Lars Harms zu TOP 33 - Umsetzung eines beitragsfreien Kindertagesstättenjahres
PresseinformationKiel, den 13. November 2008 Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 33 Umsetzung eines beitragsfreien Kindertagestättenjahres Drs. 16/2028Nur wirklich Ewiggestrige leugnen die Vorteile, die eine professionelleKindergartenpädagogik hat. Wenige Familien können nämlich ihren Sprösslingen dieErlebnisvielfalt und Erlebnistiefe bieten, wie ein durchschnittlicher Kindergarten.Der Besuch eines Kindergartens ist nach der Meinung vieler Experten der beste Start insLeben.Also müssten konsequenterweise die Kindertagesstätten optimal gefördert werden. Dasist aber bekanntermaßen nicht der Fall.Aufgrund des traditionellen Musters der Familienpolitik in Deutschland, reduziert sichdie Familienpolitik oft in monetäre Transfers. So wird das Kindergeld wieder in einemkleinen Schritt erhöht und wir werden wahrscheinlich sogar die oft geschmähteHerdprämie erleben. 2Bereits jetzt profitieren von Transferleistungen aber nicht diejenigen, die aufUnterstützung wirklich angewiesen sind. Ich möchte hier auch gerade dasEhegattensplitting anführen, das insbesondere deutsche Gutverdiener mit zusätzlichemEinkommen versorgt.Doch es ist zu befürchten, dass dieser Kurs beibehalten wird. Hohe Transfersummen sindfür konservative Politiker nämlich immer wieder ein beliebter Anlass, aufPressekonferenzen die Erfolge einer vorgeblich gelungenen Familienpolitik zu loben.Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Die unsozialen Transferleistungen graben Schulen,der Jugendhilfe und nicht zuletzt den Kindergärten das Wasser ab. Schließlich kann manjeden Euro nur einmal ausgeben – das gilt auch und besonders für staatliche Leistungen.Die Folge: Kinder, die darauf angewiesen sind, unterstützt und gefördert zu werden,erhalten nicht die ausreichenden Maßnahmen.Wir müssen dieses System ändern.Der SSW fordert eine stabile und solide Finanzierung von Kindergärten, gebundenenGanztagessschulen und Jugendfreizeitangeboten. Wir sehen sowohl dieProjektfinanzierung mit Antragsmarathon und alljährlicher Hängepartie als auchgeschätzte Zahlen, deren berechtigter Gebrauch erst noch nachgewiesen werden muss.Unter letzteres fallen die 120 Euro, die scheinbar unabhängig vom tatsächlichenFinanzbedarf und faktisch gezahlten Elternbeiträgen vor einigen Wochen aus heiteremHimmel in den Verhandlungen der Großen Koalition auftauchten. Obwohl keineflächendeckenden Zahlen vorliegen, scheint die geschätzte Pauschale in Höhe von 120Euro unverrückbar. Das ist womöglich sehr waghalsig. 3Dazu kommt die Fixierung auf eine Pauschale, die der Einfachheit halber überDurchschnittswerte, teilweise aus dem gesamten Bundesgebiet, hochgerechnet wurde.Aufgrund der angestrebten gesetzlich festgelegten Beitragsfreiheit wird eszwangsläufig bei den Trägern der Kindertagesstätten Gewinner und Verlierer geben. Die,die mit dem Durchschnittsbetrag auskommen können, sind die Gewinner und die, derenElternbeiträge über diesem Satz liegen, wissen noch nicht wie sie ihr Geld erhalten.Letztlich haben aber alle Träger das Nachsehen. Sie müssen schließlich nach Abschlussder Verhandlungen in Kiel noch mit ihren Kommunen feilschen. Gerade die sind aberklamm und können sich keine zusätzlichen Mittel aus den Rippen schneiden. Den letztenbeißen die Hunde.Es ist zu befürchten, dass sich die Verlierer unter den Trägern, unter ihnenwahrscheinlich auch der Dänische Schulverein, Gedanken machen müssen, wie sie mitden Verlusten umgehen. Denkbar sind mehrere Varianten: entweder wird zurKompensation der Elternbeitrag für die ersten Kindergartenjahre erhöht, oder es werdenStandards gesenkt, also beispielsweise Gruppengrößen erhöht. Eine andere Variantewäre auch denkbar, und zwar, dass den Eltern alle Leistungen, die 120 Euro übersteigen,als Sonderleistung in Rechnung gestellt werden: das beträfe dann jede Extrastunde überdie 5 Stunden Kernzeit genauso wie weitergehende Angebote der Kita.Das wären trübe Aussichten. 4Wir sollten daher unbedingt innerhalb der kürzest möglichen Zeit die tatsächlichenFolgen des neuen Finanzierungsmodells evaluieren. Wenn die Bildungsministerin derzeitnicht über flächendeckende Zahlen verfügt, sollte das nach Verabschiedung der neuenRegelung unverzüglich geschehen. Die Chancen, noch einmal nachzusteuern, wärendann am besten.Vielleicht sehe ich aber auch zu schwarz. Ich würde mich zu gerne durch belastbaresZahlenmaterial eines Besseren belehren lassen.Eines ist sicher: die chronische Unterfinanzierung der Kindertagestätten, die sich bereitsunter anderem in fehlender Akademisierung, unterdurchschnittlichen Gehältern derErzieher und viel zu niedrigem Anteil von Männern in diesem Job niederschlägt, wird mit120 Euro Pauschalbetrag nicht behoben werden.Auch im vorliegenden Bericht fällt kein Wort über die Sicherung inhaltlicher undpersoneller Standards. Das finde ich bedauerlich, weil damit die gute Arbeit, die untergroßem persönlichem Einsatz derzeit geleistet wird, vollständig ausgeblendet wird.Es ist zu hoffen, dass zumindest das zentrale Anliegen, nämlich die Inanspruchnahmeder Kindergärten deutlich zu verbessern, umgesetzt werden kann. Schließlich stand amAnfang der Debatte das Ziel, allen Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen,unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern. 5Ich bin davon überzeugt, dass die geplante Beitragsfreiheit vor allem für Familien mitmittlerem Einkommen die Hürde senkt und sie ihre Kinder einen Kindergartenbesuchermöglichen können.Dass die Träger die Pauschalierung nicht mit einer Standardabsenkung quittierenmüssen, gehört dann allerdings zu unseren Aufgaben.Letztendlich haben wir aber immer noch nicht eine Familienpolitik, die diesen Namenwirklich verdient. Anstatt sind mit Geldleistungen quasi freizukaufen, sollte der Staatseine Betreuungsangebote in Schule und Kindergarten ausbauen. Hier wäre das Geldwirklich besser angelegt.