Ralf Stegner zu TOP 17 + 22: Nicht Geld regiert die Welt, sondern es gilt der Primat der Politik!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 12.11.2008 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTop 17 +22: Folgen der Entwicklung auf den internationalen Finanzmärkten / Auswirkungen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (Drucksachen 16/2274 und 16/2293)Ralf Stegner:Nicht Geld regiert die Welt, sondern es gilt der Primat der Politik!Der Marktradikalismus ist gescheitert, konstatiert der Vorsitzende der SPD- Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, in seiner Rede. Das hat Folgen für die Wirtschaft und für das Vertrauen der Menschen in die Demokratie. Die Maßlosigkeit und der Wettbewerb gingen auf Kosten der Arbeitnehmer, der Staatseinnahmen, der Sicher- heit, der Umwelt. Die Mischung aus Marktgläubigkeit und Gier war fatal. Dies hat massive negative Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger. Ein Konjunkturabschwung deutet sich an, der internationale Handel stockt und nun macht sich das Fehlen der Kaufkraft für den privaten Konsum deutlich. Stegner weist darauf hin, dass Arbeitnehmerentgelte seit 2003 um 2,9 Prozent gestie- gen sind, die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen dagegen um über 40 Prozent. Er fordert einen handlungsfähigen Staat, wir müssen Grenzen einziehen und die profitmaximierende Logik in gesellschaftlich und volkswirtschaftlich verträgli- che Bahnen lenken. Stegner warnt vor einem Zurück zum laissez faire und zum Markt- radikalismus. Wir brauchen vielmehr eine zweite Phase der globalen Entspannungspo- litik, die die Finanzmärkte zügelt, kontrolliert, reguliert und Transparenz erzeugt. Wir stehen zu unserer Verantwortung bei der HSH-Nordbank, die die wirtschaftliche Tätigkeit unser regionalen Unternehmen stützt und begleitet. Wir erwarten ein sorgsa- mes Umgehen mit den Mitarbeitern und den finanziellen Ressourcen und wir erwartenHerausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-eine umfassende und zeitnahe Information. Verantwortung und Seriosität verlangt, sich Fakten zu beschaffen und dann Schlussfolgerungen zu ziehen.Die Rede im Wortlaut: Bundespräsident Gustav Heinemann hat einmal gesagt „Der Staat ist eine Notordnung gegen das Chaos.“ In diesen Tagen wird besonders deutlich, dass die demokratischen Staaten, auch Deutschland, eine Notordnung gegen das Chaos auf den internationa- len Finanzmärkten sind. Sie verhindern, dass falsches Denken und falsches Handeln bei Investmentbankern und Börsenanalysten und Managern nicht nur die Realwirt- schaft weltweit in die Rezession treiben, sondern den Arbeitsmarkt und die ganze Ge- sellschaft in eine Krise stürzen. Milliarden Dollar oder Euro werden garantiert, verbürgt oder als direkte Staatshilfen in die Wirtschaft gepumpt, um Schlimmeres für die zu verhindern, für die die Wirtschaft doch eigentlich da ist, nämlich die hart arbeitenden Bürgerinnen und Bürger auch unseres Landes, die das alles auszubaden bzw. zu be- zahlen haben.Das gegenwärtige Chaos in den Finanzmärkten ist das Ergebnis konsequenter Li- beralisierungspolitik und ihrer zu unkritischen Begleitung. Hier ist nach dem Ende des Staatssozialismus auch der Marktradikalismus gescheitert, der in den letzten Jah- ren allzu sehr den Zeitgeist bestimmt hat. Leider ist diese Haltung von kurzfristig rendi- teversessenen smarten Jungmanagern aus Rating-Agenturen, von Heuschrecken und anderen auch als Virus in die Politik gelangt. Wir brauchen ein wirkliches, dauerhaftes Umdenken im gesamten wirtschaftlichen und politischen System. Bevor ich auf die HSH-Nordbank zu sprechen komme, bedarf es einer soliden Herleitung von Ursachen und Wirkung. -3-Barack Obama hat in der letzten Woche nach einer begeisternden Kampagne die amerikanischen Präsidentschaftswahlen deutlich gewonnen. Dies freut mich nicht nur, weil er mitten in einer aufziehenden