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25.02.09
12:15 Uhr
SPD

Ralf Stegner zu TOP 19: Wir tragen Verantwortung - Nichtstun ist keine Option

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion

Kiel, 25.02.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell
Top 19, Neuausrichtung der HSH Nordbank (Drucksachen 16/2470, 16/2508 und 16/2509)

Ralf Stegner:

Wir tragen Verantwortung – Nichtstun ist keine Option

Eine Abwicklung oder Schließung der HSH Nordbank wäre in keiner Weise zu verant- worten, denn die Garantien des Landes würden in Milliardenhöhe sofort fällig, die Ar- beitsplätze in kurzer Zeit abgebaut, der Wertverlust der Anteile träte sofort ein, die Konsequenzen für diejenigen, die mit der Bank Geschäfte gemacht haben, wären ver- heerend, führt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, aus. Nichtstun war und ist aber keine Option. Die SPD-Fraktion stimmt trotz aller Bedenken der finanziellen Stützung der Bank mit drei Milliarden Euro Kapitalzufuhr bzw. 10 Milli- arden Euro Sicherheiten zu. Stegner knüpft aber konkrete Erwartungen und Forderun- gen an diese Zustimmung. Alle Annahmen zum weiteren Geschäftserfolg der HSH Nordbank unterliegen erheblichen Unsicherheiten. Deshalb ist es wichtig, dass der SoFFin sich an der Abschirmung zukünftiger Risiken beteiligt. Die Erfahrungen bei der HSH zeigen, dass wir bessere Kontrollmöglichkeiten der Finanzwelt brauchen und dass wir uns von Möglichkeiten kurzfristiger Spekulationen verabschieden müssen. Stegner schlägt ein Vetorecht für den Betriebsrat bei unterkapitalisierten Firmenüber- nahmen vor, denn es geht um ein langfristiges Firmeninteresse. Die Dominanz der Fi- nanzmärkte muss dauerhaft unterbunden werden.



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Die Rede im Wortlaut: Ein deutscher Bankier hat einmal formuliert: „Als erstes im Bankgeschäft lernt man den Respekt vor Nullen.“ Wir haben es in diesen Tagen mit reichlich vielen Nullen zu tun und der Respekt droht dabei zu schwinden. Die schleswig-holsteinische SPD- Landtagsfraktion verfolgt die Entwicklung im Finanzsektor im Allgemeinen und der HSH Nordbank im Besonderen mit großer Sorge. Mit großer Sorge um die Arbeitsplät- ze in den Banken, aber auch den Sparkassen und der regionalen Wirtschaft und um die Vermögenswerte von Land und Sparkassen.

Der DGB Vorsitzende Peter Deutschland hat gestern die Entscheidung der Landesre- gierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein begrüßt, die HSH Nordbank mit 3 Milli- arden Euro zu stützen. Er hoffe, dass sich das neue Geschäftsmodell der Bank bewähren werde. Das hoffen wir ausdrücklich auch – denn es wäre fatal, wenn wir in kurzer Zeit abermals vor der Entscheidung stünden: erneut helfen oder die Bank stün- de vor dem Aus. Wir sind in der Pflicht, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern die- ses Landes zu erklären, was wir tun und warum wir es tun.

Lassen Sie mich das glasklar sagen: Eine Abwicklung oder Schließung der Bank wäre in keiner Weise zu verantworten, die Garantien des Landes würden in Milliar- denhöhe sofort fällig, die Arbeitsplätze in kurzer Zeit abgebaut, der Wertverlust der An- teile für Sparkassen und Land träte sofort ein, die Konsequenzen für diejenigen, die mit der Bank Geschäfte gemacht haben, und das wäre dann für die regionale Wirt- schaft, und institutionelle Einleger wie Versicherungen usw. verheerend. Kredite wür- den platzen, Bilanzwerte verfielen und viele Firmen gingen in Konkurs, Arbeitsplätze gingen in Massen verloren. Ein solches Dominospiel ist etwas für Hasardeure und Scharlatane. Dies wäre politisch keinesfalls zu verantworten. Nichtstun war und ist keine Option. -3-



Nach einer ersten Prüfung und vielen Gesprächen, also nach all dem, was innerhalb so kurzer Zeit möglich war, trägt die SPD-Fraktion trotz aller Bedenken und Fragen aus diesem Grund und aus Verantwortung die von der Regierung vorgeschlagene fi- nanzielle Stützung der Bank mit drei Milliarden Euro Kapitalzufuhr bzw. 10 Milliarden Euro Sicherheiten mit. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die gegenwärtige Rechtslage eine unmittelbare Beteiligung des SoFFin an der Bewältigung der Altlasten und darauf gegründeter Kapitalerhöhungsmaßnahmen für die HSH Nordbank nicht ermöglicht, bedauern aber, dass beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz nicht so verhandelt wurde, dass der SoFFin schon jetzt eine mitfinanzierende Rolle übernehmen wird.

