Anke Spoorendonk zu TOP 23 - Konjunturpaket II
PresseinformationKiel, den 29.01.2009 Es gilt das gesprochene WortAnke SpoorendonkTOP 23 Konjunkturpaket II (Drs. 16/2401)Es ist wenig beruhigend, dass wir gerade in ein Krisenjahr schlittern, während Deutschland nichtnur eine Große Koalition am Ruder hat, sondern auch noch zahlreiche Wahlen anstehen. Es istbezeichnend, dass die erste Reaktion auf die Finanzkrise der Erlass der KFZ-Steuer für Neuwagenwar. Kein Mensch kauft sich ein neues Auto, weil er 300 Euro KFZ-Steuern weniger bezahlt. Fürden Staat werden hier aber allein in diesem Jahr 400 Millionen Euro verpulvert. Diese kopfloseGlanzleistung der Großen Koalition war Teil des ersten Konjunkturpakets, das viel zu klein war,um wirklich etwas zu bewegen. Und nun folgt das Konjunkturpaket II, das auch mehr alsKompromiss denn als konsistente Lösung daherkommt. CDU, SPD und CSU haben jeder in ihreRichtung gezogen und die Richtungsentscheidung heißt, dass die Große Koalition in alleRichtungen geht. Dieses Muster kennen wir auch nur allzu gut aus Schleswig-Holstein: Wennman sich nicht einigen kann, dann macht man eben ein bisschen von jedem.Diesem elastischen Strickmuster folgend enthält das Konjunkturpaket II zwar gute Punkte, aberauch einige, die nicht unsere Unterstützung finden. Ich möchte nicht verhehlen, dass besondersdie angekündigten Steuererleichterungen mich skeptisch stimmen. Natürlich gönnen wir allenBürgerinnen und Bürgern mehr Geld in der Tasche. Die beschlossenen Steuererleichterungen für 2alle Einkommensgruppen bedeuten aber in den meisten Fällen nicht mehr als 10 bis 20 Euro proMonat. Ob dies jetzt wirklich hilft, die Konjunktur wirksam anzukurbeln, darf bezweifelt werden.In die richtige Richtung hingegen weist die Anhebung der Hartz IV-Regelsätze für 6- bis 13-Jährige. Auch für die Erwachsenen wäre eine Erhöhung der monatlichen Sätze des Arbeitslosen-geldes II sowohl verteilungspolitisch als auch konjunkturpolitisch am Platz gewesen. Denn einenoch gezieltere Entlastung von Niedrigeinkommen wäre konjunkturwirksamer gewesen, als dieSteuerentlastung für alle. Dann wäre man ganz sicher, dass der Zuwachs des Nettoeinkommensauch in den Konsum geht. So aber bleibt abzuwarten, wie sehr die geänderten Steuersätze sichauch in der Binnennachfrage niederschlagen.Auch die Wirkung der anderen Entlastungen ist nicht optimal. Natürlich sind 100 EuroEinmalzahlung für Kinder immerhin 100 Euro und kein Pappenstiel. Aber viele andere angeblicheWohltaten sind eher hypothetisch. Die Senkung der Krankenkassenbeiträge zum 1. Julientspricht so mal gerade der Erhöhung, die wir zum 1. Januar bekommen haben. Wenn die GroßeKoalition von einer großen Entlastung der Familien spricht, dann ist das Augenwischerei. DieEntlastung fällt zu gering aus, um jetzt massenhaften Wohlstand auszulösen.Hinzu kommt, dass die Steuerentlastung für das erste Halbjahr 2009 erst im Juli ausgezahltwerden soll. Gerade die Tatsache, dass die meisten Maßnahmen erst im 2. Halbjahr 2009wirksam werden, nährt den Verdacht, dass es hier vielmehr um Wahlgeschenke kurz vor derBundestagswahl geht. Es kann aber nicht wahr sein, dass die CDU und die SPD diese schlimmeKrise nutzen, um für sich noch Vorteile herauszuholen. Denn eines muss uns auch klar sein: das,was jetzt an Steuern und Abgaben mehr bei den Bürgern bleibt, steht zukünftig weniger fürBildung, Soziales oder Gesundheit zur Verfügung. Deshalb bleibe ich dabei: Das wichtigste undbeste Mittel gegen die Krise sind öffentliche Investitionen. Die Sanierung von Schulen undanderer Infrastruktur sorgen für Arbeit und Umsatz, kommen allen Bürgern zugute und siemüssen irgendwann ohnehin getan werden. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt den 3Investitionsstau bei Kommunen auf rund 75 Milliarden Euro, davon allein 6 Milliarden bei denSchulen und 30,9 Milliarden Euro bei Straßen.Gerade dieser Teil des zweiten Konjunkturpakets ist auch die größte Herausforderung für dasLand, denn wir entscheiden mit, wie es in Schleswig-Holstein umgesetzt wird. Jetzt kommt esdarauf an, dass die Landesverwaltung in Zusammenarbeit mit den Kommunen die Gelderschnell und flexibel in die Taschen von Handwerkern, Unternehmern und Arbeitnehmerntransportieren – für eine entsprechende Gegenleistung natürlich.Entscheidend ist vor allem die Frage, wie die insgesamt mehr als 400 Millionen Euro auf dasLand verteilt werden. Ich bin froh, dass die CDU schon signalisiert hat, dass kein „Windhund-verfahren“ gewählt werden wird, bei dem die schnellsten Antragsteller die Gelder abgreifenkönnen. Viele Windhunde sind schon längst losgelaufen, aber der kommunale Dackel muss aucheine Chance haben. Deshalb muss es eine andere Art der Verteilung geben. Die schon ins Spielgebrachte Investitionspauschale für alle Kommunen, wie sie in Niedersachsen vorgesehen ist,halten wir allerdings auch nicht für den richtigen Weg. Würden die gesamten Gelder perEinwohnerquote verteilt und die Projekte in jeder Gemeinde beschlossen, dann ginge es nichtmehr nach der Qualität der Projekte und dann hätten freie Träger auch schlechte Karten. IhreAngebote stehen nicht selten in Konkurrenz zu öffentlichen Institutionen und würden bei einerPrioritätensetzung vor Ort keine Chance haben. Deshalb erwarten wir von der Landesregierungeine Regelung, die Einrichtungen in Trägerschaft der ADS, des dänischen Schulvereins oder derAWO ebenso berücksichtigt, wie öffentliche Einrichtungen. Ich muss es leider so deutlich sagen,weil mindestens ein Landrat schon zu verstehen gegeben hat, dass er nicht daran denkt.Insgesamt erscheint uns eine Kombination aus Pauschalen und Antragsverfahren der beste Wegzu sein, um die Gelder in Schleswig-Holstein zu verteilen. Wenn jedes Kreisgebiet pauschal eineSumme zur Verfügung bekommt, die sich nach der Schüler- bzw. Einwohnerzahl des Kreiseserrechnet, und innerhalb dieses Bereiches dann ein Antragsverfahren durchführt, wäre die 4Ausgewogenheit der Förderung gewährleistet. Aber nochmal: Wir erwarten natürlich, dass dieSchülerzahlen auch freie Schule umfassen und diese ebenso gefördert werden.Außerdem liegt es in der Hand des Landes zu definieren, was eine finanzschwache Kommune istund wie ihr geholfen wird. Der SSW erwartet, dass das Land klammen Kommunen unter dieArme greift, wenn sie nicht die entsprechende Kofinanzierung aufbringen können – imExtremfall bis hin zum vollständigen Verzicht auf kommunale Eigenmittel. Ansonstenverstärken wir nur die Probleme, die vor Ort bestehen. Wer heute kein Geld für Investitionen hat,hat es nach dem Konjunkturprogramm schon gar nicht. Denn die beiden Konjunkturpaketewerden zu deutlichen Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer und Einkommenssteuer führen.Dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung zufolge werden diese Steuerminder-einnahmen bundesweit 1,9 Milliarden in 2009 und 2,7 Milliarden Euro in 2010 betragen. Diessind bis zu 30 % der zusätzlichen Investitionsmittel, die durch das Konjunkturpaket II zurVerfügung gestellt werden. Auch aus diesem Grund hätten wir uns beim Konjunkturpaket einstärkeres Primat der öffentlichen Investitionen gewünscht. Und deshalb dürfen armeKommunen nicht ausgeschlossen sein. Und noch eines muss klar sein: Das Land darf natürlichnicht als nächstes wieder in den kommunalen Finanzausgleich eingreifen, wenn die finanziellenFolgen der Rezession und der Konjunkturpakete ihre volle Wirkung für den Landeshaushaltentfalten. Dann wären wir