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26.02.09
10:10 Uhr
SPD

Hans Müller zu TOP 9: Kultur muss für alle offen sein

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 26.02.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
TOP 9, Große Anfrage Stand und Perspektiven der kulturellen Entwicklung in Schles- wig-Holstein (Drucksache 16/2276)
Hans Müller:

Kultur muss für alle offen sein

Für uns ist die Teilhabe aller gesellschaftlicher Gruppen am kulturellen Leben entscheidend, hebt der kulturpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Hans Müller, hervor. Doch es gibt einen Konflikt zwischen der Notwendigkeit, al- len Menschen Zugang zur Kultur zu ermöglichen, und den Zwängen der zur Ver- fügung stehenden finanziellen Mittel. Der Zugang zur Kultur kann über Initiativen erleichtert werden. Für die soziale Öffnung der kulturellen Angebote muss noch viel getan werden. Land und die Kommunen müssen für ein Mindestmaß an Pla- nungssicherheit sorgen. Wichtig ist es, kulturelle Schwerpunkte zu bilden. Die öf- fentliche Hand muss in besonderem Maße das unterstützen, was es schwer hat, sich durchzusetzen. Bund, Länder und Kommunen sollten die Verantwortung nicht untereinander hin- und herschieben, sondern im Dialog Lösungen finden. Der Abbau von Bildungsbarrieren schafft gute Bildung für alle, und die ist der Schlüssel zu allen Formen der Kultur.



Die Rede im Wortlaut: Seitdem die Landesregierung im Oktober 2008 ihre Antwort auf unsere Große Anfrage zur Kultur in Schleswig-Holstein vorgelegt hat, bin ich endgültig davon



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



überzeugt, dass es richtig war, diese Anfrage zu stellen. Bei derart umfassenden Erhebungen besteht immer die Gefahr, dass man mitschuldig wird an einem rie- sigen Datenfriedhof. Das ist hier anders.

Wir haben um eine Fortschreibung der Antwort auf unsere Große Anfrage von 1997 und auf den Kulturwirtschaftsbericht von 2004 gebeten. Die jetzt vorliegen- de Bestandsaufnahme wird in ihren Daten für die wenigen Kulturpolitiker im Landtag, aber auch für sehr viele Kulturschaffende und Kultur Verwaltende, allen Ebenen, eine wichtige Arbeitsgrundlage sein. Dafür hat die Verwaltung, ganz in unserem Sinne, viel und gut gearbeitet. Vielen Dank dafür.

Ich will zunächst unterstreichen, dass die Landesregierung mit unserer Fraktion (und ich glaube, auch mit den anderen Fraktionen des Hauses) über den hohen gesellschaftlichen Stellenwert der Kultur einig ist. Für uns ist gerade die Teil- habe aller, ich betone: aller gesellschaftlicher Gruppen am kulturellen Leben ent- scheidend.

Dabei gibt es einen gesellschaftlichen und demzufolge auch einen Konflikt aller staatlichen Ebenen zwischen der Notwendigkeit, allen Menschen Zugang zur Kultur zu ermöglichen, und den Zwängen der zur Verfügung stehenden finan- ziellen Mittel.

Der Zugang zur Kultur kann über Initiativen wie die MuseumsCard, die Jugendli- che unter 17 in den Sommermonaten den freien Eintritt in zurzeit 41 Museen er- möglicht, erleichtert werden. Angebote dieser Art müssen gerade für Familien ausgeweitet werden. Hierzu trägt auch die Initiative der Lübecker Haukohl- Stiftung bei, die mit museumspädagogischen Mitteln den Zugang insbesondere für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Stadtteilen ermöglicht. -3-



Auch für die Träger der Museen ist es attraktiver, wenn Besucher immer wieder- kommen und dabei geringere Eintrittsgelder zahlen, als wenn bei hohem Ein- trittsgeld der Besuch einmalig bleibt. Wir wollen, dass Museumsbesuche auch für Menschen mit geringem Einkommen nicht einmaliges Erlebnis bleiben muss. Für die soziale Öffnung der kulturellen Angebote muss noch viel getan werden.

Das hohe Lied der Ehrenamtlichkeit wird zu Recht gesungen. Auch im kulturel- len Bereich wäre vieles nicht möglich ohne die vielen Menschen, die hier Zeit, Kraft und auch Geld investieren. Aber es gibt einen Widerspruch zwischen den schönen Sonntagsreden und den immer schlechter werdenden gesetzlichen, be- sonders steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für das Ehrenamt, besonders den immer geringeren Möglichkeiten, die Kosten ehrenamtlicher Arbeit von der Steuer abzusetzen.

Kultur lebt immer stärker von Sponsoren und privatem Engagement in Stiftun- gen. Als Lübecker Abgeordneter weiß ich das besonders zu schätzen. Würde dies wegbrechen, hätte es eine kulturelle Verödung unserer Gesellschaft zur Folge.
Die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Kulturförderung sind noch gar nicht absehbar. Deshalb sollte über die Anregung der Enquete-Kommission des Bundestages nachgedacht werden, Erbschaftssteuerschulden durch die Abgabe von Kulturgütern tilgen zu können; dazu brauchen wir natürlich eine bundesein- heitliche Regelung.
Das Land und die Kommunen werden und können keine Existenzgarantien für jede kulturelle Organisation und Institution übernehmen. Sie müssen jedoch für ein Mindestmaß an Planungssicherheit sorgen. Die geplante Beendigung ei- ner Förderung muss in einem angemessenen mehrjährigen Zeitraum angekün- digt werden, damit die Zuwendungsempfänger ausreichend Möglichkeit haben, sich um andere Einnahmen zu bemühen oder ihre Tätigkeit geordnet auslaufen zu lassen. -4-



Natürlich müssen in stärkerem Maße als bisher kulturelle Schwerpunkte gebil- det werden. Die öffentliche Hand muss in besonderem Maße das unterstützen, was es schwer hat, sich durchzusetzen, also ungewöhnlich und nicht so populär ist - allerdings nicht unbegrenzt. Kulturelle Angebote müssen auch eine realisti- sche Strategie für die Erwirtschaftung von Eigeneinnahmen haben. Hier ist Augenmaß gefragt. Die Landesregierung geht davon aus, dass bei jedem Muse- umsbesuch ein Umsatz von 15 € erreicht wird. Dieser Betrag ist für viele Men- schen, insbesondere für Familien, zu hoch.