Wir wollen zugleich insbesondere die Tragfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit der Neu- aufstellung noch eingehender prüfen, weshalb sich beide Regierungsfraktionen durch einen externen und eigenständigen Gutachter beraten lassen – wer das als egozent- risch bewertet, wie ich das dieser Tage gelesen habe, dem wünsche ich eine ruhige Hand, sollte er jemals über derart viel Geld entscheiden müssen. Schon eigenartig, dass solche Kritik ausgerechnet von denen kommt, die – wenn es um Geld in Bildung oder Kinderbetreuung geht – über mangelnden Sparwillen klagen. Wir vertrauen unse- rer Regierung, ja, für diesen ersten Schritt – vor einer endgültigen Zustimmung im Par- lament nehmen wir aber alle zusätzlichen Informationen zu Hilfe, die wir bekommen können, und das ist nicht nur unser Recht, nein, bei diesen existentiellen Dimensionen ist das geradezu unsere Pflicht. An diese Zustimmung knüpfen wir sehr konkrete Er- wartungen und Forderungen:

1. Wir erwarten, dass die potentiellen mittelbaren und unmittelbaren Belastungen und Risiken für den Landeshaushalt kurz-, mittel- und langfristig minimiert werden. 2. Wir erwarten, dass möglichst viele der Arbeitsplätze der Bank insbesondere in Kiel gesichert werden und dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt. -4-



3. Die Vorgänge der letzten Wochen insbesondere im Kontext mit der via Zeitung angekündigten Sonderausschüttung der HSH Nordbank von 200 Mio € an ein- zelne Anleger der Bank haben das Vertrauensverhältnis zum Vorstand und dessen Vorsitzendem grundlegend erschüttert. Wir erwarten Konsequenzen, die über den erhobenen Zeigefinger hinausgehen. 4. Und wir erwarten eine tragfähige, verantwortbare und zukunftstaugliche Neu- ausrichtung der Bank, die ein für die Bedürfnisse des Landes und der Region taugliches Geschäftsmodell einschließt, die den Sparkassen keine Konkurrenz macht und die auch ggf. zukünftig eine strukturelle Neuaufstellung mit Hilfe des Bundes bzw. anderer Länder ermöglicht.

Jetzt geht es darum, die Bank wieder handlungsfähig zu machen und das verlangt auch eine gewisse Zuversicht.
Ich sage aber auch: Die schleswig-holsteinische SPD-Landtagsfraktion blickt ange- sichts des unklaren Verlaufs der beispiellosen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise und des unkalkulierbaren Verhaltens der anderen Anteilseigner der HSH Nordbank mit großer Sorge auf die weitere Entwicklung der Bank. Alle Annahmen zum weiteren Geschäftserfolg der HSH Nordbank unterliegen erheblichen Unsicherheiten. Wir erle- ben doch gerade dauernd, dass die Halbwertzeit von wirtschaftlichen Prognosen im Wochentakt verfällt! Mag im Moment auch kaum eine andere Alternative offen stehen, wie das behauptet wird, so brauchen wir langfristig ein Geschäftsmodell, das, bei allem Respekt vor einer Konzentration auf die Kernkompetenzen, auch eine breitere Risi- koverteilung beinhaltet, weil inzwischen auch der letzte Marktgläubige erkannt haben dürfte, dass der Traum der immerwährenden Prosperität eben nur ein Traum ist und auch die Schiffs- und Flugzeugbau-Märkte in 5- bis 7jährigen Zyklen verlaufen.

Die SPD-Fraktion ist dezidiert der Auffassung, dass die Haftungsrisiken für das Land Schleswig-Holstein zu gravierend sind, um dieses Risiko auf Dauer fast alleine zu tra- gen. Vor diesem Hintergrund erscheint uns eine zukunftsgerichtete Beteiligung des -5-



Bundes zwingend notwendig. Im Übrigen müssen wir doch von erheblichen Verände- rungen bei der Struktur der Landesbanken in Deutschland ausgehen.