konjunkturpolitisch nämlich gleich weit.Der Bund hat eine Reihe von Bereichen vorgegeben, innerhalb derer die Investitionsmittelausgegeben werden dürfen. Das Land hat die Möglichkeit, innerhalb dieser GrenzenSchwerpunkte zu setzen. Dabei muss es darum gehen, solche Bereiche und Maßnahmenauszuwählen, die nachhaltig sind, also auch in den kommenden Jahren nachwirken undweiteren Wachstum und Beschäftigung auslösen. Wir halten vor allem Investitionen in dieEnergieeffizienz von öffentlichen Gebäuden für sinnvoll, weil diese einen Multiplikatoreffekthat. Sie sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern sparen auch Energieausgaben undkönnen zukunftsfeste, neue Arbeitsplätze in der regionalen Wirtschaft schaffen. Die Sanierung 5und der Neubau von Schulgebäuden sind nicht nur angesichts des maroden Zustands vielerSchulen notwendig, sondern sinnvoll in einer Zeit, wo sich die Schulstrukturen im Land ändern.Und auch die stärkere Fokussierung auf den ländlichen Raum, die nicht nur die flächendeckendeAusstattung mit Breitband-Internetverbindungen umfasst, sondern auch die von der CDUangesprochene Förderung von anderer Infrastruktur und der Wirtschaft, ist richtig.Was allerdings nicht sein kann, ist, dass die Maßnahmen gezielt eingesetzt werden, umbestimmte Schulformen zu fördern, wie es der Kollege Wadephul am Wochenendevorgeschlagen hat. Eine so stark parteipolitisch geleitete Investitionsförderung lehnen wir ab.Dies gilt ebenso für die Grüne Verteufelung des kommunalen Straßenbaus. Trotz aller Angst voreiner Rezession muss die Politik auch an übermorgen denken. Und eines ist sicher: Wenn dieenormen Summen für Konjunkturförderung ausgegeben und die Krise hoffentlich überwundenist, dann wird der Staat für lange Jahre kaum Geld für solche notwendigen Maßnahmen mehrhaben. Es ist das Mindeste, dass die gepumpten Milliarden für die Stabilisierung der Konjunkturjetzt mit Vernunft ausgegeben werden und nicht nur mit dem kurzfristigen Blick auf Wahlen!Es ist gut, dass die großen Parteien mittlerweile aus ihrer neoliberalen Phase herausgewachsensind und die Erkenntnis gewonnen haben, dass antizyklische Impulse immer noch ein legitimesInstrument der Wirtschafts- und Finanzpolitik sind. Der SSW begrüßt vor allem, dass nun dieberechtigte Frage nach den Grenzen des Wettbewerbs gestellt wird. In Verbindung mit demZukunftsinvestitionsgesetz sollen neuen Schwellenwerte bei der Vergabe öffentlicher Aufträgegelten. Die Ausschreibung von Teillosen, die freihändige Vergabe bis 100.000 Euro und diebegrenzte Ausschreibung bei Bauleistungen bis zu einer Million Euro tragen dazu bei, dass dieGelder auch wirklich in der Region ausgegeben und verdient werden können.Die Landesregierung kann aber selbst und ganz unabhängig vom Bundesprogramm mehr dafürtun. Sie kann und muss dafür sorgen, dass diejenigen Schleswig-Holsteiner, die sich diese Geldermit ihrer Hände Arbeit verdienen, auch wirklich gerecht bezahlt werden. Wer unsere Schulenund Straßen renoviert, soll dafür einen ordentlichen Lohn erhalten. Deshalb fordern wir die 6Landesregierung auf, endlich eine Nachfolgelösung für das Tariftreuegesetz zu finden. Der SSWhat einen Weg aufgezeigt, wie dies mit Allgemeinverbindlichkeitserklärungen EU-Konformgeregelt werden kann. Liebe Große Koalition, jetzt ziert Euch nicht länger und lauft endlich dieseoffene Tür ein! Es ist im Interesse unseres Landes.In noch einem Punkt ist das Konjunkturpaket II zumindest grundsätzlich zukunftweisend: Wirbegrüßen die Ausrichtung auf ökologische Fragen. Ich habe es schon mal gesagt: Gerade hierliegt eine Chance, etwas für den Klimaschutz zu tun, Energie zu sparen, zukunftsfeste neueArbeitsplätze zu schaffen und die regionale Wirtschaft zu fördern. Deshalb