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25.03.09
16:24 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 7, 24-26, 31: Wir müssen auch wieder neues Vertrauen investieren

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 25.03.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 7, 24, 25, 26, 31, HSH-Nordbank (Drucksachen 16/2511, 16/2586, 16/2587, 16/2543, 16/2544, 16/2545 und 16/2552)

Ralf Stegner:

Wir müssen auch wieder neues Vertrauen investieren

Zwar habe man Bedenken und Sorgen, aber die Regierung habe plausibel dargelegt, dass eine Abwicklung der Bank deutlich teurer wäre, führt der Vorsitzende der SPD- Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, aus. Sie hätte katastrophale Folgen für die Arbeit- nehmer der HSH, für den Landeshaushalt, für die Sparkassen, für die regionale Wirt- schaft. Die klare Aussage vom Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, im Falle eines weiteren Kapitalbedarfs der HSH Nordbank zur Verfügung zu stehen, sei außerordent- lich wichtig, so Stegner. Die Landesregierung solle mit dem Sonderfonds zeitnah Lö- sungen suchen, die zukünftige Risiken für den Landeshaushalt weiter reduzieren. Die Garantien müssten begrenzt werden. Die Regierung ist aufgefordert, die realisierten Werterholungspotentiale zu sichern, damit nicht Eigentümer, die sich der jetzigen Stüt- zung der Bank verweigern, vom Engagement des Landes profitieren. Stegner fordert Vorstandsgehälter unter dem vom SoFFin vorgegeben Niveau sowie Zielvereinbarun- gen mit dem Vorstand. Die Beschäftigungssicherung in Kiel und Hamburg muss Priori- tät genießen. Die Regierung solle, weiteren Regulierungen des Finanzmarktsystems zustimmen. Aktuell müsse gehandelt werden, damit diese Krise sich nicht noch weiter ausweitet. Ohne einen handlungsfähigen Staat geht es nicht, mahnt der Fraktionschef. Er fordert von den verantwortlichen Akteuren in den Banken persönliche und instituti- onelle Gegenleistungen für die Gesellschaft. Mit dem vorgeschlagenen Geschäftsmo- dell der HSH Nordbank würden, soweit man das absehen könne, die potentiellen mit-



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



telbaren und unmittelbaren Belastungen und Risiken für den Landeshaushalt mini- miert.



Die Rede im Wortlaut: Wo immer ich in den letzten Monaten hingegangen bin, sei es bei Haustürgesprächen, in Betrieben, in Vereinen und auch bei öffentlichen Veranstaltungen, hörte ich vor al- lem die Frage: „Wieso gebt ihr den Banken so unglaublich viel Geld?“ Die Lieblingsfra- ge der Opposition: „Wie konnte die HSH so versagen“ bzw. „wer eignet sich am besten als Sündenbock?“ hörte ich weniger, will aber dennoch auch darauf eingehen.

Warum geben wir den Banken bzw. jetzt ganz konkret der HSH Nordbank soviel Geld durch Kapitalaufstockung und milliardenschwere Garantien? Wir werden am 3. April schweren Herzens dem Staatsvertrag zustimmen, weil es keine vernünftige und ver- antwortbare Alternative gibt.

Bertolt Brecht hat formuliert: „Von den sicheren Dingen das sicherste ist der Zweifel.“ Ja, wir haben erhebliche Zweifel, wir haben Bedenken und Sorgen, die eine mehr, der andere weniger. Aber die Regierung hat plausibel dargelegt, dass eine Abwicklung der Bank uns alle deutlich teurer käme. Sie hätte katastrophale Folgen für Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer der HSH, über die Gewährträgerhaftung für den Lan- deshaushalt, für die Sparkassen, für die regionale Wirtschaft. „Nichtstun ist keine Opti- on“, habe ich beim letzten Mal gesagt. Zu diesem Schluss ist inzwischen – und das spricht für die Vernunft - auch die Opposition gekommen. Vielleicht sind auch dem ei- nen oder anderen scharfen Redner der Februar-Tagung inzwischen die Vorteile für Schleswig-Holstein deutlich geworden, die jedenfalls gegenwärtig in einer Fortführung der HSH liegen und auch der Kieler Kollege denkt vielleicht das nächste Mal an den -3-



für Kiel so wichtigen Schiffbau, bevor er erneut jemanden im Parlament der Unwahr- heit bezichtigt. Dies würde mich freuen.

