Peter Eichstädt zu TOP 6: Die Entwicklungschancen des öffentlichen Rundfunks erhalten
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 26.02.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 6, 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (Drucksache 16/2406)Peter Eichstädt:Die Entwicklungschancen des öffentlichen Rundfunks erhaltenWohl kaum ein Staatsvertrag, der sich mit der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rund- funks beschäftigt, ist so wegweisend und so einschneidend wie dieser. Dieser Staats- vertrag wird die Rundfunklandschaft verändern!Nicht ohne Grund hat die Diskussion um den Vertrag und seine Folgen in der medien- politischen Landschaft hohe Wellen geschlagen: Die kommerziellen Medienunterneh- men haben immer weitere Restriktionen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefor- dert, gleichzeitig fürchten ARD und ZDF um ihre Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit als Garanten für ein vielfältiges kulturelles, bildungsrelevantes und unterhalten- des Programm.Auslöser für den aktuellen Änderungsbedarf war das so genannte Beihilfeverfahren der EU-Kommission. Der aus den Verhandlungen zwischen Deutschland und der EU erfolgte Beihilfekompromiss ist Grundlage für den Staatsvertrag. Dieser geht jedoch weit über das in dem Kompromiss Geforderte hinaus.Das ist am Beispiel des Internet-Auftritts der öffentlich-rechtlichen Sender darstellbar: Vom Grundsatz her ist es in Ordnung, dass die Online-Aktivitäten der öffentlich- rechtlichen Anstalten geregelt werden und dabei die Interessen der privaten Anbie-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-ter, auch der Printmedien, gewahrt bleiben. Der Staatsvertrag regelt detailliert, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet darf und was nicht. Da bereits heute mehr Jugendliche einen Computer als einen Fernseher im Zimmer haben, ist es nahelie- gend, dass es um massive Interessen zwischen den öffentlichen-rechtlichen An- bietern, den privaten Sendern und den Verlagen geht.So dürfen nach dem Vertrag die öffentlich-rechtlichen Sender künftig nur sendungs- bezogene Angebote und diese auch nur sieben Tage in das Internet einstellen, Bun- desliga- und andere Spitzensportereignisse sogar nur für 24 Stunden. Für diese 7- Tage-Regelung gibt es jedoch keine inhaltliche Begründung. Ratgeberportale sind ebenso verboten wie Veranstaltungskalender, wenn sie keinen direkten Sendungsbe- zug haben - eine unverständliche Beschränkung gerade für die Landesprogramme. Und was das Verbot des Angebotes „presseähnlicher Produkte“ eigentlich in der Praxis der Online-Präsenz der Sender bedeutet, wird sicher erst in einem Rechtsstreit zwischen Verlagen und Sendern entschieden werden.Es ist zwar zu begrüßen, dass das ursprünglich geplante Verbot, Unterhaltungssen- dungen ins Internet zu stellen, wieder aufgehoben wurde. Dies sichert die Möglich- keit, auch Kinder und Jugendliche über eine Vernetzung von Information und Unterhal- tung zu erreichen. Gleichzeitig sollen jedoch jetzt alle bestehenden Telemedienange- bote der öffentlich-rechtlichen Sender bis 2010 einem sog. Drei-Stufen-Test unterzo- gen werden, wie er bisher nur für digitale Zusatzprogramme vorgesehen war - wohl- gemerkt: auch die vorhandenen. Das bedeutet einen gewaltigen finanziellen Aufwand für z. T. lange bestehenden Angebote, die u.a. auf ihren gesellschaftlichen Mehrwert überprüft werden sollen. Wie das bei bestehenden Angeboten gehen soll, erschließt sich nicht ohne weiteres. -3-Insgesamt geht auch der Drei-Stufen-Test über die Vorgaben der Europäischen Kom- mission hinaus. Hier hätte es genügt, wenn die Sendeanstalten ein Konzept für ihre Telemedien vorlegen.Ausdrücklich begrüßen wir, dass der Vertrag auf Initiative der SPD-Fraktion des Schleswig-Holsteinischen Landtages erstmalig eine Regelung zur Barrierefreiheit im Fernsehen aufgenommen hat. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf für eine gleich- berechtigte Teilhabe von hör- und sehbeeinträchtigten Menschen am Fernsehangebot und damit an der freien Meinungsbildung in unserer Gesellschaft.Die vom Grundgesetz garantierte Rundfunkfreiheit und das grundsätzlich ausgewoge- ne Gleichgewicht der deutschen Rundfunklandschaft im Rahmen des dualen Systems muss auch für zukünftige Generationen von Mediennutzern Bestand haben. Und für diese zukünftige Generation gilt eben auch, dass öffentlich-rechtliche Medien über neue Wege, wie z. B. das Internet, verbreitet werden. Und diese vom Bundesverfas- sungsgericht ausdrücklich festgestellte Entwicklungsgarantie der öffentlich- rechtlichen Rundfunksender muss berücksichtigt werden. Ich fürchte, dass durch die genannten Punkte die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in nicht zuläs- siger Weise eingeschränkt wird.Dieser Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird jetzt in den Ländern beraten, und es ist zumindest bei realistischer Betrachtung davon auszugehen, dass wohl letzt- endlich eine Zustimmung erfolgt, schon wegen der gravierenden Folgen, die die Ab- lehnung des Staatsvertrages hätte. Auf der anderen Seite halte ich es für erforderlich, dass wir uns mit seinen Folgen sehr intensiv auseinandersetzen, um für die Zu- kunft auf anstehende Diskussionen und vermutlich auch Rechtsstreitigkeiten vorberei- tet zu sein. -4-Ich finde, wir haben in der Bundesrepublik allen Grund, stolz zu sein auf unser duales Rundfunksystem Viele Länder in der Welt beneiden uns um die Qualität der Angebote, die Unabhängigkeit der Sendeanstalten. Ich finde, wir haben allen Grund, gerade diese Unabhängigkeit – auch von der Politik und damit von uns selbst - zu verteidigen. Dazu gehört auch, dass wir unser Interesse für all das, was mit unserem öffentlich- rechtlichen Rundfunksystem geschieht, schärfen. Veränderungen sollten wir nicht Eu- ropa-Bürokraten und Juristen auf der Arbeitsebene in den Staatskanzleien überlassen.Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört den Menschen in diesem Land, sie haben einen Anspruch darauf, dass er gegen Veränderungen, die seine Unabhängigkeit und seine Entwicklungschancen bedrohen, verteidigt wird. Dieser Grundsatz sollte die Be- ratungen im Fachausschuss leiten.