Weltwirtschaftskrise einen der schlechtesten Prä- sidenten in der US-Geschichte ablöst, sondern weil die Chancen zu koordiniertem in- ternationalem Handeln gestiegen sind. Vor allem aber, weil er es geschafft hat, viele Menschen davon zu überzeugen, dass Politik – demokratische Politik - etwas bewe- gen, etwas verändern kann und zwar zum Guten. Er hat mit einem Politikverständnis gewonnen, das das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt stellt.Weltmarktführer, Exportweltmeister, Renditeerwartungen um 25 %, die – koste es, was es wolle – gesichert werden mussten, weil sonst die Abwanderung ins Ausland drohte – dies waren Ziele, denen sich alles unterzuordnen hatte. Der Weg dazu lautete: mehr Markt in immer mehr Lebensbereichen und immer mehr Deregulierung. Je mehr Markt, so das einfache Credo des Marktradikalismus, desto besser. Je mehr Leute man rausschmeißt, umso höher der Börsenkurs. Ein verhängnisvoller Fehler. Nicht nur für die Wirtschaft, wie wir jetzt sehen, nein, auch für das Vertrauen der Menschen in die Demokratie. Wer seinen Arbeitsplatz verliert, obwohl es dem Betrieb gut geht, wie soll der noch an soziale Marktwirtschaft glauben, statt als Nichtwähler zu resignieren bzw. sogar extremen Parteien zu folgen?Un- oder besser deregulierte Märkte neigen zur Instabilität, weil es keine sichernden, keine mäßigenden Elemente gibt. Ohne marktfremde Elemente entstehen Kettenreak- tionen und Teufelskreise oder, wie Herr Wiegard sie nennt, „Dominoeffekte“.Wir haben gesehen, dass das Geldvermögen deutlich stärker als das Sachvermö- gen gewachsen ist. In Deutschland war das 1960 noch die Hälfte des Sachvermö- gens, 2006 war das Geldvermögen doppelt so hoch wie das Sachvermögen, in den USA viermal so hoch. Die täglichen Umsätze der Devisenmärkte betrugen im April 2007 3,4 Billionen US Dollar. Die Güterexporte machten 2006 weltweit 14,7 Billionen -4-USA Dollar aus. Drei Tage lang geöffnete Devisenmärkte hätten gereicht, um den ge- samten internationalen Leistungsaustausch zu finanzieren.Dieses Mengenproblem führte direkt zu einem Preisproblem: Schon geringe Bewer- tungsänderungen führten zu drastischen Schwankungen von Preisen, Kursen und Zinssätzen, zumal es um Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen geht, die auf unvollkommener Information beruhen und daher so unsicher sind wie langfristige Wet- terprognosen.Um sich wiederum gegen diese Schwankungen abzusichern, wuchsen die sogenann- ten Derivate rasant. Mit diesen Wetten auf Preisentwicklungen wurden die Finanz- märkte immer stärker von der realen Wirtschaft abgetrennt. Sie erleichtern die Vertei- lung von Risiken, verlocken aber auch zur Spekulation. Finanzmärkte haben also ein systemisches Risiko. Und ich bin skeptisch dabei, die Verantwortung der Zinspolitik Alan Greenspans zuzuweisen – zunächst einmal hat seine konjunkturstimulierende Politik die Arbeitslosigkeit gesenkt und den konjunkturellen Aufschwung verlängert.Doch auch in der realen Wirtschaft scheint es ein solch systemisches Risiko zu geben. War es nicht eigentlich jedem Menschen mit gesundem Menschenverstand klar, dass 25 % Prozent Rendite bei einem etablierten Unternehmen nicht dauerhaft sein kön- nen? Auf wessen Kosten ging diese Maßlosigkeit? Auf Kosten der Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer, der Staatseinnahmen und damit der öffentlichen Infra- struktur, der Sicherheit, der Umwelt. Der Wettbewerb ging nicht über bessere Produk- te, nicht um mehr Qualität, sondern um weniger Kosten. Dass diese Strategie nicht nachhaltig ist und allenfalls kurzfristig Gewinn bringt, war den Verantwortlichen egal.Die Mischung aus Marktgläubigkeit und Gier war fatal. Die Immobilienblase in den USA, der K.O. der Lehmann Brothers, die Dämlichkeit bei der KfW, Hypo Real Estate -5-Bank, die unseligen Zitate der Herren Ackermann, Sinn und Wulff – Sie kennen die Stichworte und Schlagzeilen.Die Finanzmärkte sind zusammengebrochen und dies hat massive negative Auswir- kungen auf die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger. In der realen Wirt- schaft deutete sich ein Konjunkturabschwung bereits an. Der internationale Handel stockt und nun macht sich das Fehlen der Kaufkraft für den privaten Konsum deut- lich. Arbeitnehmerentgelte sind seit 2003 um gerade einmal 2,9 Prozent gestiegen, re- al und netto sind sie sogar gesunken. