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29.01.09
10:57 Uhr
SPD

Rede Ralf Stegner zu TOP 23, 28 und 29

Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion
Kiel, 29.01.2009 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuell TOP 23, 28, 29: Konjunkturpaket II, Initiativen zur Stabilisierung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, Programm für Zukunft und Beschäftigung (Drucksachen 16/2401, 16/2423, 16/2425, 16/2429)

Ralf Stegner:

Die richtigen Zukunftsinvestitionen zielgerichtet auf den Weg bringen

Die derzeitige Krise ist die große Chance für eine Neuorientierung der Politik in Bund, Ländern und Gemeinden, führt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, aus, für eine neue Balance zwischen Markt und Staat. Damit der jetzige Ab- wärtstrend nicht in eine Depression mündet, müssen wir antizyklisch gegensteuern. Das tun wir mit dem zweiten Konjunkturpaket, das dank der Sozialdemokratie einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der öffentlichen und besonders kommunalen In- vestitionen setzt. Das Konjunkturprogramm stärkt zusätzlich die private Nachfrage mit gezielten Hilfen für Familien und Menschen mit wenig Einkommen. Die Investitionen müssen nun zielgerichtet umgesetzt werden. Stegner kündigt an, man werde sich auf allen Ebenen einmischen und konstruktiv und mit Weitsicht das kommunale Investitionsprogramm in Schleswig-Holstein umsetzen helfen. Nötig ist eine zügige Abwicklung, die so unbürokratisch wie möglich ist und auch darauf achtet, dass Mindestanforderungen erfüllt sind. Stegner warnt davor, für das Ende der Krise weitere Steuersenkungen zu versprechen; man müsse vielmehr diejenigen heranziehen, die mehr tragen können. Für die Finanzmärkte müssen Re- geln und Gesetze geschaffen werden, die der Gier erfolgreich Grenzen setzen.



Die Rede im Wortlaut:



Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-



Deutschland befindet sich vor der schwierigsten wirtschaftlichen Phase seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. International bedarf es einer konzertierten Aktion gegen den wirtschaftlichen Abschwung und für Mechanismen, die verhindern, dass die Hauptursachen dieser Krise gleich zur nächsten führen werden.

Wir haben eine einzigartige Situation durch die weltweite Rezession, die tiefgreifende Finanzmarktkrise und eine Konjunktur- und Strukturkrise (Automobilindustrie), von der Deutschland überdurchschnittlich betroffen ist, weil hierzulande 40 % des BSP von Im- und Export abhängen – weit mehr als in Japan oder den USA. Das hat auch Fol- gen für Schleswig-Holstein, auch wenn es hier wegen unserer mittelständischen Struk- tur langsamer abwärts, allerdings auch langsamer aufwärts geht.

Für eine solche Krise gibt es keine Blaupausen, und auch nicht viele kluge, d. h. pra- xistaugliche Ratschläge für die Politik aus Wissenschaft und Wirtschaft. Gleichzeitig haben wir die große Chance für eine Neuorientierung der Politik in Bund, Ländern und Gemeinden. Es geht um eine neue Balance zwischen Markt und Staat. Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Kraftanstrengung statt Bürokratie und Zuständigkeits- streit, den die Menschen leid sind. Und ja, wir brauchen auch zusätzliche Verschul- dung, um den Pakt für Stabilität und Beschäftigung umzusetzen, den Frank- Walter Steinmeier vorgeschlagen und die Berliner Regierungskoalition beschlossen hat.

Die Dimension der Krise führt immerhin auch zu der Erkenntnis, dass der Staat sich einmischen muss – zumindest verbal selbst bei denen, die bisher den Staat klein ge- redet und klein gemacht haben. Die Zeit der marktradikalen Politik mit dem Ruf nach immer weniger Staat und ungezügeltem Markt hat ausgedient. Die Finanzkrise und die sich jetzt spürbar entwickelnde Konjunkturkrise zeigen deutlich, dass der Markt allein es nicht richten kann. Staatliche Verantwortung ist heute mehr denn je von Nöten, demokratische Politik muss das ausgleichen, was der Markt angerichtet hat. -3-



Die immer weiter vorangetriebene Liberalisierung der Finanzmärkte, die mangelnde Binnennachfrage und die extremen internationalen Handelsungleichgewichte haben eine labile Situation geschaffen, die nun zusammengebrochen ist und kaum mehr Puf- fer bietet.