Ich denke auch, dass wir unseren Museen mehr Eigenverantwortung über ihr Eigentum einräumen müssen. Viele Häuser verfügen über volle Magazine mit Beständen, die niemals ausgestellt und auch nicht bei der Forschungs- und Ver- öffentlichungstätigkeit des Museums berücksichtigt werden. Die beste Lösung wäre hier ein Austausch mit anderen Museen im In- und Ausland. Das wird nicht immer gehen, und deswegen meine ich, dass wir auch über die Möglichkeit nachdenken müssen, derartige Objekte zu verkaufen. Das ist ein sehr heikles Thema, das sehr leicht mit Unterschlagung und Korruption in Verbindung ge- bracht wird. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist ein verbindliches und trans- parentes Verfahren, das den Mitarbeitern und Leitungen unserer Museen Rechtssicherheit gibt.

Die Zahlen über das Einkommen freischaffender Musiker und Künstler sind erschreckend; wenn das Monatseinkommen schon im Schnitt unter 1.000 € liegt, erreichen viele Künstler nicht einmal das Niveau von Hartz-IV-Beziehern. Jegli- che weitere Belastung verbietet sich von selbst; der Landtag hat gut daran getan, als er sich vor einigen Monaten gegen Eingriffe in die Künstlersozialversicherung ausgesprochen hat. Der Enquetebericht des Bundestages hat Vorschläge zur Verbesserung dieser Versicherung gemacht, die derzeit in den zuständigen Aus- schüssen behandelt werden. -5-



Ich habe mich gefreut, dass die Antwort der Landesregierung in den Schutz un- serer nationalen Minderheiten und Volksgruppen durch die Landesverfas- sung auch die Sinti und Roma einbezieht. Wie wir alle wissen, entspricht dies noch nicht dem Wortlaut von Art. 5, weil sich hierfür bisher noch keine erforderli- che Mehrheit gefunden hat. Ich verstehe die Formulierung als Aufforderung, ge- meinsam erneut in diese Diskussion einzusteigen. Wir sind dazu bekannterma- ßen schon lange bereit.

Es gibt immer wieder eine Diskussion um die Zuständigkeit für die Kultur inner- halb der Landesregierung, auf die sich die Koalition verständigt hat. Viele würden die Kultur lieber in einem Fachressort sehen statt beim Ministerpräsidenten oder beim Regierenden Bürgermeister, wie in Berlin. Die entscheidende Frage ist nicht, in welchem Ressort, sondern was in Sachen Kultur getan wird. Aus der Antwort auf unsere Große Anfrage wird ersichtlich, dass in unserem finanz- schwachen Land kulturell sehr viel in Bewegung ist.
Weitere strukturelle Fragen ergeben sich aus unserer föderativen Staatsordnung. Es nützt niemandem, wenn Bund, Länder und Kommunen die Verantwortung untereinander hin- und herschieben. Der Enquetebericht des Bundestages hat für alle Ebenen gangbare Handlungsanweisungen formuliert, die im Dialog und gutem Willen gelöst werden können. Eine Verstetigung des Dialogs der drei Ebenen ist unverzichtbar und unser ausdrückliches Interesse.

In der Antwort ist zwar vom Dialog mit den Kommunen die Rede; gleichzeitig sa- hen sich viele Kommunen leider nicht in der Lage, Antworten zu liefern, sieht man von einzelnen Städten wie Lübeck einmal ab.

Die Landesregierung beschreibt die Zusammenarbeit der verschiedenen Ministe- rien. Erstaunlich für mich war, dass das Bildungsministerium dort nicht ausdrück- lich genannt wurde. Erst nach den Ministerien für Wirtschaft und Wissenschaft -6-



und für Ländliche Räume folgt das Jugendministerium. Meine Priorität gilt der engen Zusammenarbeit zwischen Bildung, Kultur und Jugend.

Der Abbau von Bildungsbarrieren schafft gute Bildung für alle, und die ist der Schlüssel zu allen Formen der Kultur. Die ästhetische und kommunikative Er- ziehung in Kita und Schule, aber auch in der Berufsbildung sind unverzichtbar für den kulturellen Zugang. Wir haben die richtige Richtung im Kita-Gesetz und im Schulgesetz eingeschlagen.
Lassen Sie mich zusammenfassen: 1. Kultur darf kein Luxus und muss für alle offen sein; also demokratische Kultur und kulturelle Demokratie verwirklichen. 2. Kulturpolitik muss Kreativität und Phantasie anregen, also auch Spaß ma- chen. 3. Wir brauchen eine unbegrenzte Vielfalt kultureller Angebote, was Alltags- und Industriekultur ausdrücklich mit einbezieht.
Wir sind auf dem Weg, haben aber noch eine weite Strecke vor uns. Vielen Dank auch an alle nicht genannten Kulturschaffenden, ohne die unser Land deutlich ärmer wäre.

Ich schlage vor, die Antwort der Landesregierung dem Bildungsausschuss feder- führend und den übrigen Ausschüssen zur Mitberatung zur abschließenden Be- handlung zu überweisen.