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen schrumpft, denn die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind im glei- chen Zeitraum um über 40 Prozent gestiegen.Selbst scheinbar vollkommene Märkte sind nicht effizient. Der Marktradikalismus hat die Instabilität der Finanzmärkte und der realen Wirtschaft verschärft. Die Folgen, die allein Rohstoffspekulationen für ärmere Länder des Südens hatten und haben, können wir nur erahnen; die Ärmsten werden wieder am meisten zu leiden haben.Wann, wenn nicht jetzt, lernen wir Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu schätzen, z. B. die öffentlich-rechtlichen Sparkassen, die über ihre aktuelle Kredit- vergabe Schlimmeres verhindern und auch für Sparerinnen und Sparer ein sicherer Anlageort sind. Wie war das noch, als in Werbespots das Sparbuch als eine nur ge- ringfügig bessere Form des Sparstrumpfes verlacht wurde? Es gibt schwarz-gelbe Ge- setzesentwürfe aus NRW und auch einen Wettbewerbsfundamentalismus in Brüssel, der fatale Folgen hätte, wenn sich durchsetzte, dass wir unser stabilisierendes Drei- Säulen-Modell im Bankensektor aufgeben müssten. Wer Wettbewerbsnachteile durch deutsche Sparkassen fürchtet, soll doch in Italien oder England Sparkassen gründen!Wann, wenn nicht jetzt lernen wir zu schätzen, dass wir einen handlungsfähigen Staat brauchen, der als einziger in der Lage ist, Panik in der Bevölkerung zu verhin- -6-dern und über seine Funktion als “lender of last resort“ den letztlichen Kollaps zu ver- meiden und langsam das Vertrauen im Wirtschafts- und Finanzbereich wieder herzu- stellen.Wann, wenn nicht jetzt, wissen wir, dass wir Grenzen einziehen müssen: den Min- destlohn, von dem man leben kann, zum einen, eine Grenze für Managergehälter bzw. Boni zum anderen. Unser Wirtschaftssystem neigt zum Marktversagen auf Kosten der Schwächeren, der Umwelt, der Anderen. Hier muss der Staat, müssen die Staaten, wirksame und bessere Anreize installieren, um verantwortungsvolles, nachhaltiges Handeln nicht in das Belieben der Einzelnen zu stellen. Es gilt, die profitmaximierende Logik in gesellschaftlich und volkswirtschaftlich verträgliche, wenn nicht so gar nützli- che Bahnen zu lenken!Wann, wenn nicht jetzt, lernen wir, die Binnennachfrage unserer Bürgerinnen und Bürger zu schätzen gemäß dem alten Spruch von Henry Ford, nach dem Autos keine Autos kaufen. Ohne die Stärkung der Kaufkraft der kleinen, der normalen Leute, wer- den wir dauerhaft von Krise zu Krise wanken, denn die Grundlage Export ist dünn und schwankend und wurde durch Spekulation künstlich aufgemotzt.Hätten wir den Ratschlägen derer nachgegeben, die Solidaritätsprinzip, Bürgerver- sicherung und Generationenvertrag verlacht und Kapitaldeckung bei Pflege und Rente gefordert haben, wären bei uns nicht nur wie in Florida oder Kalifornien Millio- nen älterer Menschen in Existenznöten – nein, dann hätten wir keine Finanz- und Ka- pitalmarkt-, sondern eine Demokratie- und Staatskrise. Sozialdemokraten haben das verhindert und das werden wir immer wieder tun! Insofern rate ich gerade jenen, be- scheidener mit ihren Attacken zu sein – die Vorschläge sind alle dokumentiert – die Bürgerinnen und Bürger wissen sehr wohl, was Herr Westerwelle, Herr Merz und Herr Professor Sinn so alles vorgeschlagen und gefordert haben. -7-Barack Obama hat auch gegen die Ideologie der sogenannten Neocons gewonnen, die den Staat am liebsten ertränkt hätten, die aber zumindest alles daran