Es war dieser Landtag, der dafür gesorgt hat, dass Fragen gestellt und auch beantwor- tet worden sind. Viele waren sehr hilfreich, nicht alles hat denen gefallen, die zu ant- worten hatten, aber es war unser Recht und ich möchte sogar eher sagen, unsere Pflicht, die wir als Haushaltsgesetzgeber Treuhänder der Steuermittel unserer Bür- gerinnen und Bürger sind. Deshalb haben wir in der letzten Tagung gemeinsam eine Resolution beschlossen und deshalb werden wir auch in dieser Tagung eine sehr klare Resolution beschließen. Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, mit der Unions- fraktion hier Einigkeit zu erzielen und ich sage auch diesmal, dass mich der Unmut darüber, von dem man auf Frühlingsfesten und aus Hintergrundgesprächen hört, we- der interessiert noch irritiert. Bei einer Entscheidung dieser Tragweite ist das Parla- ment gefordert und wir sind gewählt, diese Verantwortung ernst zu nehmen.

Wir haben in den letzten Wochen weitere Klarheit über mögliche und nicht mögli- che Alternativen bekommen und haben viel über die Entscheidungsgründe auch di- rekt von den Verantwortlichen des SoFFin und der BaFin erfahren, wofür übrigens der Vorsitzende des Finanzausschusses gesorgt hat. Wir haben es damit geschafft, dass wir nicht in ein Fass ohne Boden investieren. Die klare Aussage vom Sonderfonds Fi- nanzmarktstabilisierung, im Falle eines weiteren Kapitalbedarfs der HSH Nordbank zur Verfügung zu stehen, ist außerordentlich wichtig, sie beendet auch das wochen- und monatelange Ping-Pong-Spiel in dieser Frage.
Die Landesregierung wird erneut eindringlich aufgefordert, den bereits begonnenen Dialog mit dem Sonderfonds aktiv fortzusetzen und zeitnah Lösungen zu suchen, die zukünftige Risiken für den Landeshaushalt weiter reduzieren. Der Landtag legt Wert darauf, und das sage ich ausdrücklich an Ihre Adresse, sehr geehrter Herr Finanzminister, dass mögliche weitere Hilfen für die Bank vom Bund gegeben werden und diese gegebenenfalls nachdrücklich eingefordert werden müssen. Persönliche -4-



Präferenzen haben hier hinter dem eindeutigen Willen der Volksvertretung zurückzu- stehen. Dieses, meine Damen und Herren, hat im Übrigen vielen in meiner Fraktion – und ich vermute auch bei den Kollegen von der Union - die geforderte Zustimmung zum Staatsvertrag deutlich leichter gemacht.

Die Beratungen in den letzten Wochen waren aber auch deswegen wertvoll, weil die Bedeutung des Garantievertrages immer deutlicher geworden ist. Hier spielt die ei- gentliche Musik, auch wenn im Staatsvertrag das Parlament zustimmt, dass gleich 3 Milliarden Euro fließen werden. Wir erwarten deswegen eine Einbindung des Beteili- gungsausschusses bei der Abfassung der Garantieerklärung, wir erwarten, dass die Garantien begrenzt werden und sich nicht auf die Zukunftsgeschäfte der HSH bezie- hen. Dies würde nämlich das Risiko für Schleswig-Holstein deutlich erhöhen und wäre europarechtlich höchst bedenklich. Es ist ja ohnehin so, dass die Hilfe für die HSH Nordbank anders als bei anderen Landesbanken der Bank unmittelbar nützt; aber im Gegenzug ist eben das Ausfallrisiko für das Land bezogen auf Eintrittswahrscheinlich- keit und Höhe der staatlichen Garantien eben auch größer als bei anderen Landes- banken.

