Lars Harms zu TOP 12 - Küstenschutz an Nord- und Ostsee
PresseinformationKiel, den 27.02.2009Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 12 Schleswig- Bilanz und Zukunft des Küstenschutzes in Schleswig- Nord- Holstein an Nord- und Ostsee Drs. 16/2403Es freut mich, dass die vorliegende Antwort der Landesregierung auf die umfangreiche GroßeAnfrage das Thema Küstenschutz hier im Landtag debattiert wird - schließlich hat derKüstenschutz eine Jahrhunderte lange Tradition und ist von immenser Bedeutung für unserLand. Aus diesem Grund hat der Küstenschutz den notwendigen Vorrang in bezug auf andereNutzungen und Ansprüche. Dazu hat Schleswig-Holstein sich immer bekannt, auch wenn es umden Nationalpark geht. Dies haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, weil das Leben und dasHab und Gut der Menschen hinter den Deichen uneingeschränkt geschützt werden muss.Die Antwort auf die Große Anfrage macht deutlich, vor welchen Herausforderungen wir stehen.Dies gilt insbesondere, wenn es um die Sicherheit in Bezug auf die Deiche geht. Die schwerenSturmfluten an der Westküste haben zwar nicht zugenommen, aber die Entwicklung derJahreshöchstwasserstände ist signifikant gestiegen. Unter diesem Aspekt ist auch der Anstiegdes Meereswasserspiegels zu sehen. Es wird deutlich, dass wir bis zum Ende des Jahrhundertsvon einem mittleren globalen Anstiegswert von 20 bis 60 cm ausgehen müssen. Zu diesem 2Ergebnis kommt der vierte Klimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Chance (IPCC).Zwar sind die Vorhersagen des IPCC hierzu mit mehreren Unsicherheiten behaftet, aber ichglaube, dass wir trotz allem von diesen Untersuchungsergebnissen ausgehen können. Damitstehen wir in Schleswig-Holstein auch nicht allein, dies ergab ein Vergleich im Rahmen desINTERREG-Projektes SAFECOAST. Demnach legen alle Nordseeanrainerstaaten vergleichbareWerte zugrunde.Daher schüren Szenarien, die wissenschaftlich nicht untermauert sind, die aber darlegen, dassder Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen wird, unnötigerweise Panik. Solche Aussagentragen nicht zum sachlichen Umgang und zur fachlichen Weiterentwicklung des Küstenschutzesbei.Die Erkenntnisse des IPCC werden in den Generalplan Küstenschutz einfließen. Denn derzeit gehtder Generalplan - der auch vom SSW mitgetragen wird - von einem Meeresspiegelanstieg von30- 50 cm bis zu Jahr 2100 aus. Auch vor der Erwartung, dass die Meeresangriffe auf dieschleswig-holsteinischen Küsten stetig zunehmen werden. Das bedeutet, dass wir uns daraufeinstellen müssen, die Deiche und Sperrwerke zu erhöhen und zu verstärken.Wir wissen, dass dies mit enormen Kosten verbunden sein wird. Angesichts der finanziellenHerausforderungen, vor denen wir in den kommenden Jahren stehen, sollten wir daher davonabsehen, Küstenschutzmaßnahmen mit Ausgleichszahlungen zu belasten. Dies ist eine alteForderung der Westküste und des SSW. Unser Antrag wurde seinerzeit von allen Fraktionen hierim Landtag vehement bekämpft und abgelehnt – gleichwohl ist er immer noch richtig undsachgerecht.Der Küstenschutz wurde über die Jahrhunderte immer wieder weiterentwickelt und verbessert.Von diesem Weg darf Schleswig-Holstein auch nicht abweichen. Die notwendigeWillenserklärung geht auch aus dem Generalplan hervor. Doch derzeit sieht so aus, dass dieeffizienteste und umweltverträglichste Küstenschutzmaßnahme zur Stabilisierung von sandigenKüsten die Sandersatzmaßnahmen sind. Zu diesem Ergebnis kommt auch die niederländischeDeltakommission nach Prüfung aller möglichen Alternativen. 3Aus diesem Grund sollte nach unserer Auffassung auch von der Landesregierung geprüft werden,inwieweit das unbelastete Baggergut aus dem Nord-Ostsee-Kanal genutzt werden kann, umAuskolkungen im Meeresboden vor den Inseln aufzufüllen, um somit weitere Sandabbrüche zuvermindern, statt das Baggergut nutzlos in die Natur zu kippen. Wer nach dem Orkan „Kyrill“ dieAusmaße an der Hörnum Odde auf Sylt gesehen hat, hat eine Vorstellung von dem, welcheMengen benötigt werden, um derartige Schäden immer wieder zu beheben. Leider konnte dieLandesregierung sich nicht hierzu durchringen.Uns geht es nicht darum, auf Teufel komm raus neue Küstenschutzmaßnahmen in Schleswig-Holstein zu initiieren, solange diese nicht erprobt und bestätigt sind. Es geht uns auch darum, dieForschung, Erprobung und