Detlef Matthiessen zu den Verkehrsprojekten Schleswig-Holsteins
PresseinformationEs gilt das gesprochene Wort! Landtagsfraktion Schleswig-Holstein TOP 11 – Finanzierung von Verkehrsprojekten Pressesprecherin Claudia Jacob Dazu sagt der verkehrspolitische Sprecher Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 der Grünen Landtagsfraktion 24105 Kiel Detlef Matthiessen: Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Dicke Autos, dicke Strassen, Nr. 025.09 / 28.01.2009 dickes Wirtschaftswachstum: Dies wird mehr und mehr VergangenheitVielen Dank an das Ministerium für die Beantwortung der Fragen. Ich finde es allerdings sehr ärgerlich, dass die Deutsche Bahn AG und auch das Bundesverkehrsministerium sich geweigert haben, an den Antworten mitzuwirken. Ich ging bisher davon aus, dass es hier eine enge Kooperation gibt. Das heißt doch: Die Landesregierung hat selbst keine detaillierten Informationen über die Schieneninfrastruktur des Landes und was dort investiert wurde und wird. Ist das nun ein Desinteresse am Schienenverkehr oder macht das einfach nur zu viel Arbeit? Ich finde den Vorgang ziemlich beschämend.Zur Elbquerung gab es eine triumphierende Presseerklärung des Verkehrsministers. Der Wortlaut war: „Das Verkehrsministerium Schleswig-Holstein hat vom Bundesver- kehrsministerium am 9. Januar 2009 grünes Licht für die Planungsunterlagen zum Elb- tun-nel/A20 erhalten.“Verkehrsminister Marnette stellt das als einen riesengroßen Schritt für den Weiterbau der A20 dar. Allerdings ist das überhaupt nicht sensationell, im Gegenteil. Tatsache ist nach wie vor, dass seit der Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans im Jahr 2003 der gesetzliche Planungsrahmen für den Elbtunnel besteht. Also: Im Westen nichts Neues.Dass der Bundesverkehrsminister nach sechs Jahren dieses Gesetz bestätigt, wird jetzt von der Elbtunnel-Lobby als Quantensprung bezeichnet. Kein Vertrauen in bestehende Gesetze? Bestätigt haben sich allerdings zwei Positionen der Kritiker: Seite 1 von 3 1. Der Elbtunnel wird wesentlich teurer als ursprünglich geplant. 2003 waren Kos- ten von 384 Millionen Euro geplant und 2009 steigen die Kosten nun auf 920 Mil- lionen Euro. 2. Die ursprüngliche Privatfinanzierung ist Unfug. Das hat nach sechs Jahren nun auch die Bundesregierung erkannt. Neu ist nur, dass es im Augenblick überhaupt kein Finanzierungskonzept gibt.Weiterhin gilt, dass die Elbquerung in Niedersachsen an einer Kreisstraße endet. Wir brauchen keine Autobahn nach nirgendwo, wo die Weiterführung und Finanzierung nach dem Sprung über die Elbe nicht geklärt ist. Statt einer Ost-West-Verbindung müs- sen die Nord-Süd-Verbindungen durch Schleswig-Holstein gestärkt werden.Es liegt auf der Hand, dass man ein Bauprojekt, das frühestens 2011, wenn überhaupt, starten kann, keine Beiträge zur Überwindung der augenblicklichen Wirtschaftskrise leisten kann.Es gibt sicher effizientere, billigere und schnellere Lösungen für Verkehrsprobleme in unserem Land als die westliche Elbquerung. Die Landesregierung geht in ihrer Antwort noch von 324,7 Millionen Euro an Kosten für die Elbquerung aus. Das ist wirklich lange überholt wie überhaupt die große Koalition das Thema Baukostensteigerung schlicht ig- noriert, nichts sehen, nichts hören und schon gar nicht drüber reden.Diese Landesregierung rechnet sich ihre Lieblingsverkehrsprojekte schön. Das wird zu- sätzlich noch mit blumigsten Worten garniert wie Jahrhundertbauwerk oder Magistrale des Nordens. Das hat schon was vom Tanzen um goldene Kälber.In Nord-Süd-Richtung liegen die eigentlichen Probleme im Bereich Schiene und Straße. Diese Landesregierung gibt aber den Großteil der Verkehrsinvestitionen für zwei Presti- geprojekte aus:Einmal die A 20, die im mittleren Bereich eine Belastung von 20.000 Fahrzeugen pro Tag ausweist. Das begründet einen Autobahnausbau