Die Anforderung der europarechtlichen Kompatibilität ist eigentlich ein Selbstgän- ger. Sie bezieht sich übrigens auch auf die Frage, ob die festgelegte Vergütung der zu gebenden Garantie marktüblich ist. Dennoch erscheint der Hinweis notwendig, da die EU-Kommission gerade festgestellt hat, dass ihrer Meinung nach sich die geplante 200 Mio. €-Ausschüttung und staatliche Hilfen, wie wir sie vorhaben, ausschließen. Schade dabei ist, dass dieser skandalöse Vorgang in Inhalt und Stil nicht aus Einsicht oder durch anderes Einwirken, sondern durch Rechtsprobleme beendet wird. Es ist beruhigend, Herr Oppositionsführer, wenn etwas, das man als ungerecht empfindet, auch tatsächlich unrecht ist. Was ist in diesem Kontext eigentlich mit den 69 Mio € vom Jahresende? -5-



Sie finden in der von CDU und SPD vorgelegten Resolution die deutliche Aufforderung des Landtages an die Regierung, im Garantievertrag stringent die Interessen des Landes Schleswig-Holstein wahrzunehmen und sich die realisierten Werterho- lungspotentiale zu sichern. Ich weiß, dass das nach Aktienrecht schwierig ist, aber auch deshalb, Herr Landtagspräsident, hat sich das Parlament noch einmal gutachter- licher Hilfe versichert. Ich bin sehr dankbar, dass auch diesbezüglich unsere Anregung aufgegriffen wurde. Damit würde verhindert, dass die Eigentümer, die sich der jetzigen Stützung der Bank verweigern, auch noch von unserem Engagement profitieren. Ich weiß nicht, wer von Ihnen den Auftritt von Herrn Flowers vor dem Ausschuss des Deutschen Bundestages verfolgt hat, kann dazu aber nur sagen, dass es offenkundig immer noch einige Unbelehrbare gibt, die nach wie vor jedes Maß verloren haben. Das ist jener Herr Flowers, der hier eingestiegen ist, als die West LB ihre Anteile verkaufen musste und wir leider weder die Haspa noch die Swedbank gewinnen konnten und schon gar nicht selbst die Anteile hätten erwerben können. Das ist auch jener Herr Flowers, der bei der schon im Niedergang befindlichen Hypo Real Estate-Bank speku- lativ 1 Milliarde Euro investiert hat, die aktuell nicht einmal mehr 100 Mio Euro wert sind, und auch deshalb wird wieder die Melodie „Verluste sozialisieren, Gewinne priva- tisieren“ gespielt, anstatt Peer Steinbrück zu unterstützen, wenn er das Geld der Steu- erzahler wirksam schützen will.

Wer sich früher nicht überlegt hat, wo die 25 Prozent Rendite bei 2-3 Prozent Wirt- schaftswachstum denn herkommen sollen, dem ist es jetzt wahrscheinlich auch egal, wer ihm seine Taschen füllen soll. Um das noch einmal deutlich zu sagen: Der auch von Herrn Flowers betriebene Kasinokapitalismus ist gescheitert und die dafür Ver- antwortlichen dürfen nicht auch noch belohnt oder entschädigt werden, nein, die müs- sen zur Kasse gebeten werden.

Lassen Sie mich auch ein Wort zum Sparkassen- und Giroverband Schleswig- Holstein sagen, der ja - wie die Wirtschaftsvertreter leider auch - erfolgreich den Ein- -6-



druck vermittelt, als säßen im Aufsichtsrat nur Regierungspolitiker. Dabei sind das mehrheitlich andere Vertreter aus Wirtschaft und Finanzwelt, ja – ob sie es glauben oder nicht -, der Vorsitzende des SGV Schleswig-Holstein war sogar höchst persönlich Vorsitzender des Risikoausschusses. Mir geht es nicht um Flucht aus Verantwortung – wirklich nicht, aber: Der SGV ist Anteilseigner der HSH Nordbank, er hat in den voran- gegangenen Jahren davon genau wie das Land Schleswig-Holstein sehr profitiert und hätte gerade, was die Entwicklung des künftigen Geschäftsmodells angeht, aber auch die aktuelle Stützung, ein wenig mehr Einsatz zeigen können, anstatt mit nicht beson- ders klugen Interviews Gefahr zu laufen, den Wert des gemeinsamen Eigentums wei- ter zu minimieren.