Wir haben in Deutschland immerhin noch einige antizyklisch wirkende automati- sche Stabilisatoren, eine gesetzliche Rentenversicherung, die Dank sozialdemokrati- scher Beharrlichkeit immer noch mit dem Umlageverfahren funktioniert, die gesetzli- chen Krankenversicherungen und die Sparkassen - andere, die dies nicht haben, wie z. B. England, kämpfen einen ungleich schwierigeren Kampf.

Ich hoffe, dass das unselige Kapitaldeckungsverfahren für die sozialen Sicherungssys- teme nun endgültig vom Tisch ist, wenn aus der Finanzkrise keine Staats- und Demo- kratiekrise werden soll, weil Millionen von Rentnern um ihre Alterssicherung fürchten müssten, wenn wir den marktradikalen Vorschlägen in Sachen sozialer Sicherung ge- folgt wären.

Wir müssen verhindern, dass der jetzige Abwärtstrend in eine Depression mündet. Uns drohen wachsende Arbeitslosigkeit und sinkende Steuereinnahmen, die zu sin- kender Nachfrage führen würden - wenn wir hier nicht antizyklisch gegensteuern, droht eine Abwärtsspirale mit verheerenden sozialen Folgen. In der jetzigen Zeit den Gürtel noch enger zu schnallen und die Sparanstrengungen zu verstärken, hieße, die Krise zu verschärfen. Dies träfe übrigens immer am stärksten die mit den kleinen Ein- kommen, die Familien und die Schwächsten, während andere in solchen Krisen richtig Kasse machen. -4-



Das Konjunkturpaket wird Impulse für ein dauerhaftes qualitatives Wachstum und mehr Beschäftigung setzen. Es bietet eine gute und sozial ausgewogene Grundlage, um Arbeitsplätze zu sichern die Wirtschaft und Binnennachfrage zu stärken die öffentliche Infrastruktur nachhaltig zu modernisieren und die ökologische und energiepolitische Wende zu fördern und damit auch neue Zu- kunftsmärkte für Deutschland zu erschließen (Beispiel: Stromnetze, Gebäudesanie- rung).

John Maynard Keynes sagte einmal, dass man auch Pyramiden bauen könnte, um die Wirtschaft durch öffentliche Investitionen zu stärken, man könne allerdings natürlich auch sinnvoller investieren – alles andere wäre in der Tat herausgeschmissenes Geld. Das ist unsere Verantwortung. Wir brauchen keine Strohfeuer, die in einem Konjunk- turzyklus verpuffen, nein, wir wollen Werte für die Zukunft schaffen. Die Weichen wurden dafür in Berlin gestellt, nun ist es an uns und den Kommunen, sinnvolle Priori- täten zu setzen. Dazu müssen alle Ebenen gemeinsam an einem Strang ziehen und wir müssen so schnell wie möglich anfangen.

Mit dem zweiten Konjunkturpaket wird dank der Sozialdemokratie ein deutlicher Schwerpunkt im Bereich der öffentlichen und besonders kommunalen Investiti- onen gesetzt, die einen ungleich größeren Wachstumseffekt haben als zum Beispiel Steuersenkungen. Dass die Abschaffung von Beiträgen für Kindertagesstätten zudem einen viel größeren Entlastungseffekt für ganz normale Familien hätte, ist hier ja be- kannt, die SPD-Fraktion wird das in dem vereinbarten Stufenplan sicherstellen.

Unsere Schwerpunkte werden aufgegriffen: Bildung, kommunale Investitionen und energetische Sanierung – das sind die Bereiche, bei denen wir einen enormen Bedarf haben und wo wir allein aus finanziellen Gründen bisher nicht mehr gemacht haben, -5-



auch wenn wir bereits für den jetzigen Haushalt hier schon einen deutlichen Schwer- punkt gesetzt haben. In den nächsten Wochen müssen wir klären, wie wir den Lan- desanteil von über 100 Mio. Euro aufbringen, den wir brauchen, um die Bundesmittel abrufen zu können. Unbürokratisch, schnell und wie verabredet im Verhältnis 75 : 25 zwischen Bund und Ländern und 70 : 30 zwischen Land und Kommunen.