jedenfalls nicht. Zum Vergleich: Bei der A 7 sind es im Vergleich 100.000 Fahrzeuge pro Tag.Und zweitens die feste Fehmarnbeltquerung, obwohl dort die Belastung unter 10.000 Fahrzeugen pro Tag liegt, jede Kreisstraße muss mehr Verkehr tragen. Investitionen in die Infrastruktur sollten nicht für solche Prestigeprojekte verschleudert werden. Wir brauchen den Ausbau des Straßennetzes in Nord-Süd-Richtung und vor allem aber brauchen wir den Ausbau neuer Schienenwege, insbesondere für den Güterverkehr.Eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastrukturpolitik muss aus unserer Sicht eine radikale Ressourceneffizienz zum Ziel haben: Nur der Verkehrsträger mit dem geringsten Ener- gieaufwand für den Personenkilometer und den Tonnenkilometer ist nachhaltig. Hier ist der Schienenverkehr gegenüber dem Straßenverkehr klar im Vorteil.Konkret geht es um die Schienengüterumgehung östlich um Hamburg, die bessere 2 Schienenanbindung an den Hamburger Norden und die Beseitigung des Engpasses Elmshorn.Zum Schienenausbau Lübeck-Puttgarden führt die Landesregierung aus, dass vorge- sehen ist, diese Schienenhinterlandanbindung bis spätestens 2018 elektrifiziert und bis spätestens 2025 zweispurig ausgebaut werden soll. Die genauen Kosten dafür werden von der DB Netz AG noch zu ermitteln sein. Von der Finanzierung ist wohlweislich nicht die Rede. Hier gibt es kein frisches Geld der Bundesregierung, das muss aus dem Pla- fonds des Landes bezahlt werden.Es gibt viele Verkehrsprognosen, bei denen es immer linear nach oben geht, z.B. jedes Jahr plus fünf Prozent, das ergibt enorme Steigerungen über 10 oder 15 Jahre. Diese Prognosen haben einen Systemfehler, sie blenden die zu erwartende weitere Verknap- pung der Energierohstoffe aus. Der Treibriemen des Verkehrs ist Erdöl. Seine Verfüg- barkeit wird in den standardisierten Verkehrswirtschaftlichkeitsberechnungen vorausge- setzt. Das ist ein grundsätzlicher und folgenschwerer Fehler mit einer gigantischen Fehlallokation knapper Mittel. Die heute mit Schulden finanzierten Investitionen werden den erwarteten Nutzen nicht erbringen.Wir brauchen dringend eine ökologische Verkehrswende. Die aktuelle Wirtschaftsge- schichte macht es deutlich: In diesen Zeiten sinkt das Verkehrsaufkommen. Das erle- ben wir ganz aktuell bei den Umschlagverlusten unserer Häfen. Es gibt aber auch ganz andere Prognosen, die in der Regel immer durch die Realität übertroffen werden.Es sind leider die Prognosen über die Entwicklung des Klimawandels. Die globale Er- wärmung schreitet schneller voran als vorhergesehen. Eine dramatische Entwicklung. Der Klimawandel ist weiterhin das größte Problem der Menschheit. Und hier hat der In- dividualverkehr seinen Anteil.Der Verkehr ist Teil des Problems. Dicke Autos, dicke Strassen, dickes Wirtschafts- wachstum: Diese Formel wird mehr und mehr Vergangenheit. Ganz aktuell sind die Diskussionen über Investitionen in die Flughäfen des Landes. Der einstimmige Be- schluss der Kieler Ratsversammlung, alle Planungen für die Verlängerung der Start- bahn des Flughafens Holtenau einzustellen, war völlig richtig. Das wird noch deutlicher, das hat die aktuelle Stunde soeben gezeigt, wenn wir nach Lübeck schauen.Dies und viele andere Beispiele zeigen: Es wird viel versprochen, was sich als unhaltbar erweist, es wird sehr viel Geld an falscher Stelle ausgegeben. Wir brauchen dringend eine ökologische Verkehrswende. Und wir brauchen ein gesellschaftliches Umdenken. Wir haben nicht viel Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Wenn es in Amerika heißt: Yes we can! Dann sollten wir, die wir uns bislang immer auf der besseren Seite der Ge- schichte wähnten, nicht voller Staunen über den Teich gucken. Wir könnten sonst mit angucken, wie wir abgehängt werden. Wir brauchen die ökologische Verkehrswende jetzt. Yes we can, too! *** 3