Die SPD-Landtagsfraktion erwartet deutliche Konsequenzen für den Vorstand der HSH Nordbank und dies geht weit über die Verursachersuche hinaus. Als finanzschwaches Land erwarten wir Vorstandsgehälter, die unter dem vom SoFFin vorgegeben Niveau liegen. Wir erwarten außerdem, dass mit dem Vorstand Zielvereinbarungen abge- schlossen werden, die die Anforderungen des Schleswig-Holsteinischen Landtages, die er in Resolutionen dargelegt hat, aufnehmen. Für mich gehört auch die Installation eines Risikofrühwarnsystems zur Absicherung der schleswig-holsteinischen Interes- sen.

Die anfangs angesprochene Frage, warum gebt Ihr den Banken soviel Geld, ist meiner Meinung nach nur mit einem guten Gewissen zu beantworten, wenn wir kurzfristiges Krisenmanagement mit grundlegenden weitergehenden Änderungen verbinden. Dazu gehört, dass wir für die HSH und das gesamte Finanzsystem Rahmenbedingungen gestalten, die zukünftig eine solche Fehlentwicklung verhindern.

Wer keine Fehler gemacht hat, werfe den ersten Stein; wer aus diesen aber nichts ge- lernt hat und keine Konsequenzen zieht, der verdiente in der Tat deutliche Kritik. Ich halte die Forderung nach einer Abkehr von kurzfristigen Rendite-Interessen und die -7-



Aufforderung, künftig eine nachhaltige Geschäftspolitik zu betreiben, für genauso ent- scheidend wie bei manchem, der sich jetzt zu Wort meldet, entlarvend.

Jack Welch, früher ein Chefpropagandist des Marktradikalismus, hat neulich den sha- reholder value als die dümmste Idee der Welt bezeichnet. Gut gebrüllt, Löwe. Denn die Orientierung am shareholder value lief den langfristigen Interessen zuwider und trägt einen Großteil der Schuld für die jetzige Wirtschafts- und Finanzkrise. Wir müs- sen daher nicht nur den Vorstand der HSH auch in den Gehaltsstrukturen auf eine nachhaltige Geschäftspolitik verpflichten, sondern künftig falsche Anreize im gesamten System vermeiden.

Zu den Dingen, die wir konkret absehen können, gehört eine gute Passage aus den in der strategischen Neuausrichtung zum Staatsvertrag dargestellten Regeln der good governance. Wir haben sie daher in der Resolution noch einmal aufgegriffen.

Zu der nachhaltigen Orientierung gehört auch ein vernünftiger Umgang mit den Be- schäftigten. Ich begrüße außerordentlich, dass Vorstand und Gesamtbetriebrat sich auf diesbezügliche Eckpunkte geeinigt haben. Es gehört auch zu unserer politischen Verantwortung: Wenn wir der Bank etwa 1,5 Mrd. € zuschießen, können und müssen wir erwarten, dass Beschäftigungssicherung in Kiel und Hamburg Priorität genießt.

Ein vernünftiges Verhältnis zu den Sparkassen gehört ebenso zu einer nachhaltigen Geschäftspolitik. Ich glaube, dass sich HSH und Sparkassen gut ergänzen können und, wenn sie denn wollen, beide Vorteile aus diesem Miteinander ziehen. Es ist be- dauerlich, dass dieses in den letzten Jahren kaum der Fall war. Ich erwarte, dass sich das ändert. Gerade bei der von uns eingeforderten aktiven Weiterentwicklung des Landesbankensystems in Deutschland können sie wertvolle Partner sein. Dies gilt ins- besondere bei der gewonnenen Erkenntnis, dass die Landesbanken ohne ein ausge- prägtes Privatkundengeschäft, die also fast ausschließlich auf dem Kapitalmarkt agie- -8-



ren, eine Risikoballung haben müssen und stärkeren Schwankungen unterliegen als Geschäftsmodelle, die auf mehreren Füßen stehen. Hier liegt, Herr Oppositionsführer, eine Antwort auf Ihre Frage – wobei Sie mir wohl nicht widersprechen werden, wenn ich drauf verweise, dass es private Banken gibt, deren Verluste und Risiken deutlich höher liegen.