Das Paket enthält aber auch den Grundsatz „Qualifizieren statt entlassen“ und den Vorrang von Kurzarbeit vor Entlassung. Ich erwähne dies, weil das hilft, Beschäftigung zu erhalten, Arbeitslosigkeit zu verhindern und Know-how zu sichern: Jetzt sind auch die ARGEn gefordert, innovative und zukunftsorientierte Projekte aufzulegen und zu fördern.

Das Konjunkturprogramm stärkt zusätzlich die private Nachfrage mit gezielten Hilfen für Familien und Menschen mit wenig Einkommen. Mit dem Konjunkturpaket helfen wir besonders Familien mit Kindern. Familien erhalten für jedes Kind einmalig einen Kinderbonus von 100 Euro. Die Regelsätze für Kinder von Arbeitslosengeld-II- Bezieherinnen und -Beziehern werden erhöht. Das war überfällig und eine Forderung, für die die SPD-Landtagsfraktion in Berlin schon länger geworben hat. Natürlich hätten wir uns für die Kinder noch mehr vorstellen können, aber in Koalitionen muss man eben Kompromisse machen und so wurden zumindest weitergehende Steuergeschen- ke für Gutverdiener verhindert.

Die weiteren Beschlüsse zum Mindestlohn, der künftig für sechs weitere Branchen gelten soll, werden hier ebenfalls positiv wirken. Das ist – wie man bei der Zeitarbeit sieht – ein mühsamer Kampf für ökonomische Vernunft und soziale Gerechtigkeit, den die Sozialdemokratie gemeinsam mit den Gewerkschaften führen muss.

Die Entscheidung, den Eingangsteuersatz zu senken, ist im Prinzip richtig, es stellt sich aber die Frage, ob die damit verbundenen stärkeren Entlastungen gerade hoher -6-



Einkommen nicht hätten abgeschöpft werden müssen. Ich möchte mich an dieser Stel- le ausdrücklich bei den Grünen bedanken, die in Bremen mit der SPD und in Hamburg mit der Union durch ihre Entscheidung, das Konjunkturpaket im Bundesrat zu stützen, den Steuersenkungsplänen für Besserverdienende aus den Reihen der Partei der Besserverdienenden die Grundlage entzogen haben. Ich sage es hier deutlich: Wei- tergehende milliardenschwere Steuerentlastungen à la FDP oder CSU gingen zu Lasten von Bildung und Kinderbetreuung, also der Handlungsfähigkeit öffentlicher Haushalte in Ländern und Kommunen. Zugleich sind sie verteilungspolitisch falsch, weil sie eben doch von unten nach oben hin zu denen verteilen, die eben nicht den Konsum ankurbeln, sondern eine besonders hohe Sparquote haben. Eine solche Um- verteilung zu denen, die ohnehin profitieren, lehnen wir erst recht in schwierigen Zeiten ab.

Es ist richtig, den Beitragssatz für die Krankenkassen zu senken, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass wir uns mit unserer Forderung, dies allein für die Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer zu tun und damit die nicht mehr existierende Parität der Fi- nanzierung wieder herzustellen, nicht durchsetzbar war.

Ich hoffe, dass die Impulse für die private Nachfrage schneller wirken können und so bereits konjunkturelle Impulse geben können, die die naturgemäß langsamer anlau- fenden Investitionen dann verstärken können. Das kommunale Investitionsprogramm ist auch in der Beurteilung der Gewerkschaf- ten das sinnvollste und wirksamste Element des Konjunkturprogramms. Es ist aller- dings ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was die virtuelle Wunschkoalition bis vor kurzem noch an marktradikalen Patentrezepten propagiert hat. Schloss Gottorf ist übrigens ein wundervolles Museum mit alten Gemälden und manchmal auch mit alten Ideen, wenn man sich langjährig ausgewiesene Oppositionsspezialisten als Museums- führer einlädt. Ich bin sicher, dass die Wählerinnen und Wähler bei der nächsten Bun- destagswahl das „was wäre wenn“ mit ins Kalkül ziehen werden. Wer mit seinen For- -7-



derungen und Inhalten bisher das unterstützt hat, was die Krise ausgelöst hat – und zum Glück gibt es ja ein gutes Archiv -, ist wohl kaum dafür prädestiniert, die richtigen Antworten dafür zu haben, die entstandenen Probleme zu lösen. Die Gefahr des politi- schen Rückfalls ist trotz aller anders lautender verbaler Bekundungen allzu groß.