wissenschaftliche Begleitung von alternativenKüstenschutzmaßnahmen zu fördern, damit wir in Zukunft überhaupt Alternativen haben,zwischen denen wir abwägen können. Aber dafür muss vor Ort weiter geprobt und untersuchtwerden, was in der Praxis auch bestehen kann.Die Nutzungsansprüche, die an den Küstenraum gestellt werden sind überaus vielfältig – daraufweist auch die Große Anfrage hin. Diese unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen- und wenn auch nicht immer vollständig - stellt eine große Herausforderung dar. Dass solcheProbleme aber durchaus lösbar sein können, setzt den Lösungswillen aller Beteiligten voraus. Eingutes Beispiel, dass es gelingen kann, zeigt das Vorlandmanagementkonzept. Durch dieseMaßnahme wurde es möglich, die Interessen des Naturschutzes, des Küstenschutzes sowie derLandwirtschaft zu vereinen. Im Kern geht es darum, vorhandenes Vorland zu erhalten und vorSchardeichen neu zu gewinnen. Noch in den 80’er Jahren wurden 90% Salzwiesen intensivbeweidet. Die Frass- und Trittschäden wurden aus Sicht des Küstenschutzes kritisch gesehen. DaSalzwiesen ein wichtiger Bestand der Landschaft sind und aus Sicht des Naturschutzes wertvolleLebensräume darstellen, wurde die Beweidung zurückgenommen oder extensiviert. Ein Drittelder Flächen ist heute unbeweidet.Ich glaube, dass weder die vollständige intensive Beweidung noch das völlige Freihalten desVorlandes von Beweidung derzeit ausreichend begründet werden kann. Ich bin vielmehr der 4Meinung, dass man sich auch hier auf einen Kompromiss einigen sollte, der eine moderate undextensive Beweidung bei Freihaltung von einzelnen Bereichen beinhaltet. Durch entsprechendeMonitoringprogramme kann dann auch schnell eingegriffen werden, sobald es zu bedenklichenEntwicklungen kommt. Eine solche Lösung könnte dann auch den positiven Effekt haben, dasssich die Gänsefraßschäden im Landesinneren minimieren, da den Tieren somit weitere Flächenzur Verfügung stehen.Auf gute Zusammenarbeit sind auch die Mitarbeiter in dem neuen Landesbetrieb fürKüstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz angewiesen. Denn die Nutzungsansprüche an diegesamte Küsten- und Meeresregion wird weiter zunehmen – Küstenschutz, Offshore-Windparks,Fischerei, Naturschutz oder Tourismus – all dies beinhaltet Konfliktpotentiale, wenn sich dieverschiedenen Interessen zeitlich und räumlich überschneiden. Mit der Zusammenlegung derbisherigen Nationalpark-, Küstenschutz- und Wasserwirtschaftsverwaltung wird das fachlicheWissen in einem Haus gebündelt. Hier werden künftig die unterschiedlichen Interessen in Bezugauf Nationalpark, Küstenschutz und Wasserwirtschaft unter deinem Dach zusammenarbeiten.Die Vorteile liegen auf der Hand; auf dem kurzen Dienstweg können Probleme geklärt werdenund Missverständnisse lassen sich bereits im Vorfeld ausräumen. Aber auch durch diegemeinsame Nutzung von Infrastruktur und Betriebsmitteln lassen sich Synergieeffekte erzielen.Schließlich geht es bei der Zusammenlegung auch darum, Geld einzusparen.Voraussetzung für ein gutes Gelingen ist allerdings, dass die geschaffenen Strukturen wirklichnachhaltig sind und die Qualität sich nicht verschlechtert.Wenn wir über gute Zusammenarbeit sprechen, müssen wir auch die trilateraleWattenmeerkooperation nennen. Dort wird grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufnationaler Ebene seit 1978 durchgeführt und aus dieser Kooperation haben sich die regionaleZusammenarbeit der drei Staaten und auch die grenzüberschreitende örtliche Zusammenarbeitherausgebildet. Dies ist ein gutes Beispiel, wie wir uns grenzüberschreitende Zusammenarbeitvorstellen. 5Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Dänemark und den Niederlanden ist auf allenEbenen institutionell verankert und dort werden immer auch alle Ebenen bei Entscheidungs- undUmsetzungsprozessen beteiligt. Diese Art der Kooperation schafft die notwendige Akzeptanzund bildet die Grundlagen für ökologische, kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten, die derganzen Region zu Gute kommen. Dies ist ein gutes Beispiel, wie grenzüberschreitendeZusammenarbeit gelebt wird.Abschließend kann man sagen, dass die neuen Verwaltungsstrukturen ein Fortschritt sind unddass es um den Küstenschutz solange gut bestellt ist, solange der Küstenschutz Vorrang hat.Hierfür steht der SSW auf jeden Fall.