Gesine Schwan hat Anfang März die SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein be- sucht und den sozialdemokratischen Abgeordneten, aber auch den Abgeordneten von SSW und Grünen deutlich gemacht, warum ihrer Meinung nach die jetzige Krise über eine Finanz- oder Wirtschaftskrise hinausgehe. Das kurzfristige unternehmerische Denken korrespondiere auf nahezu fatale Weise mit Strukturen und Lehrinhalten im Bildungssystem, die egoistische, verantwortungslose mit Scheuklappen versehene und in ständiger Konkurrenz denkende Individuum förderten.

Wir müssen, glaube ich, viel mehr verändern, als wir jetzt absehen können. Helmut Schmidt nennt das alles „Raubtierkapitalismus“ Er sagte: „Je dichter der Verkehr wird, umso mehr Verkehrsregeln und -aufsichten und Verkehrspolizei braucht man. Und das gleiche gilt für den internationalen Finanzverkehr." Der Markt braucht Regeln, die für das Funktionieren, für die Fairness und für die Moral der Märkte sorgen!

Der Glaube an den Markt als Allheilmittel und oberste Instanz zerstört Arbeitsplätze, Wohlstand, Umwelt, private und soziale Beziehungen, zerstört die Würde der Men- schen und Hoffnungen. Wir fordern daher die Regierung eindrücklich auf, weiteren Regulierungen des Finanzmarktsystems zuzustimmen. Ein „weiter so“ darf es nicht geben.

Die Liberalisierung der Finanzmärkte, extreme internationale Handels- ungleichgewichte, mangelnde Binnennachfrage aufgrund einer einseitigen Ausrich- tung auf kurzfristige Profite und den shareholder value haben das Wirtschaftssystem -9-



gegen die Wand gefahren. Und all die neunmalklugen Verfechter des Marktradikalis- mus in der Wissenschaft, den Universitäten, Wirtschaftsberatungen, Ratingagenturen und Unternehmen, leider auch der Politik, bis in meine Partei hinein, haben nichts ge- merkt. Das „immer mehr“ ist kollabiert.

Richtig ist, dass demokratische Politik und Staat sich nun mit aller Kraft dagegen stemmen, um einen Totalschaden zu verhindern. Handeln, nicht weil wir Banken ret- ten wollen oder Bankern helfen wollen, die unverantwortlich gehandelt haben, sondern weil wir verhindern müssen, dass diese Krise sich noch weiter ausweitet: ⇒ Eine Wirtschaft ohne Kreditmöglichkeiten kollabiert. ⇒ Pensionsfonds und Versicherungen haben Einlagen in Banken.

Diese schlimmste Krise des Finanzsystems seit 1929 verstärkt die weltweite konjunk- turelle Krise ⇒ mit Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, auf die Einnahmesituation der öffentlichen Hand und auch auf die HSH Nordbank.

Deutlich wird, dass es ohne einen handlungsfähigen Staat nicht geht und im Ge- gensatz zu anderen Fraktionen und Parteien haben wir Sozialdemokraten keine ideo- logischen Probleme damit, sondern können konsequent konkrete Lösungsvorschläge einbringen und umsetzen. Natürlich stehen die gesetzlichen Forderungen an erster Stelle und daneben auch eine klare Entscheidung dafür, dass mit der Refinanzierung in dieser Finanzkrise nicht die belastet werden dürfen, die nicht verantwortlich dafür sind – eben deshalb steht z. B. die Einführung einer Börsenumsatzsteuer für uns auf der Agenda. Aber die Sache hat auch eine moralische Dimension, wie wir ja – kurz vor der Bundesversammlung - gestern auch aus Schloss Bellevue gehört haben.
In der jetzigen Krise ist es Mode geworden, vom Staat nur noch zu fordern. Keine der beteiligten Banken bzw. ihrer Führungskräfte hat bis jetzt auch nur ansatzweise - 10 -