setzten, ihn finanziell auszutrocknen. Die Zeit von Staats- und letztlich auch von Politikverachtung ist hoffentlich vorbei. Ein Zurück zum laissez faire und zum Marktradikalismus, wie ihn eine Volkspartei in Leipzig beschlossen hat und ihr Wunschpartner seit langem ver- folgt, darf es nicht geben.Und ich hoffe auch, dass die, die uns in die Krise geführt haben, nicht nach einer kur- zen Schonfrist – wenn die Rettungsmaßnahmen des ach so verachteten Staates ge- griffen haben – wieder frech werden und uns arrogant ihre alten Wundermittel anprei- sen: weniger Arbeitnehmerrechte, aber dafür freie Fahrt für das internationale Finanz- kapital. Das wollen wir nicht. Wie bei der Entspannungspolitik Willy Brandts gegen das internationale Wettrüsten gilt es nun, eine zweite Phase der globalen Entspannungs- politik einzuleiten, die die Finanzmärkte zügelt, kontrolliert, reguliert und Transpa- renz erzeugt.Womit Gerhard Schröder beim G 7-Treffen in Glenn Eagles noch am Widerstand der Konservativen und Marktradikalen gescheitert ist, was Peer Steinbrück zu recht voran- treibt, wird inzwischen zum Glück auch von Frau Merkel unterstützt. Der sozialdemo- kratische Bundestagsabgeordnete Ortwin Runde nennt die Finanzinfrastruktur ein „öf- fentliches Gut“, nur der Staat in internationaler Koordination mit anderen Staaten kann sie sicherstellen.Und vom Regierungswechsel in den USA werden viel eher die Impulse zur Lösung der Krise kommen als von den Schrauben, an denen wir in München, Berlin oder Kiel dre- hen können. Damit bin ich bei den Empörungs- und Erregungswellen in Kiel. Natürlich ist die Entwicklung bei unserer HSH-Nordbank besorgniserregend. Eines ist klar: Wir stehen zu unserer Verantwortung bei der HSH Nordbank, die die wirtschaftliche Tä- -8-tigkeit unser regionalen Unternehmen stützt und begleitet; Herr Wiegard nannte einige wichtige Fälle.Wir haben dafür in der letzten Legislaturperiode entscheidende Weichen gestellt und diese auch solide finanziell unterfüttert. Wir erwarten dabei allerdings ein sorgsames Umgehen mit den Mitarbeitern und den finanziellen Ressourcen, ein anderes Verhal- ten als bei privaten Banken und wir erwarten eine umfassende und zeitnahe Informati- on aller Verantwortlichen. Da sind wir mit Bewertungen heute allerdings vorsichtiger– erst kommt die solide Information der Aufsichtsgremien, dann die Information des Par- laments, dann eine solide Bewertung und dann folgen die politischen Schlussfolgerun- gen. Wer hätte wann was wissen müssen, hatte es gar gewusst und wann, wie und wer wurde informiert. Da haben wir noch viele Fragen, wo andere schon bei der Ur- teilsverkündung sind.Übrigens habe ich gerade in den letzten Wochen immer wieder festgestellt, dass die Rollenzuschreibungen von Helden und Schurken mehr als fragwürdig sind – ich bin da weder für Persilscheine noch für Sündenböcke.Wir reden hier heute eben nicht über eine Krise der HSH-Nordbank, an der am besten ein Politiker Schuld ist, damit die alte Welt wieder in Ordnung ist. Nein, wir reden über eine internationale Finanzmarkt-, Kapitalmarkt und Bankenkrise, die so große Banken wie die Commerzbank, so kapitalkräftige Landesbanken wie die Baden- Württembergische Landesbank, aber eben auch die WestLB und die Bayerische Lan- desbank unter den Milliardenschirm der Zusicherung der Bundesregierung zwingt. Das betrifft dann natürlich auch die HSH-Nordbank mit ihrer vergleichsweise schwächeren Kapitalstruktur.Die HSH-Nordbank ist überwiegend in öffentlichem Eigentum und deswegen müssen wir auch aufpassen, dass wir bei der öffentlichen Debatte darüber im Landtag heute -9-keinen Beitrag dazu leisten, das Unternehmen zu schädigen – mit seinen Mitarbei- tern und den Arbeitsplätzen, wo wir so froh waren, dass sie auch in Kiel gehalten wor- den sind. Wissen wir doch, dass schon Gerüchte, Verdächtigungen das Rating und die Tageseinschätzung von Banken negativ beeinflussen können – erst recht in einer Zeit, wo es eine große Kreditklemme gibt und der Kapitalmarkt immer noch nicht in Schwung zu kommen scheint. Das bedeutet, dass wir natürlich Fragen auch über HSH-spezifische Problemstellungen stellen werden.Richtig ist aber eben auch, dass die HSH-Nordbank im Gegensatz zu anderen Banken häufiger Berichte gibt als andere das tun. Das kann man dann kritisieren, indem man von Wasserstandsmeldungen redet, aber das ist doch eigentlich das, was wir wollen. Und dass sich die Lage z. T. innerhalb von Tagen drastisch geändert hat im Zuge der Finanzmarktkrise bei unveränderten Rating-Bedingungen, das haben wir doch alle miteinander erlebt.Richtig ist auch, dass nicht alles, was gestern gut war, mit einem Mal schlecht ist und es alle gewusst haben. Das gilt für Geschäftsmodelle wie Zuweisungen an den Lan- deshaushalt. Wenn die HSH-Nordbank beispielsweise Weltmarktführer bei der Schiffs- finanzierung war, dann konnte sie das nur sein, weil das Produkt Schiffsfinanzie- rung ein gutes gewesen ist und da hat der scheidende Vorstandsvorsitzende Hans Berger auch den Respekt der SPD-Fraktion. Wenn nun im Zuge der konjunkturellen Entwicklungen auch im Schiffbau die Entwicklungen rückläufig sind und Aufträge stor- niert werden, dann gibt es auch in diesem Bereich eine Krise, ohne dass man deswe- gen sagen könnte, dass die Ausrichtung im Grundansatz falsch gewesen sei.Verantwortung und Seriosität verlangt aber nicht, den Wettbewerb um die schrillste Formulierung zu gewinnen, sondern sich Fakten zu beschaffen und dann Schlussfol- gerungen zu ziehen. Ich erinnere daran, dass der Aufsichtsrat der HSH-Nordbank erst - 10 -heute zusammentritt und insofern das zuständige Aufsichtsgremium selbst die Fakten noch gar nicht alle kennt.Der Staat kann weiß Gott nicht alles richten, aber der Staat sind wir, der Staat ist die Demokratie. Er muss handlungsfähig sein und Gemeinwohl und Gemeinsinn sind allemal bessere Orientierungen als zügellose Profitgier und die Verherrlichung von Eigennutz. Nicht Geld regiert die Welt, sondern es gilt der Primat der Politik. Das ist unser Motto, das ist unsere Antwort auf die schwere Krise.Und lassen Sie mich eine Schlussbemerkung machen: Die Stützung des Finanzsys- tems war notwendig, sie war richtig und vernünftig. Wir werden aber diese gewaltigen Dimensionen gegenüber der Bevölkerung nur rechtfertigen können, wenn wir drei Din- ge tun: 1. Wir müssen dafür sorgen, dass die staatliche Risikoübernahme nur gegen Ein- fluss des Staates und Beteiligung der Steuerzahler an späteren Erfolgen stattfindet. 2. Wir brauchen ein internationales, verantwortliches Finanzsystem mit einer deut- lichen Kampfansage gegenüber Steueroasen und anderen Ländern mit bewusst laxen Finanz- und Kapitalmarktregelungen, die sich dieser solidarischen Aufgabe entziehen, und diesbezüglich eine Abkehr von Liberalisierungstendenzen und eine Abschaffung der Privilegien für fragwürdige Pseudovermögensverwaltungen und eine Eingrenzung der Handlungsspielräume für Hedge- und Private-Equity-Fonds (z. B. Verbot von fremdfinanzierten Sonderausschüttungen), vielleicht brauchen wir auch eine Spekula- tionssteuer. 3. Und wir müssen uns der Lösung der drängenden Zukunftsfragen mit ähnlicher Konsequenz annehmen: Dem Konjunkturrückgang und dem Schutz von Arbeitsplät- zen, der Bildungspolitik, der Energie- und Umweltpolitik und natürlich auch der Kinder- betreuung. Wie Herr Wiegard bereits sagte, führt an einer konsequenten Haushalts- konsolidierung kein Weg vorbei – sie sollte aber auch intelligent sein. - 11 -Die, die hart für ihr Geld arbeiten müssen, dürfen nicht die Suppe von denen auslöf- feln, die teilweise ein höheres Einkommen haben als die gesamte Belegschaft des von ihnen geführten Unternehmens zusammen. Für sie gilt ganz besonders der Satz von John F. Kennedy: Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern was du für den Staat tun kannst.