ist es gut, dass dieenergetische Sanierung so hervorgehoben wird. Leider kommt der Umweltschutz in anderenTeilen zu kurz. Wer ein zehn Jahre altes Auto verschrottet, das woanders noch Hunderttausendevon Kilometern laufen könnte, tut nichts für die Gesamtökobilanz, sondern zuerst für denAutohandel. Deshalb ist die Kopfprämie für Altautos absolut unsinnig.Im Übrigen mutet es skurril an, dass Autohändler schon mit der Prämie werben und Bürgerschon mit ihrem Auto vor der Schrottpresse stehen, bevor sich der Gesetzgeber überhaupt inerster Lesung mit der Sache befasst hat. Die Bundesregierung und ihre Parlamentarier tun so, alssei der Kabinettsbeschluss von vorgestern schon die dritte Lesung gewesen. Auch das ist typischGroße Koalition und schwächt die Bedeutung und das Ansehen des Parlaments. Aber nachdemzu lange gezögert wurde, will man jetzt offensichtlich um jeden Preis Taten zeigen.Das Zaudern der Bundesregierung und das Hickhack von CDU, SPD und CSU um die Konjunktur-programme haben wieder einmal gezeigt: Diesem Land fehlt es an einer Regierung mit klarenVorstellungen und Zielen. Und auch das Superwahljahr wird wohl eher den blinden Aktionismusund die politische Kosmetik befördern. Das sieht man schon daran, wie sehr sich mancheplötzlich um ein neues Profil bemühen. Nachdem Bundeskanzlerin Merkel jahrelanginnenpolitisch gezögert hat, will sie sich nun als große Macherin darstellen. UndKanzlerkandidat Steinmeier, der als Ex-Kanzleramtsminister eine wesentliche Verantwortung 7für die Hartz-Reformen trägt, entdeckt nun plötzlich seine sozialromantische Ader. Eine solchePolitik, die sich nach dem Wahlkalender richtet, ist unglaubwürdig und abstoßend.Nicht besser ist allerdings die Reaktion auf die Finanzkrise hierzulande – oder eher die Nicht-Reaktion. Viele fragen zu recht, weshalb sie in dieser Debatte so viel von anderen CDU-Länderchefs aber kaum etwas von Peter Harry Carstensen gehört haben. Der Ministerpräsidenthat sich vier Jahre lang kreuz und quer durchs Land gelacht und keine Gelegenheit zur Selbst-darstellung ausgelassen. Zum Thema Wirtschaftskrise ist er aber von Anbeginn abgetaucht. Erbegnügt sich damit, die Ankündigungen aus Berlin zu bejubeln, scheint aber ansonsten keineeigene Meinung geschweige denn eigene Ideen zu haben. Schleswig-Holstein braucht mehrdenn je eine Regierung, die bei einem ernsthaften politischen Thema ebenso tatkräftiganpacken kann, wie es Peter Harry Carstensen ansonsten auf jedem Wochenmarkt und beijedem Drachenbootrennen tut. Auch in Schleswig-Holstein kratzt die Krise und auch hier wurdegezaudert und abgeblockt. Aus der Diskussion um die HSH-Nordbank müssten alle eigentlichgelernt haben: Mit Arroganz und Jovialität allein lässt sich keine Krise bremsen.Der SSW unterstützt einige Maßnahmen des Konjunkturpakets II und steht anderen skeptischgegenüber. Man könnte natürlich sagen, es ist für jeden etwas dabei. Aber dies bedeutet auch,dass die verschiedenen Möglichkeiten nicht optimal ausgeschöpft werden können, weil diebegrenzten Mittel auf eine Vielzahl von Maßnahmen verteilt werden müssen. Es bleibtspannend, ob eine solche Konjunkturpolitik mit der Schrotflinte wirklich optimal durchschlagenkann, denn es ist fraglich, ob die einzelnen Maßnahmen richtig dimensioniert und effektivgenug sind. Hinzu kommt, dass viele Punkte des Gesamtpakets erst mit Verzögerung umgesetztwerden und daher nicht rechtzeitig greifen, um den Abschwung zu bremsen. Aber die GroßeKoalition im Bund hat in ihrer großen Weisheit so entschieden und so soll es sein. Der Bundestagwird dieses Paket kritiklos verabschieden. Insofern bleibt uns nur, das Beste daraus zu machen,denn ein Konjunkturpaket III kann sich Deutschland mit Sicherheit nicht mehr leisten.