erkennen lassen, was sie im Gegenzug für den Staat und die Gesellschaft zu leisten bereit ist.
Es sind Transferleistungen in bisher nicht vorstellbarer Höhe geflossen und noch hö- here Garantien sind gegeben worden. Ich fordere deshalb die dafür verantwortlichen Akteure auf, darüber einmal nachzudenken, welche persönlichen und institutionel- len Gegenleistungen für die Gesellschaft von ihnen erbracht werden können. Sie mögen das naiv finden, aber lassen Sie mich einmal fragen:
Könnten üppig gezahlte Boni nicht auch mal den Begabtenförderungswerken, dem START-Programm zur Ausbildungsförderung junger Menschen aus Einwandererfami- lien, der Schuldnerberatung oder Umweltprojekten zur Verfügung gestellt werden? Oder wie wäre es mit persönlichem Engagement für die Gesellschaft im ehrenamtli- chen und karitativen Bereich als ein Signal für eine veränderte innere Haltung. Dies gilt für die Vorstände persönlich, aber auch für ein Klima im Unternehmen, das die Be- schäftigten zu ehrenamtlichem Engagement ermutigt und es ihnen z. B. durch eine Begrenzung von Überstunden auch ermöglicht.

Lassen Sie uns eines nicht vergessen: In den riesigen Beträgen, die aus Steuergel- dern der Allgemeinheit jetzt an die Banken fließen, steckt die Arbeitsleistung von Milli- onen von Menschen. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch Banken das, was im Grundge- setz steht, nämlich „Eigentum verpflichtet“, ernst nehmen und etwas für die Allge- meinheit tun. Das wäre ein wirklich neues Geschäfts- und Gesellschaftsmodell. Es gibt in unserer Gesellschaft nämlich nicht nur sittenwidrig niedrige Löhne, sondern auch sittenwidrig hohe Gehälter.


Für uns im Landtag ist es jetzt primär wichtig dafür zu sorgen, dass die Unterstützung der HSH Nordbank für das Land Schleswig-Holstein so kostengünstig wie möglich gestaltet wird. Deswegen haben wir in der letzten Landtagssitzung die Erwartung aus- - 11 -



gesprochen, die potentiellen mittelbaren und unmittelbaren Belastungen und Risiken für den Landeshaushalt kurz-, mittel- und langfristig zu minimieren.

Dies ist, soweit wir das absehen können, mit dem jetzt vorgeschlagenen Modell der Fall. Wir müssen hier auch wieder neues Vertrauen investieren, wenn’s auch schwer fällt und für mich auch als Konsequenz aus meiner eigenen früheren Aufsichtsratstä- tigkeit der alte Satz gilt: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Wir erwarten aller- dings, dass die Informationspolitik des zuständigen Ministers und insbesondere der HSH Nordbank durchgängig den Ansprüchen gerecht wird, auf die dieses Parlament Anspruch hat und das gilt keineswegs nur für die vertraulichen Sitzungen des Beteili- gungsausschusses, sondern eben auch für das, was die Öffentlichkeit in einer solchen Angelegenheit selbst dann verstehen können muss, wenn sie sich nicht täglich mit Bank- und Finanzfragen beschäftigt. Wir hören, dass die HSH Nordbank systemrele- vant für unser Wirtschaftssystem sei. Ich sage hier, systemrelevant sind für uns Sozi- aldemokratinnen und Sozialdemokraten vor allem die, die täglich ihrer harten Arbeit nachgehen! „Systemrelevant“ sind für uns die Kinder und ihre Bildung! „Systemrelevant“ ist für uns das ökologische Überleben auf diesem Planeten! (Das Plakat an der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt: „Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet“ spricht Bände.)

Wir alle hier im Parlament haben aber auch die Verantwortung, die Fragen so zu be- antworten, dass der Glaube an unser Gesellschaftsmodell, an die Demokratie nicht verloren geht bzw. weiter beschädigt wird. Ich glaube, dafür können wir heute einen guten Anfang machen.