Es geht um die Stabilisierung der Konjunktur, um die Rettung von Arbeitsplätzen und darum, dass hier kein Geld verpufft, sondern die richtigen Zukunftsinvestitionen auf den Weg gebracht werden. Masse allein genügt nicht. Zielgerichtet müssen die In- vestitionen sein. Und je schneller die Investitionen umgesetzt werden, desto besser für Konjunktur und Arbeitsplätze.

Es ist gerade die schleswig-holsteinische SPD und die SPD-Fraktion in diesem Hause, die programmatisch seit Jahren auf die Sicherung der Handlungsfähigkeit des Staates und auf die Möglichkeit für höhere öffentliche Investitionen für die Daseinsvor- sorge drängt.

Ein hoher Anteil der Mittel, nämlich 70 %, wird den Kommunen zu Gute kommen, ins- besondere für die Investitionen in Schulen und Kindergärten sowie die Modernisierung kommunaler Infrastruktur. Das ist gut so, denn die Kommunen sind der größte öf- fentliche Investor. Sie sind unmittelbar an den Bedürfnissen der Bürger dran und sie wissen auch deshalb, was nötig ist. Wir müssen dafür sorgen, dass die praktischen Fragen in der Definition der Zusätzlichkeit über die Haushaltsveranschlagung bis zur Projektentwicklung schnell und mit möglichst wenig Bürokratie gelöst werden.

Die SPD setzt sich für starke Kommunen ein, die sorgfältig die richtigen Prioritäten setzen und sich selbst überlegen , welchen Beitrag sie zur Stärkung der Konjunktur setzen können und sicher gemeinsam mit der Landesregierung überlegen, wie das am schlauesten umgesetzt wird. Gerade finanzschwache Kommunen sollen, das wird das Bundesprogramm vorsehen, von dem Programm profitieren. Eine Null-Prozent- -8-



Beteiligung halte ich aber nicht für sinnvoll. Da gibt es auch zusätzliche Möglichkeiten, z. B. mit Zins- und Tilgungsaussetzungen bei der KfW.

Was die Gesetzesvorschläge angeht, die die Landesregierung im Februar dem Land- tag zuleiten wird, empfehle ich beispielgebend die Beschlüsse aus Rheinland-Pfalz, wo eine vorzügliche und kommunalfreundliche Regelung gefunden worden ist.

Wir werden uns auf allen Ebenen einmischen und konstruktiv und mit Weitsicht das kommunale Investitionsprogramm in Schleswig-Holstein umzusetzen helfen. Wir wol- len eine zügige Abwicklung, die so unbürokratisch wie möglich ist, die aber auch dar- auf achtet, dass Mindestanforderungen erfüllt sind. Bei der befristeten Einführung gelockerter Vergabebedingungen ist es wichtig, Transparenz, Partizipationsmöglich- keiten und Gerechtigkeit nicht aus den Augen zu verlieren.

Angesichts der anstehenden Europawahl möchte ich hervorheben, wie flexibel die vielgescholtene EU hier reagiert hat und auch weiter reagieren will. Zumindest jetzt hat sie erkannt, dass es sich eben nicht um das Problem einzelner Banken mit dummen Managern handelt, sondern um eine Krise des gesamten Systems des finanzmarktge- triebenen Kapitalismus. Ich hoffe, dass auch hier dann die Einsicht greift, dass eine weitergehende Deregulierung der Finanzmärkte nicht sinnvoll ist.

Im Gegenteil: Wir brauchen einen TÜV für Finanzmarktprodukte, wir brauchen mehr Kontrolle und wir brauchen auch die staatliche Mitsprache, wo Steuermittel eingesetzt werden. Was wir übrigens nicht brauchen, ist die Verstaatlichung von Betrieben – das ist nicht Rüttgers Club sondern eher Rotkäppchen und klingt mehr nach der alten Ost-CDU als einer Lösung, die die Banken stützt, aber auch erwartet, dass diese der Wirtschaft die notwendigen Kredite gibt. Das Beispiel Scheffler nach dem Motto „Milli- ardärin will Staatskredite“ spricht Bände darüber, welche absurden Blüten die Diskus- sion hier treibt. Wenn es uns gelingt, die Investitionen in eine sinnvolle, in eine nach- -9-



haltige Richtung zu lenken und den Abschwung abzumildern, dann ist das investierte Geld nicht verloren. Dennoch müssen wir uns um die Finanzierung Gedanken ma- chen.