Die SPD-Landtagsfraktion erwartet daher, dass seitens der Landesregierung frühest möglich Verhandlungen mit dem Bund aufgenommen werden. Deren Ziel soll sein, dass der SoFFin sich an der Abschirmung solcher zukünftigen Risiken beteiligt, die nicht im unmittelbaren Kontext mit der Haftung für Altlasten und darauf gegründeter Stützungsmaßnahmen für das Eigenkapital der HSH Nordbank stehen. Dies wird nicht einfach sein – aber was ist in einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise schon ein- fach. Wir müssen es z. B. auch schaffen, das notwendige komplizierte separate Notifi- zierungsverfahren in Brüssel zu bewältigen, das zu einer Einzelfalllösung für den Nor- den gehört. Davon unberührt bleiben Bemühungen, ggf. das bestehende restriktive Regelwerk aus dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz zu modifizieren.

Tragfähige Lösungen und Geschäftsmodelle erfordern verbindliche Vereinbarungen mit allen Anteilseignern der HSH Nordbank. Hier fehlen noch Antworten, die ich bis zur März-Tagung erwarte.

Wenn man eine stärkere Ausrichtungen auf die Bedürfnisse der Sparkassen will – was ich auch richtig fände -, dann müssen das auch die Sparkassen wollen, sonst geht es nicht. Lassen Sie mich in aller Vorsicht sagen, dass der SGV in den letzten Wochen nicht gerade eine Glückssträhne hatte, das gilt allerdings auch für manch anderen mit flotter PR-Arbeit in Sachen Sparkassen.



Ich bin erfreut, dass der Herr Ministerpräsident die Forderungen der SPD Seite – sa- gen wir mal freundlich - aufgegriffen hat und jetzt auch eine Begrenzung der Vor- standsgehälter fordert. Unabhängig davon könnten die deutschen Manager mal ein Beispiel für Verantwortung geben und freiwillig in einer solchen Situation auf Boni und -6-



ähnliches verzichten. Wir erwarten, dass mindestens die restriktiven Regelungen des SoFFin zur Begrenzung von Gehältern und Boni für das Topmanagement der HSH Nordbank elementarer Bestandteil jedweder Stützungsmaßnahmen des Landes für die Bank sein müssen.

Der frühere Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, sagte einmal, er halte den Markt für das demokratischere Gremium als gewählte Parlamente und Regierungen, denn dort würden ja tagesaktuell die Meinungen gefragt. Wer so etwas denkt, heute in einer Krise dieses Ausmaßes, wo sich gezeigt hat, dass dieser Finanzmarkt alleine nicht funktioniert, sondern im Gegenteil Katastrophen auslöst, die wir nun, die demokrati- sche Politik, bewältigen sollen, der kann nicht ganz bei Trost sein.

Lassen Sie mich auch noch einmal sagen: Bei allen Fehlern, die hier gemacht worden sein mögen, die HSH Nordbank ist nicht durch schlechte Arbeit Weltmarktführer in Schiffsfinanzierung geworden und die Weltfinanzkrise ist weder in Kiel verursacht noch in Strande vorhergesehen worden.

Im Rückblick ist es ja immer einfacher. Allerdings müssen wir und also auch ich uns fragen, ob wir im Aufsichtsrat nicht an einzelnen Stellen zu wenig nachgefragt haben, ob wir immer alle Finanzinstrumente genügend hinterfragt haben. Das müssen sich alle Politiker, Unternehmer- und Arbeitnehmervertreter und Finanzexperten in Auf- sichtsrat und Beirat fragen.

Die Erfahrungen bei der HSH zeigen doch, dass wir bessere Kontrollmöglichkeiten der Finanzwelt brauchen. Das schließt den Aufsichtsrat mit ein. Allerdings noch viel mehr die Wirtschaftsprüfer, die im Auftrag des Aufsichtsrates über Monate die Bilan- zen im Detail prüfen und dann zur Genehmigung vorlegen. Man muss sich als Auf- sichtsrat auch auf Experten verlassen können. -7-



Viel zu sehr habe ich das Gefühl, dass viel zu viele allzu schnell wieder zurück wollen zu einem „Business as usual“ – ich glaube, dass dies falsch wäre, und ich glaube, dass es um mehr geht als um ein paar Regulierungen, so wichtig sie sind. Ich glaube, dass wir uns von Möglichkeiten kurzfristiger Spekulationen verabschieden müssen und uns darüber Gedanken machen müssen, ob es nicht z. B. ein Vetorecht für den Be- triebsrat bei unterkapitalisierten Firmenübernahmen geben könnte – kurzum: Es geht darum, wieder ein langfristiges Firmeninteresse, das auch die Interessen der Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließt, in unsere Wirtschaftsweise einzuspei- sen und die Dominanz der Finanzmärkte dauerhaft zu unterbinden. Werte kann man nur durch Veränderung bewahren, das gilt erst recht für die soziale Marktwirtschaft.