FDP bitten, diesen Zusammenhang noch einmal nachzudenken, wenn sie weiterhin fordert, die Sparkassen in Aktiengesellschaften umzuwandeln.Ich möchte daher an alle appellieren, dass sich im Parlamentarischen Untersuchungs- ausschuss Erkenntnisgewinn, Aufwand und potentieller Schaden für die Bank in einem vernünftigen Verhältnis bewegen, und sage noch einmal für die SPD-Fraktion die kon- struktive Mitwirkung zu.All dies entbindet uns nicht von der Notwendigkeit der aktuellen Weichenstellung. Die richtigen Lehren aus der Krise haben wir bereits in den vorherigen Resolutionen deutlich gemacht – in dieser hier werden wir noch einmal konkret bei dem, was es heißt, die schleswig-holsteinischen Interessen nachdrücklich zu vertreten. Des- halb haben wir diverse konkrete Anforderungen festgeschrieben, die wir an den Ga- rantievertrag stellen. Unsere Unterstützung für die Bank knüpfen wir an Bedingungen - und auch das ist etwas, was wir bereits gelernt haben. Wir wollen, dass die Interessen Schleswig-Holsteins als Geld- und Garantiegeber nicht nebenbei, sondern im Vorwege deutlich festgelegt und vertraglich abgesichert gewahrt werden. Auch dazu haben wir uns im Übrigen wieder Gutachtern bedient. Skepsis hin, Skepsis her, es geht nicht oh- ne sie und da gilt es, für diese Branche auch gesetzlich die richtigen Anreize zu setzen und Interessenskonflikte auszuschließen bzw. zu vermeiden.Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf die Perspektiven insgesamt: -8-Ich fürchte, wir haben in der Krise das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, deswegen ist die Risikoabsicherung via Bund auch so wichtig. Ich glaube aber eben auch, dass es kein Zurück zu dem geben kann, was vorher war, sondern wir müssen lernen – was die Kontrolle angeht, aber eben auch, was das Zusammenspiel von Pri- vat und Öffentlich angeht und dass die Strukturen dieses auch ausdrücken müssen.In Hinblick auf die Bereitschaft des Bundesfinanzministers, dem, was man von ande- ren Landesbanken hört, aber auch aus dem, was uns die Sparkassen sagen, ergibt sich: Wir fordern die Landesregierung auf, dem Landtag spätestens bis zum 01.10.2009 ein - ggf. mit potentiellen Partnern gemeinsam entwickeltes - Konzept über die Rolle der HSH in einer künftigen Landesbankenstruktur in Deutschland vorzulegen. Das wäre dann unser Beitrag zu dem dringend notwendigen neuen inter- nationalen Finanzsystem.Der Philosoph Lichtenberg sagt: „Die Klugheit eines Menschen lässt sich aus der Sorgfalt ermessen, womit er das Künftige oder das Ende bedenkt.“ In diesem Geiste sollten wir als Parlament heute handeln. Wir wollen das Notwendige tun und gleichzei- tig das Maß an Vorsorge treffen, das uns möglich ist. Die SPD-Fraktion stellt sich die- ser Verantwortung.