Ich finde es im Übrigen richtig, dass das Paket nicht über den Haushalt, sondern durch einen Sonderfonds abgewickelt wird, der durch einen Teil des Bundesbank- gewinns und später zusätzlich durch Steuermittel getilgt werden soll. Das folgt dem Vorbild des Fonds Deutsche Einheit, in dem die Altschulden der DDR über zwei Jahr- zehnte hinweg abgebaut worden sind.

Wir haben in Schleswig-Holstein einen ähnlichen Vorschlag für die Schulden der Län- der gemacht, weil auch hier gilt, dass wir in einem extra Fonds klarere Rückführungs- regeln finden können als in allgemeinen Haushalten. Vielleicht wird darüber bei der Föderalismuskommission noch einmal beraten werden.

Ich hoffe, dass wir bei der Finanzierung auch daran denken, was diese Krise ver- schärft hat: Wir dürfen nicht die belasten, die an der Krise nun wirklich nicht Schuld sind und in den letzten Jahren immer weniger in den Taschen hatten und die alles, was sie hatten, auch ausgegeben haben, sondern die, die ohnehin nicht wussten, wo- hin mit ihrem Geld und in immer risikoreichere Anlagen investiert hatten: Wir sollten für das Ende der Krise nicht weitere Steuersenkungen versprechen, sondern diejenigen heranziehen, die mehr tragen können, z. B. durch eine gerechtere Besteuerung, höhe- re Einkommen und Vermögen, durch eine erweiterte Gewerbesteuer und auch durch das Schließen des Schlupfloches Steueroasen. Andernfalls werden wir einen hand- lungsunfähigen Staat schaffen – wie gefährlich das ist, können wir, können alle Bürger seit Monaten verfolgen.

Deswegen geht die angedachte Schuldenregel ohne eine Idee, wie alle Länder in die Lage versetzt werden, dass sie diese auch erfüllen können, nicht. Ich bin sehr skep- - 10 -



tisch, was den derzeitigen Stand in der Föderalismuskommission angeht. Ohne eine faire Altschuldenregelung wird Schleswig-Holstein nicht zustimmen können und ich bezweifle auch, ob es der Glaubwürdigkeit der Politik dient, notwendige milliarden- schwere Schuldenpakete zu schnüren und gleichzeitig eine strikte Schuldenregel in der Verfassung zu beschließen und den Bürgern zu allem Überfluss noch zu sagen, für die nächsten paar Jahre können wir die aber gar nicht einhalten. Das ist eher eine Kapitulation von Parlamenten und die Delegation von Politik an die Judikative. Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Politik nach dem Motto „Es kommt nicht mehr drauf an“ geht nicht und wir müssen über Refinanzierung reden, aber das muss primär die betreffen, die den Schlamassel angerichtet haben.

Unsere Wirtschaftsordnung ist wie sie ist, die Gier ist bedauerlich, gehört aber offenbar zum System. Es geht darum, dass wir Regeln und Gesetze schaffen, die dieser Gier erfolgreich Grenzen setzen: Das betrifft die Reits, Hedgefonds, Steueroasen, Leerverkäufe und vieles mehr. In Spanien zum Beispiel war die Regulierung wesent- lich dichter, so dass dort trotz des Zusammenbruchs des Immobiliensektors die Ban- ken recht solide dastehen. Die SPD will deshalb schnell über „langfristige Konsequen- zen“ aus der Finanzkrise entscheiden. Dies gilt umso mehr, als im liberalkonservativen Spektrum der Politik und in der Wirtschaft immer mehr Verharmloser der Wirtschafts- krise unterwegs sind.

„Konjunkturprogramm“ war lange Zeit ein Unwort in der deutschen Politik; ich bin froh, dass sich dass geändert hat und die Erkenntnis, dass der Markt nicht alles alleine rich- ten kann und darf, um sich greift. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis länger anhält als die jetzige Krise. Gefordert ist jetzt Entschlossenheit im Handeln, damit die Bürger nicht im wahrsten Sinne des Wortes dauerhaft mit ihren Steuergeldern bürgen müssen für Managementversagen und eine Haltung, die vergessen hat, dass die Wirtschaft für die Menschen da ist – und nicht umgekehrt. - 11 -